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James Rickards über den Goldmarkt: Knappheiten, Manipulationen und die Strategie Chinas

25.04.2016  |  Mike Gleason
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Mike Gleason: Während unseres letzten Interviews haben Sie über die Fed gesprochen und über die Tatsache, dass einige der Beamten der Notenbank privat zugegeben haben, dass sie eigentlich gar nicht wissen, was sie tun, und dass die Geldpolitik praktisch einem großen wissenschaftlichen Experiment gleiche. Die Notenbank hat noch nie dagewesene Maßnahmen beschlossen und wartet jetzt ab, welche Ergebnisse sie damit erzielt. Die Zentralbanker in Japan und Europa experimentieren derzeit zum Beispiel mit negativen Zinssätzen.

Der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass es für die Sparer, die versuchen, ihr Kapital zu schützen, schreckliche Folgen haben muss, wenn die Menschen gezwungen werden, Zinsen zu zahlen. Waren es einfach nur extrem kurzfristige Überlegungen, die zur Einführung dieser bizarren Maßnahmen führten? Besteht Ihrer Ansicht nach eine realistische Chance, dass diese geldpolitischen Experimente zu positiven Ergebnissen führen werden?


Jim Rickards: Ich glaube nicht, dass es dabei um kurz- oder langfristige Perspektiven geht. Ich denke das Problem ist, dass die Zentralbanken all diese Experimente auf Grundlage von fehlerhaften Modellen durchführen. Ihre Modelle sind keine gute Darstellung der Wirklichkeit. Sie sind entweder veraltet oder einfach nur falsch, weil sie die Realität nicht angemessen wiedergeben. Die Negativzinsen sind da ein gutes Beispiel. Lassen Sie mich das Modell und die tatsächliche Situation erklären, und dann werden Sie sehen, dass die reale Welt sich stark von diesem Modell unterscheidet. Folglich kommt es zu einer Reihe von sehr negativen, unbeabsichtigten Konsequenzen.

Das Modell sagt Folgendes aus: "Menschen handeln ökonomisch rational und sie haben bestimmte Erwartungen. Ihr heutiges Verhalten wird durch ihre Erwartungen bezüglich der Zukunft bestimmt." Wenn die Entscheidungsträger einen Negativzins beschließen, heißt das, dass Sie nach einem Jahr nur noch 990 Dollar auf Ihrem Bankkonto haben, wenn Sie heute 1.000 Dollar einzahlen. Die Banken behalten also einen Negativzins in Höhe von 1% bzw. 10 Dollar ein. Sie nehmen Ihnen Ihr Geld weg. Die Theorie besagt, dass Sie das verhindern möchten. Sie handeln rational, Sie werden sich also sagen, "Mh, wenn ich mein Geld einfach auf der Bank lasse, werden sie es mir durch die Negativzinsen wegnehmen.

Da gebe ich es doch lieber aus. Ich kaufe mir etwas, das ich schon immer wollte. Ich gebe es lieber aus, als zuzusehen, wie es langsam verschwindet." Das Kapital ist in diesem Fall wie ein Eiswürfel, den Sie in der Hand halten. Es schmilzt dahin und irgendwann ist es weg. Negative Zinssätze stellen für die Menschen also einen Anreiz dar, Geld auszugeben, was theoretisch die Nachfrage, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und damit auch das Bruttoinlandsprodukt erhöht. Das würde helfen, einen Teil der aktuellen Schulden- und Wachstumsprobleme zu lösen. So will es zumindest die Theorie.

In der realen Welt geschieht allerdings genau das Gegenteil. In Wahrheit denken die Menschen nämlich so: "Ich spare für meinen Ruhestand." Oder: "Ich spare für die Ausbildung meiner Kinder. Wenn die Zinsen negativ werden, wenn man mir mein Geld wegnimmt, dann sollte ich besser noch mehr sparen. Ich sollte meine Sparrate lieber erhöhen, um die Negativzinsen auszugleichen und damit ich meine langfristigen Ziele dennoch erreichen kann." Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist die Frage, welche Botschaft damit vermittelt wird. Was signalisiert eine Zentralbank, die negative Zinsen beschließt? Sie gibt damit zu verstehen, dass ihr die Deflation Sorgen bereitet. Als Konsument werden Sie sich also denken, "Wenn Deflation das Problem ist, dann werde ich vorerst weniger ausgeben. Ich warte einfach, bis die Preise sinken." Wenn jemand zum Beispiel ein Auto oder einen Kühlschrank kaufen möchte und denkt, dass die Preise im Zuge einer kommenden Deflation fallen werden, dann wartet er vielleicht einfach ab in der Hoffnung, in sechs Monaten weniger bezahlen zu müssen.

Theoretisch sollen die Negativzinsen also die Konsumausgaben und die Gesamtnachfrage erhöhen, doch in Wahrheit steigt vor allem die Sparrate, während Ausgaben und Nachfrage sinken. Es ist also ein Experiment, das genau das Gegenteil dessen bewirkt, was erreicht werden sollte - nicht, weil diese Leute dumm sind, sondern weil sie schlechte Modelle verwenden. Das ist natürlich nur ein Beispiel. Ich könnte Ihnen noch zahlreiche weitere nennen. Es genügt jedoch zu sagen, dass genau die Leute mit dem am wenigsten differenzierten Verständnis für die Funktionsweise der Wirtschaft für diese verantwortlich sind - und das sind die Zentralbanker und insbesondere die Federal Reserve.


