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Alles vorbei bei Öl und Gold?

31.07.2008  |  Ronald Gehrt
Am Montag sagte Ex-US-Finanzminister Lawrence Summers in einem Interview sinngemäß: "In der Wirtschaft dauert es eine Ewigkeit, bis Entwicklungen, mit denen alle rechnen und auf die alle warten, endlich eintreten. Ist es dann aber soweit, sind alle überrascht, wie schnell sie verlaufen."

Bezeichnend und wahr. Wie lange haben die nüchtern und neutral analysierenden Experten bereits vor einem Abrutschen der USA in die rezessive Zone gewarnt ... und nun, nachdem man noch im April/Mai letztmals dachte, es sei wieder alles in Butter, geht es nun bergab mit Konsum und Arbeitsmarkt und dafür aufwärts mit der Inflation.

Und, auf der anderen Seite der Medaille: Wie lange habe ich gebetsmühlenartig die Rallye der Energiepreise verdammt und sie nicht nur als fatal für jedwede Chance auf eine Bodenbildung beim weltweiten Abstieg aus der Wachstumszone gesehen, sondern auch aufgrund sinkender Nachfrage als schlichtweg ökonomisch falsch. Es dauerte Monate, bis diese ewig scheinende Hausse ihr Ende fand. Und nun ist es gerade einmal 15 Tage her, dass der Ölpreis um 147 Dollar ein Allzeithoch markierte und schon ringen wir mit der Zone 120/122 Dollar.


Und auf einmal soll die Nachfrage die Preise machen

Nun stellt sich mir allerdings die Frage, was dieser Kursrutsch taugt. Immerhin hat uns ja gerade die allerjüngste Vergangenheit gelehrt, dass die Kurse auch gegen die Faktenlage laufen können, gerade im Öl, wo die Relation von Angebot und Nachfrage für die Preisbildung ja sehr relativ ist. Denn was bei der Diskussion über das "korrekte" Preisniveau immer ignoriert wurde:

Rohöl und Erdgas, Benzin und Diesel sind keine Rohstoffe, denen man einfach den Rücken kehren kann, wenn einem der Preis zu hoch wird. Was bedeutet, dass die Nachfrage hier bis auf geringe Prozentsätze eben nicht so einfach einbrechen kann, weil die Energie unerschwinglich wird. Man muss akzeptieren, was die Märkte als Preis diktieren, sonst gehen die Lichter aus. Und dass diese Kurse weniger vom Spot- denn vom Futuresmarkt dominiert werden und die Akteure dort keineswegs alle wirklich diese Rohstoffe haben wollen zeigt, dass die Preise hier eben nicht so unmittelbar von Angebot und Nachfrage gesteuert werden. In diesem Zusammenhang meldete die Chicagoer Terminbörse vor zwei Wochen, dass ca. 70% der Futures-Kontrakte von Spekulanten gehalten werden.

Was tun diese Spekulanten nun? Auf einmal scheint blitzschnell alles anders geworden zu sein. Alles scheint aus den Energierohstoffen und den Edelmetallen heraus- und in den Aktienmarkt hinein zu wandern. Aber ist das wirklich so? Wie viel Kapital bleibt an den Seitenlinien in Bereitschaft? Der Aktienmarkt ist nicht ansatzweise so deutlich gestiegen wie man hätte vermuten können. Denn immerhin hatte zuletzt alles nur noch auf den Ölpreis gestarrt wie ein Kaninchen auf die Schlange.

Doch dieser blitzschnelle Kursrutsch führte nicht zu einer kompletten Absolution. Im Gegenteil wurde vielen Akteuren schnell bewusst: Die Energiepreise sind ein entscheidender Faktor, keine Frage. Ohne Ölpreise um - oder besser unter - 100 Dollar haben die USA keine Chance, zu einem ECHTEN Wachstum zurück zu kehren (also nicht zum Wachstum in den Daten der US-Regierung, denn die suggerieren ja immer noch ein "alles bestens"). Aber erstens IST der Ölpreis noch nicht bei oder unter 100 Dollar und zweitens haben wir bis dahin ja noch die anderen Probleme ... und egal, ob Inflation, Kredit- oder Immobilienkrise: Bis jetzt wurde viel geredet, viel beschönigt und nichts gelöst. Eine Wende hin zu gesundem Wachstum ist so schnell einfach nicht zu erreichen. Und sollten die Energiepreise sogar wieder steigen, erst recht nicht.


Der typische Strom der Lemminge funktioniert in beide Richtungen

Könnten sie das? Warum nicht! Wie gesagt, die Erfahrungen der letzten Monate haben uns ja bewiesen, dass die grundsätzliche Entwicklung von Angebot und Nachfrage gerade in diesen Bereichen - vergleichbar auch Grundnahrungsmitteln, die nicht durch alternative Produkte ersetzt werden können - nicht zwingend auf die kurzfristige Preisbildung wirken. Und:

In meinen Augen ist es keineswegs die Einsicht, dass hohe Energiepreise wirtschaftlich "falsch" sind, welche die Akteure aus den Energie-Positionen heraus getrieben hat, sondern schlicht Stop-Loss-Verkäufe und Umschichtungen in die Aktien in der Hoffnung, dass dort nun mehr zu holen sei. Früher gab es derartige Ströme in volatilen Börsenphasen regelmäßig nur zwischen Aktien- und Anleihemarkt. Aber ich würde mich nicht wundern, wenn es hier nun ähnlich verliefe wie dort: Die Masse stieg kurz vor einem Zwischentief aus Aktien aus, um an einem Zwischenhoch der Anleihen dorthin zu wechseln ... nur, um mit entsprechenden Verlusten kurz vor dem Ende einer Aktienrallye, die zum erneuten Wechsel lockte, wieder in die Aktien einzusteigen und direkt in den nächste Verkaufswelle hinein zu laufen.

Momentan ist das Momentum bei Öl, Gas, Benzin ebenso wie bei den parallel laufenden Edelmetallen wie Gold und Silber in negativem Terrain. Die meisten Trader - auch und gerade die großen Hedge Funds - gehen demnach in diesen Märkten Short. Aber das ist eben keineswegs innere Überzeugung, sondern schlichte Markttechnik, die hier regiert. Und das könnte sich ebenso schnell wieder umkehren, wie dieser Kurssturz kam, denn:

Das Momentum der meisten Aktienmärkte ist gerade mal so eben aus überverkauftem Terrain in den neutralen Bereich vorgedrungen, aber per saldo noch nicht bullish. Ich meine, dass nur erneut deutlich fallende Energiepreise oder aber sehr starke neue Konjunkturdaten, die glaubwürdig und gut genug sind, um hinreichend vielen Akteuren die "Wende von ganz alleine" vorzugaukeln, imstande wären, hier einen erneuten bullishen Impuls auszulösen, der die Aktienmärkte so weit nach vorne treibt, dass auch noch die momentan in Bereitschaft liegenden Barbestände dort eingesetzt werden. Gelingt dies aber nicht, stellt sich natürlich für viele große Adressen die Frage: Wohin mit dem Geld?

Und sollten die Aktienmärkte nicht deutlicher an Attraktivität gewinnen ... ich würde mich nicht wundern, wenn wir schnell wieder Ölpreise von 130/132 oder sogar höher sehen ... und auch einen neuen Aufwärtsimpuls bei Gold und Silber. Natürlich fällt es schwer, sich dieses Szenario vorzustellen, solange die Kurse das Gegenteil tun. Aber:




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