Abkassieren, identifizieren, denunzieren
22.04.2012 | Manfred Gburek
In den vergangenen Wochen wurde ich von Lesern häufiger gefragt, warum ich neben Edelmetallen, Aktien, Anleihen, Immobilien und Tagesgeld nicht auch Fonds, Zertifikate und weitere Anlagen in meine Überlegungen einbeziehe. Um die Antwort gleich auf den Punkt zu bringen: Die Anbieter von Fonds, Zertifikaten, aber auch Kapital- und Fondspolicen, Riester-Renten und weiteren nicht originären, sondern abgeleiteten Finanzprodukten können mit diesen viel besser Geld verdienen als etwa mit ein paar Krügerrand, die über die Theke gehen, oder mit Aktien, für die man bei Direktbanken nur einen geringen Aufschlag zum gerade gehandelten Kurs zahlt. Erst die in abgeleitete Produkte mehr oder weniger offen - aber auch versteckt - eingebauten Verwaltungsgebühren, Provisionen, langfristigen Bindungen und sonstigen Geldfresser (aus Anlegersicht) ermöglichen es den Anbietern, ihre Kunden abzukassieren.
Das Thema hat noch einen anderen Aspekt: Es gibt heute kaum wichtige Gesetze, die ohne intensive Teilnahme der betreffenden Lobby am Gesetzgebungsverfahren zustande kommen. In den Medien wird diesbezüglich zwar meistens die Auto- und Pharmalobby an den Pranger gestellt, aber die Finanzlobby treibt es nicht minder toll. In allen Fällen von erfolgreicher Lobby kommt am Ende heraus, dass in den betreffenden Ministerien vorher ja nicht genug Fachwissen vorhanden war - was ja kaum verwunderlich ist, solange fachkundige Ministerialbeamte die Seiten wechseln.
Und noch ein Aspekt: Banken, Versicherer, Sparkassen und sonstige sogenannte Finanzdienstleister werden nicht müde, Anlegern einzureden, für sie seien einzelne Aktien im Gegensatz zu Aktienfonds viel zu riskant, Gold bringe keine Zinsen, mit Immobilienfonds könne man sich vor der Inflation schützen usw. Dann fehlt nur noch der Hinweis auf ein Finanzprodukt, das mal der finanziellen Absicherung generell, mal der Altersvorsorge speziell dienen soll, in Wahrheit aber gerade "weg muss“ (Insiderslogan), und schon wird der Kunde oder die Kundin zur Unterschrift gedrängt, Beratungsprotokoll hin oder her.
Inzwischen macht sich in Deutschland und in der Schweiz noch eine ganz andere Lobby breit. Man kann sie nur grob lokalisieren: Sie hat ihre Wurzeln in den USA und zielt darauf ab, den Europäern amerikanisches Recht oder zumindest die jenseits des Atlantiks gängigen Rechtsvorstellungen zu oktroyieren. Typisch dafür ist zum Beispiel das jetzt in Deutschland geltende "Gesetz zur Optimierung der Geldwäscheprävention“. Es richtet sich gegen die Terrorismusfinanzierung. Aber keine Sorge, Ihre Goldbarren und -münzen sind bei Beträgen unter 15.000 Euro vor ihm sicher (und nicht unter 1000 Euro, wie schon mal behauptet wurde), hat mir Michael Findeisen, Ministerialrat im Bundesfinanzministerium, am vergangenen Dienstag am Rande des Internationalen Deloitte-Bankentags versichert.
US-Amerikaner sind ja bekannt dafür, dass sie ihre Interessen auf die für sie typische Weise konsequent durchsetzen, sei es bei der Mondlandung, sei es durch die Absicherung der Ölreserven im Nahen Osten, sei es im Kampf gegen die Geldwäsche - und sei es neuerdings mithilfe von FATCA (Foreign Account Tax Compliance Act). Hier geht es um ein vor gut zwei Jahren verabschiedetes US-Gesetz. Es soll die Steuerhinterziehung von US-Bürgern verhindern, die Geld außerhalb der USA anlegen, und zielt ganz nebenbei auf noch abzuschließende bilaterale Abkommen, die in nationales - auch deutsches - Recht umzusetzen sind.
Auf diese Weise lassen sich im ersten Schritt US-Steuerpflichtige identifizieren und ihre Daten an die USA melden. Im zweiten Schritt wollen die Amerikaner erreichen, dass ihnen alle für sie interessanten Daten geliefert werden. Die eine oder andere deutsche Bank ist schon dabei, die entsprechende Software zu erstellen.
