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Wer genau hinsieht, der kann erste Anzeichen einer Währungskrise erkennen

03.10.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Zweifel am Fiat-Geldsystem nehmen zu - wie die drastischen Abwertungen von EUR, JPY, CNY und GBP gegenüber USD andeuten. Der Goldpreis hat darauf noch nicht reagiert. Noch nicht.

"Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen." - Immanuel Kant.


Kredit- versus Währungskrise

Krise ist nicht gleich Krise. Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 war eine sogenannte Kreditkrise: Investoren fürchteten, dass die Schuldner nicht mehr in der Lage sein könnten, ihren Schuldendienst vollumfänglich zu leisten; Kreditbeziehungsweise Zahlungsausfälle wurden gefürchtet. Die Kreditmärkte trockneten dadurch quasi aus. Schuldner, deren Kredite fällig wurden, fanden keine Kreditgeber, die ihnen neuen Kredit geben wollten, oder wenn doch, dann nur zu sehr hohen Zinsen.

Und weil der Kredit das Herzstück der internationalen Papiergeldarchitektur ist, drohte das gesamte globale Finanz- und Wirtschaftssystem abzustürzen. Das jedoch wurde verhindert, indem die Zentralbanken die Zinsen senkten und strauchelnde Kreditnehmer mit neuer Liquidität über Wasser hielten.

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Quelle: Refinitiv; eigene Berechnungen. *Steigt (fällt) die Linie, wertet der US-Dollar auf (ab). Ab Januar 2006 neue Datenserie.


Als zu Beginn 2020 viele Regierungen rund um die Welt Lockdowns diktierten, zeigten sich sogleich die Anzeichen einer erneuten Kreditkrise. Wieder mussten die Investoren einen Kollaps der Kreditpyramide befürchten. Die Lockdowns ließen die Wirtschaftsleistung einbrechen und führten zu Massenarbeitslosigkeit. Beides zusammen musste bei den Investoren Zweifel wecken, ob die Verschuldeten denn noch ihre Zins- und Tilgungsleistungen erbringen können. Die "große Pleite" wurde allerdings erneut abgewendet, indem die Zentralbanken die Zinsen nunmehr de facto auf null Prozent senkten und die Geldmengen drastisch ausweiteten: Die Umsatz- und Einkommensausfälle wurden mit sprichwörtlich neu geschaffenem Geld bezahlt.

Der Fluchtpunkt der Investoren in einer Kreditkrise ist üblicherweise "Cash", vorzugsweise in Form der großen Währungen, allen voran des US-Dollar. Investoren wollen Zahlungsausfallrisiken vermeiden, wollen keine Preisrisiken tragen, sie wollen vor allem auch liquide sein. In einer Kreditkrise kommen nämlich üblicherweise auch die Vermögenspreise (Aktien, Häuser etc.) unter Druck, ihre Handelbarkeit an den Märkten verschlechtert sich, mitunter erfahren sie eine drastische, dauerhafte Neubewertung. Das Halten von Kasse wird da als vergleichsweise vorteilhafter angesehen.

Eine Währungskrise ist etwas ganz anderes als eine Kreditkrise. In einer Währungskrise zweifeln die Investoren die Stabilität der Währungen an. Sie verlieren das Vertrauen, dass die Währungen ihre Kaufkraft behalten, beziehungsweise sie befürchten (hohe) Verluste in Bezug auf die innere und äußere Kaufkraft, wenn sie weiterhin die in Misskredit geratenen Währungen im Portfolio halten. Um dem Schaden zu entgehen, treten die Anleger die "Flucht aus der Währung" an.

Traditionell gilt für Investoren der US-Dollar als der bevorzugte "sichere Hafen". Aktuell lässt sich genau das beobachten: Der US-Dollar wertet stark auf, nicht nur gegenüber kleineren Währungen, sondern auch gegenüber Euro, japanischem Yen, britischem Pfund, chinesischem Renminbi. Ist das schon eine Währungskrise?


Finanzmärkte im Stress?

Um diese Frage zu beantworten, ist es zunächst erforderlich zu verstehen, was den US-Dollar derart stark aufwerten lässt. Für diese Entwicklung gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist da die Zinspolitik der US-Zentralbank (Fed). Sie prescht gewissermaßen international voran, die Leitzinsen in die Höhe zu befördern. Der daraus resultierende Zinsvorteil für US-Dollar-Anlagen verstärkt die Nachfrage nach dem Greenback und lässt seinen Wechselkurs gegenüber anderen Währungen ansteigen.

Zum anderen speist sich die verstärkte Dollar-Nachfrage aus den wachsenden (Kreditausfall-)Risiken, die die Investoren befürchten angesichts anziehender US-Zinsen. Die Fed beeinflusst schließlich nicht nur die US-Kreditmarktkonditionen, sondern sie bestimmt auch ganz maßgeblich die Kapitalmarktkonditionen weltweit; und Investoren befürchten, die US-Zinspolitik könnte viele hoch verschuldete Volkswirtschaften überfordern.

Weiterhin spielt die Energiekrise, die in entscheidendem Maße durch die "grüne Politik" verursacht wird, und die durch die westlichen Sanktionen gegenüber Russland verschärft wird, eine bedeutsame Rolle für die Dollar-Aufwertung. Rohstoffarme Regionen wie Japan und Europa, aber auch viele asiatische Regionen geraten angesichts stark steigender Energiepreise in große wirtschaftliche Probleme. Ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert sich, sie verlieren an Attraktivität im internationalen Standortwettbewerb.

Die Bestrebungen der Regierungen, die eigene Konjunktur durch expansive Fiskal- und Geldpolitik zu stützen, verschärfen das ohnehin schon gewaltige Inflationsproblem und schwächt das Vertrauen in die Währungen zusätzlich (ein markantes Beispiel ist derzeit Großbritannien). Warum aber hält sich der US-Dollar in diesem Umfeld so gut? Schließlich inflationiert die Fed ihn ebenfalls stark, die Verschuldung der US-Wirtschaft befindet sich nahe Rekordständen, die steigenden Energiekosten belasten gleichermaßen US-amerikanische Konsumenten und Produzenten.


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