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TARP gescheitert - was folgt?

30.09.2008  |  Klaus Singer
TARP ist im US-Repräsentantenhaus mit 205 zu 228 Stimmen gescheitert - 2/3 der Republikaner und 1/3 der Demokraten sprachen sich dagegen aus. Zwar schieben die Gegner ehrenwerte Kritikpunkte vor sich her, aber da kommt doch insbesondere bei den Vertretern der Bush-Partei der Verdacht auf, dass sie Angst vor einem Denkzettel haben, den ihnen die Amerikaner in der anstehenden Präsidentenwahl ausstellen könnten.


Einige Kommentare:

Paul Krugman, NYT, spricht nach dem Nein des Repräsentantenhauses von einer Bananenrepublik. Seiner Meinung nach hat die Entscheidung, Lehman pleite gehen zu lassen, das Weiße Haus an Obama ausgeliefert.

Willem Buiter schreibt in seinem FT-Blog, falls der Kongress sich nicht eines Besseren besinnt, werde folgendes passieren: Aktien-Crash - CDS-Crash - Geldmarkt-Crash - Notverkäufe von Bank-Assets - es gibt keine Konsumentenkredite mehr - Banken kippen im Domino-Effekt - andere Finanzinstitutionen kippen ebenso - die Konsumenten-Nachfrage kollabiert - unbegrenzte Handelsaussetzung bei Finanzaktien - alle Banken werden verstaatlicht - die Große Depression 2010 beginnt.

Ein ehemaliger Chef von Goldman Sachs sagte laut Aussage des Wirtschaftsjournalisten Leo Müller im Interview mit dem Deutschlandradio, die Verluste aus der gegenwärtigen Finanzkrise werden sich auf bis zu 4 Bill. Dollar summieren. Bisher gehen selbst pessimistische Schätzungen nur von bis zu zwei Bill. Dollar aus.

Nach Ansicht des Amsterdamer Ökonomie- und Politikprofessors Michael R. Krätke ist das Modell des Finanzkapitalismus amerikanischer Prägung mit der gegenwärtigen Finanzkrise zusammengebrochen. Krätke sagte im Deutschlandradio, die Reaktion auf den Untergang des Mythos von der Überlegenheit des US-amerikanischen Finanzmarktsystems sei "eine Woge von Staatssozialismus der kuriosesten Art, die bisher niemand für möglich gehalten hätte".

Krätke verwies darauf, dass auch die Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre zunächst nur als Konjunkturkrise wahrgenommen worden sei. Er erwarte als “nächsten Akt in diesem Drama" eine Ausweitung der Krise auf Asien: "Wenn es dort dann die erste große Bankenkrise gibt, wird das sehr viel härter als in Europa, weil ein Großteil der Sicherungssysteme dort nicht existiert und Millionen von Sparern wirklich alles verlieren werden."

Kaum hat Steinbrück, der deutsche Finanzminister, in der vergangenen Woche noch arrogant davon gesprochen, so etwas wie in den USA sei hier nicht möglich, wurde er von der Wirklichkeit und der Krise um die Hypo Real Estate eingeholt. Der eigentliche Grund für das Eingreifen des Staates bei der Real Hypo Estate ist deren Schlüsselstellung im Pfandbrief-Markt, einem der Eckpfeiler des deutschen Finanzsystems.

Bei all den sonstigen Kommentaren unserer Politiker fühlt man sich an "die Rente ist sicher"-Rethorik eines ehemaligen Ministers der Ära Kohl erinnert, der jetzt als Kabarettist umhertourt. Vielleicht war das damals schon eine kabarettistische Einlage. Das was gegenwärtig an den Finanzmärkten geschieht, ist jedenfalls keine.

Der Präsident der Kansas City Federal Reserve Bank, Thomas Hoenig, sagte, die Fed muss fokussiert bleiben auf die Bekämpfung der Inflation, damit der Dollar stabil bleibt. Die gegenwärtigen Liquiditätsspritzen der Fed trieben die Inflation nicht an, wenn sie beizeiten wieder zurückgenommen werden, meint er.

