Griechenland und die große Umverteilung
22.01.2012 | Manfred Gburek
Der schon fast zwei Jahre anhaltende, am Freitag mit ersten Verhandlungserfolgen in eine neue Runde gegangene Streit um die Rettung Griechenlands deutet wieder einmal auf ein uns alle betreffendes Phänomen hin. Dafür gibt es in der Volkswirtschaftslehre den Begriff Verteilungstheorie. Dagegen sprechen mit den praktischen Gegebenheiten vertraute Politiker - vorerst lieber noch hinter vorgehaltener Hand, demnächst aber wohl immer häufiger offen - von Umverteilung.
Diese hat längst begonnen. Oder besser gesagt: Es gibt sie, seit die Menschheit existiert, mal mehr, mal weniger. Zurzeit bewegen wir uns sogar auf viel mehr statt weniger zu. Davon werden wir alle betroffen sein. Der Fall Griechenland, wo es zuletzt scheinbar nur um den Ausgleich der Interessen privater Gläubiger - sprich Banken - und der völlig überschuldeten Hellenen ging, gerät da bestenfalls zu einer kleinen Fußnote im dicken Buch zur langen Geschichte der Umverteilung.
Der Schweizer Nationalökonom Klaus W. Wellershoff hat das Problem und dazu gleich auch die Lösung bezüglich der Umverteilung von Staatsschulden vor kurzem wie folgt auf den Punkt gebracht: "Wenn die Regierungen wohl händeringend nach Lösungen ihres Schuldenproblems suchen, dann müssen sie reales Vermögen vernichten.“ Wie bitte? Wellershoff nennt dazu als Beispiele die USA und Großbritannien, wo die Vermögensvernichtung bereits "schleichend über die Inflation“ stattfinde. Dort seien die Renditen der Staatsanleihen selbst bei ganz langen Laufzeiten negativ. Dann folgt das Fazit: "Das Kaufen von Staatsanleihen hat den impliziten Zweck, Inflationserwartungen zu schaffen und gleichzeitig die Nominalzinsen zu fixieren.“
Nun könnte man einwenden, Kontinentaleuropa sei in Bezug auf das Weginflationieren von Schulden nicht mit den USA und Großbritannien vergleichbar; hier herrsche eine andere Geldkultur, die Kultur der Stabilität. Mag sein, dass Träumer, die immer noch dem früheren Stabilitätsdenken der Bundesbank verhaftet sind, daran glauben. Doch die Fakten sprechen dagegen: Axel Weber und Jürgen Stark haben die Europäische Zentralbank ganz bestimmt nicht aus Jux und Tollerei verlassen, sondern weil sie es wohl eher leid waren, in dieser Institution nicht mehr zu sagen zu haben als ihre Kollegen aus Griechenland, Malta oder Zypern. Zu seinem Abschied aus der EZB verriet Stark denn auch in der Silvesterausgabe der Börsen-Zeitung: "Die Währungsunion entwickelt sich weg von ihrer ursprünglichen Konzeption im Maastricht-Vertrag. Dieser grundsätzliche Trend ist im Wesentlichen Ergebnis politischen Versagens.“
Zu Ende gedacht, bedeutet das: Der Traum von der EZB als Hüterin der Geldwertstabilität à la Bundesbank ist ausgeträumt. Daraus folgt etwas Neues, wobei es sich dabei zwar nicht unbedingt um einen Abklatsch der amerikanischen oder britischen Geldpolitik handeln muss, aber in deren Richtung wird es schon irgendwie gehen. Wie sehr, dürfte sich erst im Lauf der nächsten Jahre entscheiden. Vorher kommt es - und das ist maßgebend - zu immer mehr vereinzelten Umverteilungsaktionen innerhalb der Euro-Zone. Welche phantasievollen Namen man ihnen gibt, spielt keine Rolle. Fest steht jedenfalls, dass die reichen Euro-Länder unter der Führung Deutschlands für die armen aufkommen müssen.
In welcher Form wird Deutschland für die Umverteilung zahlen? Es heißt ja immer, am Ende müssten deutsche Steuerzahler bluten. Das trifft jedoch nur zu einem geringen Teil zu, denn das hiesige Steueraufkommen wird auch in hundert Jahren nicht ausreichen, um all die Geldwünsche der ärmeren Euro-Länder zu befriedigen. Abgesehen davon besteht immer die Gefahr, dass durch höhere Steuern die Konjunktur abgewürgt wird.
Das geringste Mehr an Steuern wird es für den Staat über die Einkommensteuer zu holen geben, ausgenommen das Anzapfen von Einkommensmillionären, denen man einen höheren Tarif verpassen wird. Darüber hinaus bietet sich die Erhöhung der Umsatzsteuer an, wobei hier die politische Durchsetzung - auch aus wahltaktischen Gründen - problematisch ist. Private Vermögensmillionäre und -milliardäre sowie Erben wird es am härtesten treffen. Zumal solche, die über viel Immobilieneigentum verfügen; denn Immobilien lassen sich nicht von heute auf morgen verkaufen, und sie mal eben ins Ausland mitnehmen geht gar nicht.
