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Die EZB überdreht

04.11.2015  |  Robert Rethfeld
Ich bin kein berufsmäßiger Zentralbank-Kritiker. Es muss einer Zentralbank erlaubt sein, in Extremsituationen die Zügel in die Hand zu nehmen. Die Rolle des letzten Kreditgebers ist außerordentlich wichtig. Aber was um Himmels Willen bringt Mario Draghi & Co. zu der Entscheidung, für Dezember weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen anzukündigen?

Während die US-Federal Reserve Bank ein duales Mandat hat (Preisstabilität und Arbeitsmarkt), konzentriert sich die Europäische Zentralbank auf den Erhalt der Preisstabilität. Jedenfalls ist diese Aufgabe als vorrangig formuliert. Die Ziel-Inflationsrate liegt bei zwei Prozent. Ein Prozent sei zu dicht an der Deflation, sagte der frühere Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing, einmal. Deshalb baue man einen Sicherheitspuffer ein.

Der Blick auf die voraussichtliche Entwicklung der Inflationsrate in den Monaten November 2015 bis Februar 2016 zeigt für den Euroraum, die USA und Japan stark steigende Raten (schwarzer Kreis folgender Chart). Hingegen fällt die Teuerung in China im Januar und Februar 2016 in sich zusammen - voraussichtlich auf null.

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Die Folge: Anfang 2016 wird die Handlungsfähigkeit der von EZB und Bank of Japan (BoJ) in Bezug auf eine weitere Lockerung eingeschränkt sein. Die chinesische Zentralbank (PBoC) wird nicht durch hohe Inflation gehemmt. Sie wird weiter lockern müssen. Im Gegensatz dazu wird sich der Druck auf die US-Zentralbank, den Leitzins zu erhöhen, verstärken.

In Kurzform ergibt sich die Haltung wichtiger Zentralbanken Anfang 2016 wie folgt.

FED: Straffungsdruck; EZB: nichts tun; BoJ: nichts tun; PBoC: Lockerungsdruck.

Diese obige Grafik erhalten wir, indem wir die jüngsten Inflationskennziffern linear fortschreiben, also weder eine Erhöhung noch eine Verringerung gegenüber dem Vormonat annehmen. Allein der Basiseffekt führt zu diesem Ergebnis. Darin spiegeln sich der starke Fall des Euro und der Energiepreise Ende 2014 / Anfang 2015. Auch wenn dieser Effekt ab März wieder rückläufig ist, so sollte der deflationäre Charakter des Marktes vorerst Vergangenheit sein.

Konkret gerechnet: Bliebe die Preisveränderung in der Eurozone gegenüber dem Vormonat in den kommenden Monaten bei null, so würde die Veränderung zum Vorjahresmonat im November bei +0,2%, im Dezember bei +0,3% und im Januar bei +1,9% liegen. Im Februar würde die Inflationsrate auf +1,2% zurückgehen.

Angesichts der positiven Nachfragesituation und der vergleichsweise gut laufenden Wirtschaft in der Eurozone könnte man als Basisszenario auch leicht steigende Preise zum Vormonat annehmen. Dann würde es im Januar über die 2-Prozent-Marke gehen.

Die deutsche Inflationsrate stieg im Oktober um 0,3 Prozent. Insbesondere die Preise für Nahrungsmittel (+1,6%) zogen an. Im September betrug die Nahrungsmittel-Teuerung 1,1%, im August 0,8% und im Juli 0,4%. Der Aufwärtstrend ist klar erkennbar.

Da die Nahrungsmittelpreise nur 9 Prozent des Warenkorbs ausmachen und die Energiepreise auch im Oktober fielen (-8,6 Prozent, Warenkorbanteil 11 Prozent), wirkt sich der starke Anstieg der Lebensmittelpreise noch nicht auf die Inflationsrate aus. Im Euroraum zeigt sich der gleiche Trend. Sobald die Energiepreise wieder gen null tendieren (ab Anfang 2016), wird das Gegengewicht zum Nahrungsmittelanstieg fehlen: Die Preise steigen.

Es kommt noch etwas hinzu. Während die EU-Inflationsrate seit dem Sommer sinkt, steigt die Kern-Inflationsrate (ohne Nahrungsmittel und Energie). Wir stellen die gegenläufige Bewegung auf dem folgenden Chart mit einem Doppelpfeil dar.


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