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Von der Mittelstands- zur Unterschichtengesellschaft

29.01.2023  |  Prof. Dr. Eberhard Hamer
Nach dem letzten Weltkrieg hatten wir alle nichts, waren wir arm, hatte unser Volk gehungert, gefroren, kaum Wohnung, wenig Arbeit und eigentlich keine Zukunftsaussichten mehr. 1947 bekamen wir nach der Währungsreform pro Person 40 D-Mark, waren wir nahezu alle gleich „reich“.

Der Autor hat sich damals nie träumen lassen, dass es ihm einmal so gut gehen würde wie unserer Generation heute. Wir verdanken dies den Bedingungen,
  • dass die Amerikaner früher als die Russen mit der Ausplünderung Deutschlands aufhörten, weil sie uns als Zentralland für ihre Herrschaft über Europa brauchten, also auch wirtschaftlich wieder selbständig machen mussten,

  • dass alle Nazi-Gesetze abgeschafft waren und deshalb größte Handlungsfreiheit bestand für alle, die irgendetwas anfangen und wiederaufbauen wollten,

  • dass Ludwig Erhard den Aufbau aus dem Nichts dadurch förderte, dass er nur Ausschüttungen aus den Betrieben als Gewinn versteuern ließ, also Selbstfinanzierung ermöglichte ¹ und damit mehr als 10 Millionen Unternehmer ein „Wirtschaftswunder“ schufen mit Arbeitsplätzen, Einkommen und allmählich steigendem Wohlstand.

  • Vor allem aber wurden nach der verheerende Nazi-Ideologie wieder die 10 Gebote und die Preußischen Tugenden zu Leitideen der Gesellschaft.

So konnte jeder, der fleißig und bescheiden war, sich allmählich wieder eine Existenz, eine eigene Wohnungseinrichtung, ein Auto und 40% fleißige Bürger sogar wieder eine eigene Wohnung beschaffen.

Ludwig Erhard wollte "Wohlstand für alle". Er wollte aus der allgemeinen Armut durch Eigenleistung eine Mittelschichtgesellschaft schaffen, weil "nur derjenige, der etwas hat, auch gegen den Kommunismus immun wird".

Dass sich wieder auch eine kleine Oberschicht mit größerem Reichtum bildete, sah Ludwig Erhard als "Preis der Marktwirtschaft" an. Für ihn sollte vor allem jeder Fleißige aus der Unterschicht in die Mittelschicht aufsteigen können. Dafür garantierte er Wettbewerb und Chancengleichheit.

Nie hat sich vorher eine Mittelschicht in Deutschland wieder so schnell gebildet wie in den 1950er und 1960er Jahren. Beigetragen hat dazu, dass
  • mehr als 2 Millionen Unternehmer und mehr als 3 Millionen Qualifikationsträger aus dem Osten in den Westen flüchteten,
  • die deutsche Bevölkerung und Arbeiterschaft höchste Qualifikationen hatte, die zunehmend wieder genutzt werden konnten
  • und jeder, dem es schon besser als andere ging, anderen als Ansporn, nicht wie heute als Neidobjekt, galt.

So hat sich eine Mittelschicht in der deutschen Gesellschaft kontinuierlich bis heute fast zur Hälfte (47% ²) entwickelt, sind wir eine wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch die vom Mittelstand geprägte "bürgerliche Gesellschaft" geworden.

Die Grenze zwischen Mittelschicht und Unterschicht nimmt die Mittelstandsforschung ³ bei den Medianeinkommen an. Als arm und Unterschicht gilt, wer ein Bruttoeinkommen unterhalb dieses Medianeinkommens von ca. 3.400 Euro monatlich hat. Dazu gehörten vor allem solche Bevölkerungsgruppen, die aus persönlichen Gründen ⁴ in der Leistungsgesellschaft nicht mitkamen oder abgefallen sind. Für sie wurde ein umfangreiches Transfer- und Sozialsystem geschaffen, welches jedem Deutschen die Existenz sichern sollte.

Diese Sozialgarantie wurde allerdings dann ausgedehnt auf "alle, die in diesem Land leben ⁵" und sogar auf alle in der Welt, die zu uns kommen und nicht nur vorübergehend Hilfe brauchen, sondern sich lebenslang bei uns ohne Arbeit im Sozialsystem einrichten.

Mit der - auch im internationalen Vergleich - größten Einkommensumverteilung der deutschen Geschichte haben wir das international höchste Sozialsystem auf Kosten

der Mittelschicht und zugunsten der Unterschicht geschaffen, das uns zwar Ausbeutung der Leistungsträger, aber bisher auch sozialen Frieden und die Vermeidung echter Armut ⁶ gebracht hat.

Die Mittelstandssoziologie ⁷ sieht die entscheidenden Einkommensmerkmale der drei Schichten darin, dass
  • die Oberschicht aus Vermögen, also aus der Arbeit anderer lebt,
  • die Mittelschicht aus Eigenleistung lebt
  • und die Unterschicht überwiegend aus Transferleistungen der Mittelschicht lebt.

Während das Kapital der Oberschicht nur mäßig oder gar nicht ⁸ besteuert wird, ist unser ganzes Steuer- und Abgabensystem auf das Einkommen aus Arbeit abgestellt, also auf die Leistungserträge der Mittelschicht. Entsprechend hat der deutsche Mittelstand die höchsten Steuern und Sozialabgaben der Welt und zusätzlich das größte Sozialsystem der deutschen Geschichte zu finanzieren. In einer früheren Untersuchung des Mittelstandsinstituts Niedersachsen ⁹ wurde errechnet, wie die drei Schichten unterschiedliche Nettobeiträge zur Staatsfinanzierung leisten, nämlich

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Quelle: Hamer, E. "Wer finanziert den Staat?"


Diese aus der staatlichen Abgabenstatistik errechneten Belastungen spiegeln die Leistungsbeiträge der gesellschaftlichen Schichten wider. „Insofern hat die Mittelstandsökonomie recht, wenn Sie behauptet, dass der Mittelstand (die Mittelschicht) der wirtschaftliche Träger unserer Gesellschaft und unseres Wohlstandes sei. ¹⁰“

Aus den Leistungserträgen vor allem der Mitte wurden vor allem für die Unterschicht umfangreichste Sozial-, Bildungs- und Wohlstandskonzepte erarbeitet, mit denen die Unterschicht zur Mitte geführt bzw. angehoben werden sollte. Das hat insofern funktioniert, als kein "Armer" in Deutschland in Existenznot gelassen, dass der Lebensstandard der deutschen Unterschicht sogar höher als der Lebensstandard der meisten Mittelschichten in der Welt ist.


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