Wie rigoros der Staat in den Immobilienmarkt eingreift, haben die Bundesländer mit der Erhöhung der Grunderwerbsteuer bewiesen, die vor wenigen Jahren einheitlich bei 3,5 Prozent lag. Diesen Satz verlangen bis auf Weiteres nur noch Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und - in diesem Fall bis Ende Februar - Rheinland-Pfalz. 5 Prozent dürften über kurz oder lang zum Standard werden. Darüber hinaus erreicht die kommunale Grundsteuer neben der Gewerbesteuer immer neue Höhen. Vermieter dürfen sie zwar zusammen mit anderen Kosten auf Mieter abwälzen, aber dadurch verbauen sie sich in vielen Fällen bei der Nettomiete die Chance auf eine Erhöhung, weil Mieter immer häufiger an die Grenzen ihrer Zahlungsfähigkeit stoßen.
Der größere Teil der Umverteilung im Euro-Raum kann zweifellos nur über eine höhere deutsche Staatsverschuldung funktionieren. Deutschland wird also mehr Anleihen und sonstige Papiere ausgeben, und zwar umso umfangreicher, je weniger die Steuerquellen sprudeln. Wie werden dann die Anleger reagieren, die ja zuletzt sogar bereit waren, für Geldmarktpapiere des Bundes einen kleinen negativen Zins in Kauf zu nehmen, nur um mit ihrer Anlage auf Nummer sicher zu gehen? Sie werden streiken, sobald ihre Vorstellung von Nummer sicher sich nicht mehr mit der miesen Verzinsung von Bundesanleihen vereinbaren lässt.
Das kann quasi über Nacht geschehen. Danach wird der Staat den Anlegern entweder mit immer höheren Zinsen entgegenkommen müssen. Oder er wird Zwangsmaßnahmen ergreifen, durch die er zumindest deutsche Anleger dazu bewegen kann, ihm Geld zur Verfügung zu stellen - sei es direkt über Zwangsanleihen (die dann natürlich einen schöneren Namen bekommen werden), sei es indirekt über die Einführung von Anleihen, deren Zinsen nicht besteuert werden. Nicht zu vergessen weitere Varianten oder Mischformen, wobei der Phantasie da wahrlich keine Grenzen gesetzt sind. Die Schlussfolgerung aus all dem: Vermögen streuen und - neben dem selbst bewohnten, vom Staat im Zweifel geschonten Eigenheim (alternativ Eigentumswohnung) - an sicheren Orten gelagerte Edelmetalle und unter Ausnutzung von Kursschwankungen Aktien mit hoher Dividendenrendite einschließlich stabiler Erträge bevorzugen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Diese hat längst begonnen. Oder besser gesagt: Es gibt sie, seit die Menschheit existiert, mal mehr, mal weniger. Zurzeit bewegen wir uns sogar auf viel mehr statt weniger zu. Davon werden wir alle betroffen sein. Der Fall Griechenland, wo es zuletzt scheinbar nur um den Ausgleich der Interessen privater Gläubiger - sprich Banken - und der völlig überschuldeten Hellenen ging, gerät da bestenfalls zu einer kleinen Fußnote im dicken Buch zur langen Geschichte der Umverteilung.
Der Schweizer Nationalökonom Klaus W. Wellershoff hat das Problem und dazu gleich auch die Lösung bezüglich der Umverteilung von Staatsschulden vor kurzem wie folgt auf den Punkt gebracht: "Wenn die Regierungen wohl händeringend nach Lösungen ihres Schuldenproblems suchen, dann müssen sie reales Vermögen vernichten.“ Wie bitte? Wellershoff nennt dazu als Beispiele die USA und Großbritannien, wo die Vermögensvernichtung bereits "schleichend über die Inflation“ stattfinde. Dort seien die Renditen der Staatsanleihen selbst bei ganz langen Laufzeiten negativ. Dann folgt das Fazit: "Das Kaufen von Staatsanleihen hat den impliziten Zweck, Inflationserwartungen zu schaffen und gleichzeitig die Nominalzinsen zu fixieren.“
Nun könnte man einwenden, Kontinentaleuropa sei in Bezug auf das Weginflationieren von Schulden nicht mit den USA und Großbritannien vergleichbar; hier herrsche eine andere Geldkultur, die Kultur der Stabilität. Mag sein, dass Träumer, die immer noch dem früheren Stabilitätsdenken der Bundesbank verhaftet sind, daran glauben. Doch die Fakten sprechen dagegen: Axel Weber und Jürgen Stark haben die Europäische Zentralbank ganz bestimmt nicht aus Jux und Tollerei verlassen, sondern weil sie es wohl eher leid waren, in dieser Institution nicht mehr zu sagen zu haben als ihre Kollegen aus Griechenland, Malta oder Zypern. Zu seinem Abschied aus der EZB verriet Stark denn auch in der Silvesterausgabe der Börsen-Zeitung: "Die Währungsunion entwickelt sich weg von ihrer ursprünglichen Konzeption im Maastricht-Vertrag. Dieser grundsätzliche Trend ist im Wesentlichen Ergebnis politischen Versagens.“
Zu Ende gedacht, bedeutet das: Der Traum von der EZB als Hüterin der Geldwertstabilität à la Bundesbank ist ausgeträumt. Daraus folgt etwas Neues, wobei es sich dabei zwar nicht unbedingt um einen Abklatsch der amerikanischen oder britischen Geldpolitik handeln muss, aber in deren Richtung wird es schon irgendwie gehen. Wie sehr, dürfte sich erst im Lauf der nächsten Jahre entscheiden. Vorher kommt es - und das ist maßgebend - zu immer mehr vereinzelten Umverteilungsaktionen innerhalb der Euro-Zone. Welche phantasievollen Namen man ihnen gibt, spielt keine Rolle. Fest steht jedenfalls, dass die reichen Euro-Länder unter der Führung Deutschlands für die armen aufkommen müssen.
