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Elf mal TARP - jetzt darf nichts mehr schief gehen

27.11.2008  |  Klaus Singer
Fed und US-Schatzamt verkünden das nächste Rettungspaket. Es sollen bis zu 800 Mrd. Dollar eingesetzt werden, um Schulden und MBS anzukaufen. Damit soll die Vergabe von Krediten aller Art gefördert werden. Offenbar wollte man noch die neuesten BIP-Zahlen für das dritte Quartal abwarten, bevor man handelt. Und die zeigen, dass die US-Wirtschaft schrumpft, insbesondere belastet der Konsum, der um 3,7 Prozent schrumpft, nachdem er in der ersten Vorabschätzung noch auf minus 3,1 Prozent taxiert worden war.

Im zurückliegenden Budget-Jahr 2008 haben US-Regierung und Fed ca. 7,8 Bill. Dollar an direkten oder indirekten Verpflichtungen übernommen. Im Einzelnen: 1,7 Bill. Dollar an Kreditvergabe gegen unverkäufliche (schwer verkäufliche) Sicherheiten, 3,0 Bill. Dollar durch Kauf von Anteilen und Unternehmensschulden, 3,1 Bill. Dollar durch Garantien hinsichtlich Hypothekenkrediten, Bankeinlagen, weiteren Ausleihungen und Geldmarktfonds.

7,8 Bill Dollar - das ist mehr als die Hälfte des BIP und übersteigt das ursprünglich avisierte 700 Mrd. Dollar schwere Volumen des TARP-Programms um ein Vielfaches.

Der neue Plan sieht vor, dass bis zu 600 Mrd. Dollar eingesetzt werden, um Hypotheken zu kaufen, die von Fannie und Freddie garantiert wurden. Die Hypothekenzinsen stürzten nach der Nachricht von 6,3 auf 5,5 Prozent - das ist ein Ziel dieser Aktion. Weitere 200 Mrd. Dollar sollen eingesetzt werden, um Geld zu verleihen gegen AAA-Sicherheiten aus Auto-Krediten, Studentendarlehen, Kreditkartenschulden und auch aus Krediten an kleine Unternehmen.

Es wird das Risiko einer Depression an die Wand gemalt mit Arbeitslosenquoten von über zehn Prozent. Andererseits wird es immer schwerer, das Rad wieder zurückzudrehen - sprich, man befürchtet, dass sich dieser Prozess der staatlichen Eingriffe verselbständigt. Die neuen Programme sind weiter Ausdruck der veränderten Paradigmen der Fed-Politik - die Steuerung erfolgt nicht mehr über die Fed Funds Rate, sondern direkt, durch Hineinpumpen großer Mengen an Liquidität in die Märkte. Die Fed bestreitet das zwar und gibt an, den Hypotheken-Markt lediglich aus seiner Froststarre lösen zu wollen, aber im Ergebnis kommt das auf dasselbe heraus.

Diese neuen Aktionen werden sicher nicht die letzten sein. Fed-Offizielle haben klar gemacht, dass sie so viel Geld drucken werden, wie nötig, um die Kreditvergabe, die Verbraucherausgaben, Hauskäufe und Investitionen massiv anzuschieben. Auch Noch-Finanzminister Paulson betont, das 200 Mrd.-Programm sei nur ein Startpunkt. Es könne schnell in andere Bereiche von Krediten ausgeweitet werden.

"Sie nutzen alle Werkzeuge, die ihnen zur Verfügung stehen und sie werden von Kreditmarkt zu Kreditmarkt ziehen, um die Verwerfungen zu reduzieren," sagt Richard Berner, Chef-Volkswirt bei Morgan Stanley.

Die Fed und andere Zentralbanken sind vom "Leihgeber der letzten Zuflucht" zum "Leihgeber der ersten und letzten Zuflucht" geworden. Trotz aller Bemühungen der Fed - die Geldmärkte sind nach wie vor weit von der Normalität entfernt. Der TED-Spread liegt mit über 2 Prozent immer noch so hoch wie im März und zur Jahreswende, wenn auch deutlich unter seinem Hoch von Anfang Oktober (4,8 Prozent). Die Euribor-Sätze fallen, aber auch hier fehlt noch ein gutes Stück bis zum Normalmaß. Die Rendite für dreimonatige TBills kraucht nach wie vor an der Nulllinie entlang - ein Zeichen extremer Risikoaversion (siehe Artikel vom 21. Nov 2008).

Auch bei CDS-Spreads und iTraxx-Crossover ist noch keine wirkliche Entspannung zu sehen, was zeigt, dass das Insolvenz-Risiko unvermindert hoch eingeschätzt wird. Die von der Fed bereit gestellte Liquidität wird von den Finanzinstitutionen selbst absorbiert. Ausleihungen erfolgen nur begrenzt, und wenn, dann zu steigenden Zinssätzen, die Besicherung von Verbraucherkrediten ist praktisch tot. Da nur Banken und große Broker/Dealer Zugriff auf die Zentralbank-Liquidität haben, bleibt der größte Teil des Schatten-Banken-Systems unterversorgt. Von seiner schieren unregulierten Größe geht weiterhin eine große Gefahr aus.