Das alles mag man aus europäischer Sicht für übertrieben halten, aber Europa ist weit davon entfernt, eine schlagkräftige Abwehr dagegen zu setzen. Nehmen wir nur mal die Schweiz als Beispiel. Hier verschärft die Schweizerische Nationalbank die Kontrolle über private Finanzgeschäfte ihrer Angestellten mittels einer dem Präsidenten der Bank unterstellten Compliance-Abteilung. Ihr darf dann ein Angestellter, der bei einem anderen etwas Verdächtiges entdeckt hat, eine Meldung machen. In den USA nennt man so etwas Whistleblowing, in Deutschland würde man es eher als Verpetzen oder Denunzieren bezeichnen.
Der erfolgreiche Druck der USA auf die Schweiz - der Bundesrat der Eidgenossen hat bereits uncodierte Datenlieferungen nach drüben bewilligt - findet in gewisser Hinsicht eine Parallele im Druck, den Deutschland auf die Schweiz ausübt. Dessen Ergebnis besteht nun in einem Ergänzungsprotokoll zum Kooperationsabkommen vom vergangenen September. Es muss allerdings noch in Deutschland den Bundestag und den Bundesrat passieren, um wie geplant Anfang 2013 in Kraft treten zu können.
Trotzdem sollten Anleger sich schon jetzt mit den wichtigsten Punkten des Abkommens anfreunden. Da ist zunächst die erhöhte pauschale Nachversteuerung von bisher unversteuerten Anlagen mit Steuersätzen zwischen 21 und 41 (statt wie ursprünglich geplant 19 bis 34) Prozent, abhängig von der Höhe des Kapitalvermögens. Erbfälle nach Inkrafttreten des Abkommens sollen einbezogen werden. Die Zahl der Auskünfte, die Deutschland in der Schweiz einholen darf, wird von maximal 999 auf 1300 erhöht. Die Verlagerung des Kapitalvermögens deutscher Steuerpflichtiger aus der Schweiz in andere Länder wird nach dem Inkrafttreten des Abkommens nicht mehr ohne Meldung möglich sein.
Böse Zungen behaupten, das Geschäftsmodell der Schweizer Banken bestehe primär aus dem Bankgeheimnis, ja es habe immer schon daraus bestanden. Diese Behauptung enthält sicher mehr als nur ein Körnchen Wahrheit. Demgegenüber argumentieren die eidgenössischen Banker, ihr Service sei besonders gut - was man indes auch so interpretieren kann, dass das Bankgeheimnis ein Servicebestandteil ist. Mit dem beschriebenen Kooperationsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz wird das Bankgeheimnis nicht vollständig kassiert, sondern nur insoweit relativiert, als deutsche Anleger über die abzuführenden Steuern zur Kasse gebeten werden - was allerdings nicht ausschließt, dass noch so manche CD mit heiklen Daten den Weg aus der Schweiz nach Deutschland finden könnte.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Das Thema hat noch einen anderen Aspekt: Es gibt heute kaum wichtige Gesetze, die ohne intensive Teilnahme der betreffenden Lobby am Gesetzgebungsverfahren zustande kommen. In den Medien wird diesbezüglich zwar meistens die Auto- und Pharmalobby an den Pranger gestellt, aber die Finanzlobby treibt es nicht minder toll. In allen Fällen von erfolgreicher Lobby kommt am Ende heraus, dass in den betreffenden Ministerien vorher ja nicht genug Fachwissen vorhanden war - was ja kaum verwunderlich ist, solange fachkundige Ministerialbeamte die Seiten wechseln.
Und noch ein Aspekt: Banken, Versicherer, Sparkassen und sonstige sogenannte Finanzdienstleister werden nicht müde, Anlegern einzureden, für sie seien einzelne Aktien im Gegensatz zu Aktienfonds viel zu riskant, Gold bringe keine Zinsen, mit Immobilienfonds könne man sich vor der Inflation schützen usw. Dann fehlt nur noch der Hinweis auf ein Finanzprodukt, das mal der finanziellen Absicherung generell, mal der Altersvorsorge speziell dienen soll, in Wahrheit aber gerade "weg muss“ (Insiderslogan), und schon wird der Kunde oder die Kundin zur Unterschrift gedrängt, Beratungsprotokoll hin oder her.
