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Negativzinsen - wie weit noch?

02.02.2015  |  Klaus Singer
- Seite 2 -
Bankeinlagen sind unter Sicherheitsaspekten keine Alternative, die Einlagenversicherung gilt nur bis 100.000 Euro. Zudem kann bei sinkendem Preisniveau der reale Ertrag auch bei negativen Zinsen noch positiv sein; zumindest Kapitalerhalt ist da eine realistische Perspektive. Und schließlich lassen sich auch bei negativen Zinsen noch positive Erträge erwirtschaften, schließlich steigen die Anleihekurse mit sinkenden Zinsen weiter an. Und das führt zurück zu der Bemerkung weiter oben - und der Ertrag ist noch deutlich steigerungsfähig, wenn man die Investition hebelt.

Negative Zinsen führen aber dazu, dass insbesondere Staatsanleihen ihren Charakter als permantes sicheres Zinseinkommen immer mehr verlieren und zu Trading-Objekten werden. Diese Entwicklung haben etwa Aktien vor einigen Dekaden bereits vorgezeichnet, als der Dividenden-Aspekt in den Hintergrund trat. Rohstoffe werden seit Mitte der 1990er Jahre ebenfalls zunehmend unter diesem Aspekt gesehen. Die Entwicklung im Anleihenbereich hat aber ungleich stärkere und weitergehende Auswirkungen, weil dies eine kalte Enteignung der Sparer bedeutet und die Alterversorgung massiv gefährdet.

Es gibt eine Reihe von Gründen für die relativ hohen US-Renditen. Zum einen dienen US-Staatsanleihen wie auch der Dollar als sicherer Hafen. Wir leben in unsicheren Zeiten. Deflation, zumindest disinflationäre Tendenzen und damit verbunden sinkende bis negative Renditen in vielen Ländern machen US-Treasuries relativ attraktiv. QE-Maßnahmen in der Eurozone und in Japan schaffen Geld, das in US-Staatsanleihen investiert wird. Der festere Dollar (besser die schwächeren Euros und Yens) machen eine Investition in den USA zusätzlich attraktiv. So lag etwa die ausländische Nachfrage nach Treasurys im Dezember bei 50%.

Die Fed kauft keine Staatsanleihen mehr, Ausländer springen ein, aber auch einheimische private Anleger, wie US-Banken. Bedingt durch neue Regeln müssen die größten Banken mehr liquide Assets halten, von denen 60% durch Staatsanleihen besichert sein müssen. Unternehmensanleihen werden nur noch zur Hälfte als liquide (=sicher) eingestuft. Pensionsfonds und Lebensversicherungen sehen Treasuries weiterhin als attraktiv an, um ihre Verpflichtungen erfüllen zu können.

Die Spreads zwischen Treasurys und Junk-Bonds weiten sich aus, was z.T. auf Bedenken hinsichtlich schwach aufgestellter Energie-Firmen zurückgeht. Aber auch die Spreads zu Investment-grade Anleihen steigen, denn Energieanleihen stellen in den meisten Benchmark-Indices etwa 20%. Unternehmen geben andererseits so viel Anleihen aus wie nie zuvor, oft werden damit Dividenden und Aktienrückkäufe finanziert. Unter dem Strich führt das alles zu einer Verlagerung der Anleihe-Nachfrage hin zu Treasurys. Gleichzeitig geht mit dem sinkenden US-Budget-Defizit das Angebot an neuen Treasurys zurück.

Und noch mehr Gründe für die Rally in US-Staatsanleihen: Die Baby-Boomer der Nachkriegszeit gehen in Rente, ältere Leute reduzieren ihr Risiko und favorisieren sichere Anleihen auch bei niedrigen Zinsen. Und schließlich sind Spekulanten zunehmend short hinsichtlich Kursen v.a. der zehnjährigen Staatsanleihen positioniert. Wenn die Rallye hier aber weitergeht, werden sie früher oder später gezwungen sein, die Papiere zurückzukaufen, was die Kurse antreibt (siehe den Ansatz zu exponentieller Enzwicklung im Chart oben).