In welcher Form wird Deutschland für die Umverteilung zahlen? Es heißt ja immer, am Ende müssten deutsche Steuerzahler bluten. Das trifft jedoch nur zu einem geringen Teil zu, denn das hiesige Steueraufkommen wird auch in hundert Jahren nicht ausreichen, um all die Geldwünsche der ärmeren Euro-Länder zu befriedigen. Abgesehen davon besteht immer die Gefahr, dass durch höhere Steuern die Konjunktur abgewürgt wird.
Das geringste Mehr an Steuern wird es für den Staat über die Einkommensteuer zu holen geben, ausgenommen das Anzapfen von Einkommensmillionären, denen man einen höheren Tarif verpassen wird. Darüber hinaus bietet sich die Erhöhung der Umsatzsteuer an, wobei hier die politische Durchsetzung - auch aus wahltaktischen Gründen - problematisch ist. Private Vermögensmillionäre und -milliardäre sowie Erben wird es am härtesten treffen. Zumal solche, die über viel Immobilieneigentum verfügen; denn Immobilien lassen sich nicht von heute auf morgen verkaufen, und sie mal eben ins Ausland mitnehmen geht gar nicht.
Wie rigoros der Staat in den Immobilienmarkt eingreift, haben die Bundesländer mit der Erhöhung der Grunderwerbsteuer bewiesen, die vor wenigen Jahren einheitlich bei 3,5 Prozent lag. Diesen Satz verlangen bis auf Weiteres nur noch Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und - in diesem Fall bis Ende Februar - Rheinland-Pfalz. 5 Prozent dürften über kurz oder lang zum Standard werden. Darüber hinaus erreicht die kommunale Grundsteuer neben der Gewerbesteuer immer neue Höhen. Vermieter dürfen sie zwar zusammen mit anderen Kosten auf Mieter abwälzen, aber dadurch verbauen sie sich in vielen Fällen bei der Nettomiete die Chance auf eine Erhöhung, weil Mieter immer häufiger an die Grenzen ihrer Zahlungsfähigkeit stoßen.
Der größere Teil der Umverteilung im Euro-Raum kann zweifellos nur über eine höhere deutsche Staatsverschuldung funktionieren. Deutschland wird also mehr Anleihen und sonstige Papiere ausgeben, und zwar umso umfangreicher, je weniger die Steuerquellen sprudeln. Wie werden dann die Anleger reagieren, die ja zuletzt sogar bereit waren, für Geldmarktpapiere des Bundes einen kleinen negativen Zins in Kauf zu nehmen, nur um mit ihrer Anlage auf Nummer sicher zu gehen? Sie werden streiken, sobald ihre Vorstellung von Nummer sicher sich nicht mehr mit der miesen Verzinsung von Bundesanleihen vereinbaren lässt.
Das kann quasi über Nacht geschehen. Danach wird der Staat den Anlegern entweder mit immer höheren Zinsen entgegenkommen müssen. Oder er wird Zwangsmaßnahmen ergreifen, durch die er zumindest deutsche Anleger dazu bewegen kann, ihm Geld zur Verfügung zu stellen - sei es direkt über Zwangsanleihen (die dann natürlich einen schöneren Namen bekommen werden), sei es indirekt über die Einführung von Anleihen, deren Zinsen nicht besteuert werden. Nicht zu vergessen weitere Varianten oder Mischformen, wobei der Phantasie da wahrlich keine Grenzen gesetzt sind. Die Schlussfolgerung aus all dem: Vermögen streuen und - neben dem selbst bewohnten, vom Staat im Zweifel geschonten Eigenheim (alternativ Eigentumswohnung) - an sicheren Orten gelagerte Edelmetalle und unter Ausnutzung von Kursschwankungen Aktien mit hoher Dividendenrendite einschließlich stabiler Erträge bevorzugen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).