Inzwischen macht sich in Deutschland und in der Schweiz noch eine ganz andere Lobby breit. Man kann sie nur grob lokalisieren: Sie hat ihre Wurzeln in den USA und zielt darauf ab, den Europäern amerikanisches Recht oder zumindest die jenseits des Atlantiks gängigen Rechtsvorstellungen zu oktroyieren. Typisch dafür ist zum Beispiel das jetzt in Deutschland geltende "Gesetz zur Optimierung der Geldwäscheprävention“. Es richtet sich gegen die Terrorismusfinanzierung. Aber keine Sorge, Ihre Goldbarren und -münzen sind bei Beträgen unter 15.000 Euro vor ihm sicher (und nicht unter 1000 Euro, wie schon mal behauptet wurde), hat mir Michael Findeisen, Ministerialrat im Bundesfinanzministerium, am vergangenen Dienstag am Rande des Internationalen Deloitte-Bankentags versichert.
US-Amerikaner sind ja bekannt dafür, dass sie ihre Interessen auf die für sie typische Weise konsequent durchsetzen, sei es bei der Mondlandung, sei es durch die Absicherung der Ölreserven im Nahen Osten, sei es im Kampf gegen die Geldwäsche - und sei es neuerdings mithilfe von FATCA (Foreign Account Tax Compliance Act). Hier geht es um ein vor gut zwei Jahren verabschiedetes US-Gesetz. Es soll die Steuerhinterziehung von US-Bürgern verhindern, die Geld außerhalb der USA anlegen, und zielt ganz nebenbei auf noch abzuschließende bilaterale Abkommen, die in nationales - auch deutsches - Recht umzusetzen sind.
Auf diese Weise lassen sich im ersten Schritt US-Steuerpflichtige identifizieren und ihre Daten an die USA melden. Im zweiten Schritt wollen die Amerikaner erreichen, dass ihnen alle für sie interessanten Daten geliefert werden. Die eine oder andere deutsche Bank ist schon dabei, die entsprechende Software zu erstellen.
Das alles mag man aus europäischer Sicht für übertrieben halten, aber Europa ist weit davon entfernt, eine schlagkräftige Abwehr dagegen zu setzen. Nehmen wir nur mal die Schweiz als Beispiel. Hier verschärft die Schweizerische Nationalbank die Kontrolle über private Finanzgeschäfte ihrer Angestellten mittels einer dem Präsidenten der Bank unterstellten Compliance-Abteilung. Ihr darf dann ein Angestellter, der bei einem anderen etwas Verdächtiges entdeckt hat, eine Meldung machen. In den USA nennt man so etwas Whistleblowing, in Deutschland würde man es eher als Verpetzen oder Denunzieren bezeichnen.
Der erfolgreiche Druck der USA auf die Schweiz - der Bundesrat der Eidgenossen hat bereits uncodierte Datenlieferungen nach drüben bewilligt - findet in gewisser Hinsicht eine Parallele im Druck, den Deutschland auf die Schweiz ausübt. Dessen Ergebnis besteht nun in einem Ergänzungsprotokoll zum Kooperationsabkommen vom vergangenen September. Es muss allerdings noch in Deutschland den Bundestag und den Bundesrat passieren, um wie geplant Anfang 2013 in Kraft treten zu können.
Trotzdem sollten Anleger sich schon jetzt mit den wichtigsten Punkten des Abkommens anfreunden. Da ist zunächst die erhöhte pauschale Nachversteuerung von bisher unversteuerten Anlagen mit Steuersätzen zwischen 21 und 41 (statt wie ursprünglich geplant 19 bis 34) Prozent, abhängig von der Höhe des Kapitalvermögens. Erbfälle nach Inkrafttreten des Abkommens sollen einbezogen werden. Die Zahl der Auskünfte, die Deutschland in der Schweiz einholen darf, wird von maximal 999 auf 1300 erhöht. Die Verlagerung des Kapitalvermögens deutscher Steuerpflichtiger aus der Schweiz in andere Länder wird nach dem Inkrafttreten des Abkommens nicht mehr ohne Meldung möglich sein.
Böse Zungen behaupten, das Geschäftsmodell der Schweizer Banken bestehe primär aus dem Bankgeheimnis, ja es habe immer schon daraus bestanden. Diese Behauptung enthält sicher mehr als nur ein Körnchen Wahrheit. Demgegenüber argumentieren die eidgenössischen Banker, ihr Service sei besonders gut - was man indes auch so interpretieren kann, dass das Bankgeheimnis ein Servicebestandteil ist. Mit dem beschriebenen Kooperationsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz wird das Bankgeheimnis nicht vollständig kassiert, sondern nur insoweit relativiert, als deutsche Anleger über die abzuführenden Steuern zur Kasse gebeten werden - was allerdings nicht ausschließt, dass noch so manche CD mit heiklen Daten den Weg aus der Schweiz nach Deutschland finden könnte.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).