Wenn die Rendite für 30-jährige US-Staatsanleihen von 2,75%, dem Stand zum Jahreswechsel, bis zum Jahresende auf 2% fällt, wie manche glauben, entspräche das einem "Total Return“ von gut 18%. Auch wenn die Rendite der zehnjährigen Bonds im selben Zeitraum von 2,1% auf 1% sinken würde, ergäbe sich noch ein "Total Return“ von 12%. Zum Vergleich: Über das gesamte vergangene Jahr ist der TBond-Future um 13% gestiegen. Kein schlechtes Geschäft - erst recht nicht, wenn es gehebelt wird.

Die längerfristige Perspektive bei den US-Zinsen lässt sich in folgendem Chart verdeutlichen: Das Mittel aus 30- und 10-jährigen Renditen, sowie aus den Zisen für 13-wöchige TBills bildet seit den frühen 1980er einen Abwärtskeil (siehe oberen Chart). Bis zu seiner Untergrenze ist noch "Luft“, ob sie genutzt wird, steht dahin. Damit die Untergrenze erreicht würde, müssten sich die Renditen von heute aus ungefähr nochmals etwa dritteln.

Das ist aus heutiger Sicht zwar schwer vorstellbar. So lange EZB und BoJ aber mit ihren QE-Maßnahmen fortfahren und Euro, sowie Yen die Schwäche ausbauen, spricht nicht viel für eine nachhaltige Umkehr nach oben. Es sei denn - das Finanzsystem gerät in eine existentielle Krise, in der Assets jeder Art zu Geld gemacht werden müssen, etwa weil die Schulden in die “verkehrte” Richtung hebeln oder die ohnehin dünne Eigenkapitaldecke zu kurz wird.


Fazit:

Die Rally in Staatsanleihen enteignet Sparer und all die, die über “buy-and-hold” von Anleihen für ihren Lebensabend vorsorgen. Sinkende und niedrige bis negative Zinsen lassen Trader solcher Papiere jedoch eine „goldene Nase“ verdienen. Das treibt die Renditen weiter herunter, auch in den USA sind deutlich niedrigere Zinsen als heute wahrscheinlich. Dass dabei zumindest am kürzeren Ende auch negative Werte erreicht werden, ist nicht unwahrscheinlich.

Die QE-Maßnahmen der EZB beschleunigen diese Entwicklung. Dabei könnte sich der zunächst angepeilte Betrag von 1,14 Bill. Euro schon bald als zu klein erweisen. Die Bilanz aller Euro-Banken zusammen kommt per Oktober 2014 auf 31,2 Bill. Euro, das ist etwa das 2,2-fache des BIP der Eurozone. Die jederzeit fälligen Verbindlichkeiten der Euro-Geldhäuser betrugen 4,9 Bill. Euro, ihre Kassenguthaben bei der EZB weniger als 200 Mrd. Euro. Um die Euro-Banken jederzeit zahlungsfähig zu halten, könnte die EZB also unter bestimmeten Umständen gezwungen sein, bis zu 4,7 Bill. Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen.

Ordnungspolitisch ist zu negativen Zinsen anzumerken: Der Aspekt der Zeitpräferenz, ist aus meiner Sicht entscheidend für den Zins. Entwickelte Volkswirtschaften tendieren normalerweise eher zu niedrigeren Zinsniveaus hin. Ihr vergleichsweise "gesicherter Wohlstand“ schafft Vertrauen in die Zukunft, wodurch die Präferenz von Gegenwartsausgaben vergleichsweise geringer ausgeprägt ist. Aber es wäre "menschlich“ widersinnig, zu unterstellen, dass der Zugriff auf die gleiche Menge an Gütern in der Zukunft gleich oder sogar höher bewertet wird als der in der Gegenwart (was negativen Zinsen entspräche).

Hierzu müsste u.a. die Voraussetzung vollständiger Sicherheit über die Zukunft gehören. Wenn die Zentralbanken heute alles tun, um den Zins unten zu halten und ihn sogar in den negativen Bereich drücken, sorgen sie dafür, dass ein wichtiges wirtschaftliches Maß völlig verzerrt wird.

Erwähnte Charts, weiterführende Verweise und Quellenangaben können hier eingesehen werden:


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



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