John Butler: Die Dynamik von Finanzkrisen und das versteckte Goldangebot
23.11.2017

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Die Pyramide illustriert also nicht nur, warum es zu Finanzkrisen kommen kann, sondern auch, warum die relativen Preisbewegungen so stark sein können. Bei einer Verschiebung der Risiko- und Liquiditätspräferenzen kann die Pyramide nur stabilisiert werden, indem sich die Marktkapitalisierung der unteren Ebenen gegenüber den darüber liegenden Ebenen erhöht und auf diese Weise genügend Unterstützung bietet. Das kann theoretisch erreicht werden, indem die Zentralbank Geld druckt und damit als praktisch risikofrei eingestufte Staatsanleihen kauft und deren Wert nach oben treibt. Genau das haben die USA und die meisten anderen bedeutenden Wirtschaftsnationen 2008 mit ihren quantitativen Lockerungen (QE) auch getan. Diese Strategie impliziert jedoch eine Ausweitung der Geldmenge im Verhältnis zu den Goldreserven und damit eine Neubewertung des Goldes gegenüber der Währung. (Ein traditionellerer Ansatz der keynesianischen Geldpolitik wäre es übrigens gewesen, die Regierungsausgaben zu erhöhen und durch die Aufnahme neuer Staatsschulden zu finanzieren. Damit hätte man das Angebot an zuverlässigen Kreditsicherheiten in Form von Staatsanleihen erhöht, statt ihren Wert durch niedrigere Zinsen steigern.)
Der substanzielle Anstieg des Goldpreises im Vorfeld der globalen Finanzkrise von 2008 und sein weiterer Aufwärtstrend trotz der allgemein sinkenden Kurse als die verschiedenen QE-Programme angekündigt wurden, sind leicht zu verstehen, wenn man Exters Pyramide zur Hand nimmt: Ausweitungen der Geldmenge und Assetkäufe von offizieller Seite können die Kurse stabilisieren, aber dadurch vergrößert sich die Pyramide insgesamt in nominellen Werten.
Man könnte sagen, dass ihr Gewicht zunimmt, obwohl sie letztlich noch immer auf dem kleinen Fundament aus Gold ruht. Da der Goldpreis kontinuierlich dort gebildet wird, wo die Goldmenge auf die Finanzpyramide trifft, impliziert Gelddrucken oder die Ausweitung finanzieller Kreditsicherheiten einen steigenden Goldpreis. Eine deutliche Zunahme der verfügbaren Goldreserven könnte natürlich den gegenteiligen Effekt haben.
Beachten Sie jedoch, wie winzig die oben dargestellte Goldmenge im Vergleich zur gesamten Pyramide der Finanzassets ist. Monetäre Goldreserven werden in Form von Bullion vorgehalten. Die liquiden Goldreserven sind weltweit stark konzentriert - ein großer Teil dieser Bestände befindet sich im Besitz der sogenannten Bullionbanken, anderer Mitglieder der London Bullion Market Association (LBMA) und großer Goldkäufer und -verkäufer, einschließlich der Zentralbanken.
Der Preisfindungsprozess am Goldmarkt hängt also hauptsächlich davon ab, wie hoch Angebot und Nachfrage nach liquidem, an der LBMA registriertem Bulliongold im Verhältnis zu Angebot und Nachfrage nach Geld (Dollars, Euros etc.) sind. Verschiedene andere Börsen in Asien und Nordamerika spielen natürlich ebenfalls eine Rolle. Aktuell vollzieht sich am globalen Bullionmarkt ohnehin ein rasanter und tiefgreifender Wandel, denn verschiedene Akteure wie China und Indien modernisieren zur Zeit ihre Finanzinfrastruktur und verbessern ihre Liquidität.
In Wirklichkeit steht der umgekehrten Geld-, Kredit- und Finanzpyramide jedoch eine viel größere Goldpyramide gegenüber, die nach unten hin immer breiter wird und nicht auf dem Kopf steht, sondern auf einem soliden Fundament ruht. Diese unterste Ebene besteht aus Gold in verschiedenen Formen, welches nicht unmittelbar zum Verkauf am Bullionmarkt zu Verfügung steht, aber dennoch theoretisch gehandelt werden könnte.
Gold bleibt schließlich Gold. Es ist ein in den Tiefen des Universums entstandenes Element, das aufgrund seiner äußerst ungewöhnlichen chemischen Eigenschaften praktisch nicht mit anderen Stoffen reagiert und dadurch nicht von Zerfall, oder, wenn Sie so wollen, von physikalischer Entropie bedroht ist. Gold geht leicht Verbindungen mit anderen Metallen ein, lässt sich aber ebenso leicht wieder von diesen trennen und zu Bullion recyceln.
Der Prozess, den das Edelmetall durchläuft, wenn es vom Roherz zu reinem Bullion aufbereitet, anschließend zu Schmuck oder Kunstgegenständen verarbeitet und schließlich wieder zu Bullion eingeschmolzen wird, gleicht auf gewisse Weise dem Weg, den das Wasser auf unserer Erde nimmt. Die einzelnen Moleküle existieren von Zeit zu Zeit vorübergehend als Wasserdampf, bevor sie als Regen oder Schnee auf die Erde fallen und in Flüssen und Bächen den Meeren und Seen zuströmen. Manchmal gefrieren sie auch für längere Zeit in Gletschern oder in den Eiskappen der Polarregionen, wo sie dann möglicherweise tausende von Jahren liegen.
Das gefrorene Wasser ist allerdings noch immer Teil des verfügbaren globalen Angebots. Wenn es genügend erwärmt wird, schmilzt es wieder, verdunstet, steigt auf und fällt erneut als Regen zur Erde.
Um die Analogie noch etwas weiterzuführen: Stellen Sie sich vor, dass die "Wärme" einer Finanzkrise das in Form von Schmuck "eingefrorene" Gold freisetzt, wenn die Menschen das ein oder andere Erbstück zu vergleichsweise hohen Preisen verkaufen, weil sie dringend Bares benötigen. Wenn der Schmuck eingeschmolzen wird, "fließt" das wiedergewonnene Gold in Form von Bullion zur Spitze der Pyramide und hilft auf diese Weise, die umgekehrte, wackelige Finanzpyramide zu stabilisieren, die auf gefährliche Weise auf der Spitze der Goldpyramide balanciert.