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Das Kreuz mit der Anlageberatung

25.05.2014  |  Manfred Gburek
Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Selten traf diese Metapher so zu wie im Fall des "Aktionsplans für Verbraucherschutz in Finanzfragen", den am vergangenen Donnerstag gleich zwei Bundesministerien - für Finanzen und für Justiz - der Öffentlichkeit präsentierten: keine durchschlagende Initiative, geschweige denn ein Gesetzentwurf, sondern eben nur ein Plan "zur Schließung von Regelungslücken und Umgehungsmöglichkeiten".

Da mussten erst Heerscharen von Anlegern - die Rede ist von 75.000 - auf sogenannte Genussrechte der Prokon-Windmacher in Höhe von 1,4 Milliarden Euro hereinfallen, bevor die beiden Ministerien mit einem lauen Lüftchen Einhalt zu gebieten versuchten. Die Firma Prokon hatte das viele Geld mit hohen Renditeversprechen am grauen ungeregelten Kapitalmarkt eingesammelt. Einfach so, ungestraft, ihr Prospekt enthielt ja sogar den einen oder anderen Risikohinweis.

Damit so etwas nicht wieder vorkommt, soll nun die Finanzaufsicht BaFin mehr Kompetenzen erhalten, indem sie zum Beispiel den Initiatoren stark beworbener Finanzprodukte Vertriebsbeschränkungen und -verbote auferlegen darf. Darüber hinaus sind mehr Pflichtangaben in Verkaufsprospekten vorgesehen. Neben der BaFin sind wie bisher die völlig überforderten Gewerbeaufsichtsämter für einen Teil der Kontrollen am grauen Kapitalmarkt vorgesehen. Und vom nächsten Jahr an sollen fünf Verbraucherzentralen bestimmte Sparten des Finanzmarktes systematisch beobachten.

Noch mehr Wischiwaschi ist kaum denkbar. Immer wieder drängen sich Fragen auf wie diese: Warum hat die BaFin nicht rechtzeitig vor Prokon und anderen dubiosen Firmen (zuletzt Infinus und S&K) gewarnt? Können Verbraucherzentralen jemals so mit qualifiziertem Personal ausgestattet werden, dass es ihnen möglich ist, rechtzeitig auf Schneeballsysteme hinzuweisen? Darunter versteht man vor allem die Finanzierung von Ausschüttungen an alte Anleger mit dem Geld neuer Anleger - so lange, bis deren Geld nicht mehr dafür ausreicht.

Was schließlich soll der unkoordinierte Schnickschnack von BaFin, Gewerbeaufsicht und Verbraucherzentralen in Bezug auf den grauen Kapitalmarkt sowie von Produktinformationsblättern, Beratungsprotokollen und sonstigen Hilfskrücken zum Verhindern von Falschberatung durch Banken, Sparkassen, Versicherer und Finanzvertriebe, solange deren Finanzprodukte in erster Linie dazu dienen, möglichst hohe Provisionen zu generieren?

Falls Sie sich jetzt fragen, was das alles mit Ihnen zu tun hat, ist hier die klare Antwort: Sie sind bei jedem Finanzgeschäft mit dem einen oder anderen der hier angerissenen Probleme konfrontiert. Gut, Prokon war sicher nicht Ihr Ding. Aber hat Ihr Bankanlageberater Ihnen nicht schon ein Produktinformationsblatt unter die Nase gehalten? Mit Informationen, die diesen Namen erst gar nicht verdienen, weil sie unlogisch sind? Oder hat er Ihnen Zertifikate schmackhaft gemacht, deren Konstruktion Sie nicht verstanden haben - und er wahrscheinlich auch nicht? Machen Sie mal den Test, Sie werden staunen.

Es gibt wirklich ein paar nette Ideen, wie dem ganzen Finanz-Garaus Einhalt geboten werden könnte. Aber sind sie auch realisierbar, oder setzen sich die Gegenkräfte durch? So schlägt Gerhard Schick von den Grünen vor, Vertriebsprovisionen einzudämmen und ungeeignete Finanzprodukte aus dem Verkehr zu ziehen, etwa durch die Reform der Riester-Rente. Doch ausgerechnet diese bildet das Einfallstor für den Verkauf von all dem, was Banken, Sparkassen, Versicherer und Finanzvertriebe sonst noch anzubieten haben. Deren Lobby wird schon dafür sorgen, dass Schicks Idee an der Realität scheitert.

Der Frankfurter Anwalt Klaus Nieding hat auch eine ganz gute Idee. Er plädiert für die Umkehrung der Beweislast bei fehlerhafter Anlageberatung. Also nicht Anleger, die sich falsch beraten fühlen, sollen Beratungsfehler nachweisen, sondern Berater sollen für die Richtigkeit ihrer Empfehlungen nachweisbar geradestehen. Die Finanzlobby ist bereit, jeden Versuch in diese Richtung zu unterbinden.

Geradezu umfassend im Sinn des Anlegerschutzes ist ein Elf-Punkte-Programm des Düsseldorfer Anwalts Julius Reiter, der für seine Mandanten schon so manchen Strauß erfolgreich ausgefochten hat. Beispielsweise schlägt er vor, die Komplexität von Finanzprodukten zu mindern, die unabhängige Beratung zu fördern und mehr für die Finanzbildung zu tun. Der letzte Punkt ist besonders interessant, denn er birgt Sprengstoff: Würde an den Schulen das Fach Finanzen im Sinn der Anleger - und wirklich nur in ihrem Sinn - eingeführt, müsste erst einmal eine bestimmte Spezies von Lehrern dahin getrimmt werden. Doch das erscheint illusorisch, zumal es schon das Fach Sozialwissenschaften gibt, wenngleich mit mäßigem Erfolg. Die Finanzlobby hat denn auch ihre Chance wahrgenommen und Lehrmaterial nach eigenem Gusto an Schulen verteilt. Ob im Anlegersinn, ist zu bezweifeln.

Bei dieser Gelegenheit fällt mir die folgende Anekdote ein: Während der 90er Jahre durfte ich in einer Ingelheimer Fortbildungsstätte vor Oberstufenschülern Vorträge zu Geldthemen halten, unter anderem zur damals anstehenden Euro-Einführung. Vor meinem Referat hatten die Schüler von Banken schon viel über die angeblich tolle neue Währung gehört und waren deshalb überrascht, dass ich allerhand Gegenargumente vorbrachte. Anschließend durften sie mein Referat mit Noten von sehr gut über befriedigend und ausreichend bis mangelhaft bewerten. Offenbar hatte ich sie polarisiert, denn auf den Bewertungsbögen war etwa hälftig fast nur sehr gut und mangelhaft zu lesen. Bleibt noch nachzutragen, dass Ingelheim mich nie wieder einlud.

Fazit: Erliegen Sie auf keinen Fall der Illusion, irgendein Gesetz - geschweige denn der eingangs erwähnte, von zwei Ministerien zusammengeschusterte Aktionsplan - könnte Ihr Geld vor Verlusten durch Falschberatung oder Betrug schützen. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als sich soweit wie möglich selbst in die Geldmaterie zu vertiefen. Haben Sie dafür nur wenig Zeit, sollten Sie zumindest drei oder vier Anlageberater mit Fragen löchern und die Antworten nach einigen Monaten auf ihren Gehalt überprüfen. So viel Zeit muss sein, zumal es hier um gravierende Entscheidungen geht. Vergleichen Sie die Ihnen vorliegenden Angebote dann noch einmal, und erst daraufhin treffen Sie Ihre Wahl.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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