Der noch 55 Bill. Dollar schwere CDS-Markt wirkt hier selbst verstärkend, indem er massiv Liquidität frisst. Die Prämien für die Versicherung von Ausfallrisiken, die CDS-Spreads, steigen auf utopische Niveaus, und „Kreditereignisse“ wie Umschuldung, Zahlungsunfähigkeit, Übernahmen usw. binden immer mehr Liquidität, die vom Versicherer zunächst als Garantie hinterlegt werden muss. Die gegebenen und noch geplanten Staatsgarantien verfolgen an dieser Stelle den Zweck, die Kreditwürdigkeit der Unternehmen zu verbessern und so die CDS-Spreads herabzusetzen. Das Ziel ist, diese Liquiditätssenke allmählich in den Griff zu bekommen.

Gleichzeitig soll ein gewaltiges, steuerfinanziertes Subventionsprogramm im Volumen von rund 700 Mrd. Dollar die Real-Wirtschaft ankurbeln. Der hiervon ausgehende Wachstumsimpuls soll von der Realwirtschaft auf die Finanzindustrie durchschlagen, den Teufelskreis hier im Verbund mit den eingeleiteten finanzpolitischen Maßnahmen anhalten und das Rad andersherum in Bewegung setzen. Dann soll eine erneute Ausweitung der Kreditvergabe in Verbindung mit weitreichenden staatlichen Garantien die eingefrorenen Märkte für Kreditbesicherungen jeglicher Art wieder beleben, die Kreditvergabe anheizen und die Preise für Schrottpapiere aufblasen. Wenn das gelingt, dann kann die eine oder Rettungsaktion noch profitabel enden, in der Gesamtheit wird das aber ein riesiges "Verlustgeschäft“.

Nach einem Arbeitspapier von Mitarbeitern des IWF (siehe Artikel vom 2. Oktober) kann erwartet werden, dass 18 Prozent der zur Krisenbekämpfung eingesetzten staatlichen Mittel am Ende zurückfließen. Die gleiche Studie hatte auch ermittelt, dass bei der staatlichen Kriseninterventionen öffentliche Kosten von im Durchschnitt 13 Prozent des BIP anfallen. Mit den jetzt lancierten Programmen überschreitet die USA diese Grenze bereits deutlich. Das zeigt zugleich die enorme Dimension der Krise. Unterstellen wir, dass von der eingangs genannten Summe von 7,8 Bill. Dollar "nur" 5 Bill. Dollar tatsächlich eingesetzt werden müssen, um die Krise in den Griff zu bekommen, dann werden im Endeffekt per Saldo über 4 Bill. Dollar benötigt. Die Netto-Staatsverschuldung steigt um eben diesen Betrag. Gemessen am BIP liegt sie aktuell bei 47 Prozent, anschließend käme sie auf weit über 70 Prozent.

Wer soll das bezahlen? Oder wichtiger: Wie hoch wird der US-Staat dann noch in seiner Kreditwürdigkeit "geratet". Denn davon hängt alles ab. Nämlich erstens die Frage, wie werthaltig sind die Staatsgarantien eigentlich und zweitens, wie hoch ist der Zins, den die Gläubiger für Staatsschulden verlangen. Und der wiederum hat einen entscheidenden Einfluss auf die Machbarkeit des Großprojekts "TARP*11".

Zentralbank und Staat sind nicht nur vom "Leihgeber der letzten Instanz" zum "Leihgeber der ersten und letzten Instanz" geworden, sondern gleich auch vom "Garant der letzten Instanz" zum „Garant der ersten und letzten Instanz". Jetzt darf nichts mehr schief gehen!

Und nun kommt es auf die Finanzierungskosten des ganzen Vorhabens an. Verfolgt man die TBond-Rendite, so ist sie in den zurückliegenden Tagen deutlich eingebrochen. Damit zusammenhängend wird die Zinsstruktur weniger steil.

Welche Möglichkeiten hat die Fed, die langen Zinsen dauerhaft zu drücken? Sie könnte zunächst lauthals verkünden, dass die Leitzinsen dauerhaft niedrig bleiben, vielleicht sogar in der Form, dass die Target Rate Null wird. Das drückt letztlich auch die langen Zinsen. Sie könnte aber auch selbst massiv und anhaltend lang laufende Anleihen kaufen, sei es nun staatliche oder Unternehmens-Bonds. Der direkte Ankauf von MBS wiederum hat einen dämpfenden Effekt auf die Hypothekenzinsen; auf das gleiche läuft es hinaus, wenn Fannie und Freddie ihre Portfolios stark ausweiten.

Auf derselben Linie liegen alle Maßnahmen, die sich direkt dagegen richten, dass sich eine deflationäre, tendenziell versteilernd auf die Zinsstruktur wirkende Entwicklung festsetzt. Hier sind zu nennen: Flutung mit Liquidität, die nicht aus dagegen stehenden Zentralbankkrediten geschöpft wird, den Dollar schwach reden, bis hin zu direkten oder versteckten Währungsinterventionen und schließlich die Finanzierung des Staatsbudgets mit frischen Zentralbankgeld.

Im Japan der frühen 1990er sind viele der geschilderten Möglichkeiten ausprobiert worden - und gescheitert. Der Punkt ist nämlich der: Wenn eine deflationäre Entwicklung in einer Liquiditätsfalle erst einmal angelaufen ist, ist es sehr schwer, dies zu stoppen. Die Bedingung einer Liquiditätsfalle ist aktuell gegeben, die der fallenden Gesamtnachfrage im Rahmen eines Überschuss-Angebots ebenfalls. Insofern ist höchste Eile angesagt.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de





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