Mike Gleason: Sie sprechen viel über Währungskriege und bei unserem letzten Interview hatten Sie gerade ein Buch darüber veröffentlicht. An einem bestimmten Punkt wird es im Interesse einiger einflussreicher Akteure sein, Gold viel höher zu bewerten, als das derzeit der Fall ist. Bis dahin werden sie voraussichtlich große Reserven an physischem Gold angelegt haben. Halten Sie es für möglich, dass beispielsweise China und Russland es eines Tages in Bezug auf Gold auf einen Machtkampf ankommen lassen werden? Was könnte einen der großen internationalen Akteure dazu veranlassen, einen anderen Kurs einzuschlagen und eine globale Neubewertung des Goldpreises praktisch zu erzwingen? Welche Auswirkungen hätte ein solches Szenario?

Jim Rickards: Ich denke, dass etwas in dieser Art geschehen wird, aber ich glaube nicht, dass es sich dabei um ein einseitiges Machtspiel von China oder Russland handeln wird. Die beiden Länder kaufen tausende Tonnen Gold, das ist ganz klar. Wir müssen uns nicht auf Mutmaßungen verlassen. Die russische Zentralbank ist ziemlich transparent. Die Transparenz der People's Bank of China ist zwar viel geringer, doch wir haben gute Informationen über die chinesische Minenproduktion, die Exporte von Hongkong nach China und die Differenz zwischen der Einzelhandelsnachfrage und der Goldnachfrage seitens der Regierung.

Wir können also vernünftige Schätzungen darüber anstellen, wie viel Gold die chinesische Regierung tatsächlich bekommt. Der Staat verfügt wahrscheinlich über 4.000 Tonnen, vielleicht etwas mehr, doch offiziellen Angaben zufolge sind es nur 1,700 Tonnen. China besitzt also viel mehr Gold, als es zugibt.

Der Grund dafür ist nicht, dass China eine Golddeckung für den Yuan einführen und den Yuan zu einer globalen Reservewährung machen will, die unabhängig vom US-Dollar ist. Ich will damit nicht sagen, dass das völlig ausgeschlossen ist, aber es ist nicht das kurzfristige Ziel. Den Chinesen ist durchaus bewusst, dass der Yuan nicht bereit ist, die Funktion einer echten Reservewährung zu erfüllen. Mit den Goldkäufen sichern sie jedoch zunächst ihre Bestände an US-Staatsanleihen ab.

Die chinesischen Devisenreserven belaufen sich derzeit auf 3,2 Billionen Dollar und sind damit nebenbei bemerkt deutlich niedriger, als noch vor 15 Monaten, als sie bei 4 Billionen Dollar lagen. Innerhalb der letzten 15 Monate sind die Reserven um 20% bzw. 800 Milliarden Dollar gesunken und dieser Trend setzt sich fort. China hat also ein ernstes Kapitalproblem, doch davon einmal abgesehen verfügt das Land noch immer über Reserven in Höhe von 3,2 Billionen Dollar. 2 Billionen davon sind Dollarreserven und diese bestehen wiederum größtenteils aus US-Treasuries. Die Chinesen besitzen also eine gewaltige Menge an US-Staatsanleihen. Doch sie können sie nicht verkaufen.

Die Leute reden zwar darüber und der Markt für diese Anleihen ist auch sehr groß und liquid, aber eben auch nicht so groß und liquid. Wenn China einen signifikanten Anteil seiner Treasuries verkaufen würde, könnte der Markt das unmöglich absorbieren. Und wenn dadurch Unordnung oder Störungen entstehen würden, oder wenn die Verkäufe gar als böswillig angesehen würden, dann könnte der Präsident der Vereinigten Staaten dem Ganzen ein Ende setzen. Das ist möglich, weil die USA das Zahlungssystem für US-Dollars kontrollieren und es China dadurch unmöglich machen könnten, die Verkäufe abzuwickeln.

Die Chinesen werden die Staatsanleihen also nicht verkaufen. Sie können sie nicht loswerden, doch sie fürchten, dass die Vereinigten Staaten sich mittels der Inflationierung ihrer Währung einen Weg aus ihrem Schuldenproblem bahnen wollen, und damit haben sie wahrscheinlich recht. Historisch gesehen war das schon immer eine der Möglichkeiten, die die USA nutzten, um sich von ihrer Schuldenlast zu befreien. Sie sitzen also da und hoffen auf einen starken Dollar.

Und ob Sie es glauben oder nicht, aber die Chinesen hoffen ebenfalls auf einen starken Dollar. Wenn Sie Staatsanleihen in Höhe von 2 Billionen US-Dollar besäßen, ginge es Ihnen genauso. Doch gleichzeitig befürchtet China auch, dass die USA versuchen werden, den Dollar zu inflationieren. Das ist nur vernünftig, denn schließlich hat sich die Fed das explizite Ziel einer Inflationsrate von 2% gesetzt. Das hat sie noch nicht einmal ansatzweise erreicht, also tut sie alles in ihrer Macht Stehende, um wenigstens ein wenig Inflation zu bekommen.


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