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Höchste Zeit, sich mit dem Finanzchaos zu beschäftigen

30.11.2008  |  Manfred Gburek
Was wir zurzeit an den Finanzmärkten und um sie herum erleben, ist so verrückt, dass Sie vorsorglich mit noch verrückteren Konsequenzen rechnen sollten. Vor der zu erwartenden fatalen Entwicklung der Lebensversicherungen habe ich Sie ja schon gewarnt. Hier werden die Kunden während der kommenden Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, in Form von negativer Realverzinsung die Quittung erhalten.

Die Landesbanken - mit ihnen die Sparkassen und am Ende wieder einmal die Lasten der Steuerzahler - sind ein weiteres unrühmliches Kapitel. Da soll jetzt die BayernLB mal eben 10 Mrd. Euro bekommen, um überleben zu können; doch niemand weiß wirklich, wie das Geld aufzubringen ist. Privatwirtschaftlich wäre die Bank längst mausetot. Aber privat, das zählt nicht mehr viel, nachdem der Staat - nicht nur in Deutschland - über dem Bank- und Versicherungswesen seinen Rettungsschirm aufgespannt hat.

Einfach pervers: Als Unternehmer hat der Staat zwar versagt, aber nun soll er als eine Art Über-Unternehmer die angeschlagenen Unternehmen vor der Pleite retten. Abgesehen davon, dass 10 Mrd. Euro eine Summe sind, unter der sich kaum jemand etwas Konkretes vorstellen kann, müsste auch zu hinterfragen sein, ob der staatliche Schirm nicht schon beim nächsten Börsengewitter in Fetzen auseinanderfliegt.

Nicht möglich, glauben Sie? Und was ist mit der Autoindustrie samt ihren Zulieferern? Dabei handelt es sich ja nicht nur um ein Opel-Problem. Am Ende erbitten womöglich ARD und ZDF noch mehr staatlichen Einfluss, weil ihre Quoten wegen immer unerträglicher werdender Soaps, ultralinker Argumente der Ideologin Wagenknecht und kabarettistischer Auftritte von Rentenpapst Blüm zum Einbruch der Werbespots führen. Oder nehmen wir ein brisantes Beispiel aus der Finanzwirtschaft: Investmentfonds. Wie lange sollen sie noch vor sich hin vegetieren, bevor sich endlich der staatliche Rettungsschirm öffnet? Dann allerdings nicht als Absichtserklärung, Bürgschaft oder Finanzspritze aus dem längst überstrapazierten Haushalt, sondern in Form von Gesetzen.

Bei offenen Immobilienfonds ist es fast so weit: Nachdem sie reihenweise für mindestens drei Monate (am Ende sind zwei Jahre möglich) geschlossen wurden, drängt sich die Frage auf, ob die Fondsbranche selbst die Wende schafft oder ob hurtig ein neues Gesetz aus dem Boden gestampft wird, damit es in einigen Jahren nicht erneut zu Fondsschließungen kommt. Die Branche ist ohnehin gebeutelt:

Allein im Oktober zogen Anleger laut Statistik des deutschen Fondsverbandes BVI 46,3 Mrd. Euro aus Publikums- und 4,9 Mrd. Euro aus Spezialfonds ab. Die Ursache dieses katastrophalen Rückgangs war in erster Linie wohl die Absicht des Gesetzgebers, Geldmarktfonds höher zu besteuern, in Verbindung mit der von der Bundesregierung gegebenen Garantie für Bankeinlagen, also für mit Geldmarktfonds konkurrierende Anlagen.

Der Staat, Dein Freund und Helfer in allen Geldangelegenheiten? Ich habe erhebliche Zweifel, nicht nur im Hinblick auf die gebeutelte Fondsbranche. Die vom nächsten Jahr an wirksame Abgeltungsteuer wird diese Zweifel bestätigen. Wer soll dann zum Beispiel noch Aktien kaufen, immer im Bewusstsein, dass der Fiskus ein Viertel vom Gewinn kassiert, mit Soli und Kirchensteuer sogar mehr? Apropos Kirchensteuer: Neulich erhielt ich von einer meiner Bankverbindungen das Formular "Antrag auf Einbehalt der Kirchensteuer". Ein tolldreistes Ding mit nicht weniger als 17 Varianten, von evangelisch über römisch- und altkatholisch bis zur Freireligiösen Landesgemeinde Pfalz.

Die Rückseite des Formulars war dann, gelinde ausgedrückt, ziemlich verwirrend. Hier drei Kostproben: "Das Kreditinstitut kann Kirchensteuer nur aufgrund eines vorliegenden Antrags einbehalten." Was aber macht meine Bank mit mir, wenn ich den Antrag erst gar nicht ausfülle? Die Kontoverbindung lösen? Ablass verlangen? Denunzieren und für die Folter freigeben?

Offenbar nichts davon, denn unter "Besonderheiten bei Anträgen von Ehegatten" heißt es: "Liegen für einen der Ehegatten keine Angaben über die Zugehörigkeit zu einer der genannten Religionsgemeinschaften vor, wird insoweit keine Kirchensteuer einbehalten." Die dritte Kostprobe: "Bei thesaurierenden Fonds ist mangels Geldzuflusses beim Anleger - trotz Antragstellung - ein Kirchensteuereinbehalt durch das Kreditinstitut gesetzlich nicht vorgesehen. In diesem Fall können weitere Angaben in der Einkommensteuererklärung erforderlich sein." Warum "können" und nicht "müssen"? Was sind "weitere Angaben"? Droht mir nur das Fegefeuer oder lande ich gleich die Hölle?

Der Staat, hier konkret in seiner Funktion als Gesetzgeber, hat sich bei der Konzeption der Abgeltungsteuer, speziell auch der Kirchensteuer als einem ihrer Bestandteile, offenbar nicht mit Ruhm bekleckert. Diesen Gedanken konsequent zu Ende gedacht, könnte man nett formulieren: Banken, Sparkassen und Fondsgesellschaften werden einen irrsinnigen Aufwand betreiben müssen, um mit den Ungereimtheiten der Steuer pragmatisch zurechtzukommen.

Oder weniger nett: Wenn der Staat schon bei der - letzten Endes läppischen - Abgeltungsteuer so viel Unsinn verzapft, dass andere (in diesem Fall die Finanzdienstleister) dafür mit einem unerträglichen, auch zu Lasten ihrer Kunden gehenden Mehraufwand büßen müssen, welche verheerenden Folgen wird da erst die staatliche Einmischung in Form von Rettungspaketen, Bürgschaften und sonstigen Eingriffen in den Geldkreislauf haben?

Die Antwort werden wir in den nächsten Jahren erhalten; sie wird nicht schmeichelhaft sein. Beschäftigen Sie sich deshalb vorsichtshalber schon jetzt mit der Chaostheorie (schwere Kost) oder mit dem Buch "Der Schwarze Schwan" von Taleb (auch schwere Kost) und lesen Sie - neben einigen anspruchsvollen Zeitungen und Zeitschriften sowie im Internet www.goldseiten.de - auch unter www.kopp-verlag.de die Beiträge, die Ihnen laut Verlagsangabe "die Augen öffnen" - es lohnt sich.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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