Damit spricht er wahrscheinlich den entscheidenden Punkt in diesen Turbulenzen an. Der Dollar zeigt in der Tat beachtliche Stabilität. Der Euro-Dollar notiert klar unter der langfristigen Marke bei rund 1,4650. Sie dürfte auch weiterhin eine wichtige Scheidelinie darstellen. Das passt so gar nicht zum Bild einer zusammenbrechenden amerikanischen Finanzindustrie. Genauso wenig passt dazu, dass der Goldpreis nicht explodiert.

Griffige Erklärungen für die relative Stärke des Greenback liegen nicht gerade auf der Hand. Der Rückfluss von US-Kapital aus dem Ausland wirkt sicher festigend, andererseits gibt es aber offenbar auch keine extremen Abflüsse aus dem Dollar-Raum. Da Währungen ja (auch) Verhältnismasse sind, scheinen die internationalen Investoren den Dollar im Vergleich zum Beispiel zum Euro nicht besonders negativ zu sehen.

Eine schlechte Botschaft für die Euro-Zone - wird hier noch weiteres Ungemach im Bankensektor erwartet, nach den Vorgängen um die Hypo Reat Estate, Fortis, den britischen Hypothekenfinanzierer B&B und andere?

Oder eine gute Botschaft für den Dollar? Anscheinend haben die Währungsspekulanten weiterhin die Erwartung, dass TARP in der einen oder anderen Form in Kürze durchkommt und dieses gigantische Subventionsprojekt der US-Wirtschaft einen Vorsprung verschafft.

In den vergangenen Tagen zeigten TBonds ebenfalls beachtliche Stärke. Das ist natürlich auch die andere Seite der Medaille des Kursverfalls bei Aktien. Aber wenn die Anleger substantielle Bedenken hinsichtlich der Bonität der USA hätten, wären TBonds als sicherer Hafen nicht so gefragt wie aktuell.

Klar für Panik spricht der Angstmesser der US-Aktien, der die implizite Volatilität messende VIX. Er hatte zuletzt bei gut 36 ein mehrjähriges Hoch markiert, von dem er in der vergangenen Woche deutlich abfiel. Die Rücklaufbewegung hierhin konnte man zwar zunächst noch als Bestätigung hierfür ansehen. Gestern wurde jedoch mit 46,72 ein neuer Rekord aufgestellt. Charttechnisch bleibt jetzt noch Raum bis in die Gegend von 48, was auf weitere Kursrückgänge bei Aktien hindeutet. Sein Verlauf weist auf aufgekommene Panik hin (siehe Chart unter "Markt" auf der Web-Seite der TimePattern).

Das Umsatzvolumen im S&P 500 war zwar gestern erhöht, aber wiederum nicht panikverdächtig hoch. Der die Marktbreite messende TRIN, der sich in den vergangenen Tagen auf Tagesschlusskursbasis eher im neutralen Bereich aufgehalten hatte, steht jetzt bei sehr bärischen 3,5. Dieses Niveau wurde zuletzt Mitte Januar erreicht, davor Anfang August und Mitte Oktober 2007.

Im Gesamtergebnis vermute ich, dass ein Zwischenboden bei Aktien ist nicht mehr weit weg ist - siehe z.B. auch den Chart des SPX unter "Prognosen" auf der Web-Seite der TimePattern. Übergeordnet gibt es für überschäumenden Optimismus hinsichtlich Aktien jedoch nicht den geringsten Anlass. Die Weltwirtschaft befindet sich nicht am Ausgang, sondern am Eingang einer schweren Rezession. Dies zeigt sich gegenwärtig besonders auch bei den Rohstoff-Preisen: Öl hat längerfristig Potenzial bis 90 und tiefer, der CRB-Index (auf der Web-Seite der TimePattern einsehbar) dürfte längerfristig den Bereich von 310 ansteuern.

Fazit: Die Bewegung bei Euro/Dollar ist gegenwärtig vermutlich der beste Krisenzeiger. So lange er nicht nachhaltig durch die oben benannte Marke bricht, ist die Lage zwar ernst, aber noch nicht verzweifelt.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de









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