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Finanzbeamte mit eigenartiger "Lebenserfahrung"

24.01.2012  |  Vertrauliche Mitteilungen
Wenn einem Arbeitnehmer nicht ausdrücklich untersagt ist, seinen Dienstwagen auch privat zu nutzen, spricht die von der Finanzverwaltung gerne zu ihrem Vorteil bemühte "allgemeine Lebenserfahrung“ dafür, daß das Fahrzeug auch privat gefahren wird. Der daraus resultierende geldwerte Vorteil ist entsprechend zu versteuern. Ist eine Privatnutzung des Wagens dagegen ausdrücklich untersagt, werden die meisten Arbeitnehmer dieses Verbot auch strikt beachten. Liefen sie doch sonst Gefahr, sowohl arbeitsrechtlich (bis hin zur Kündigung) als gegebenenfalls auch strafrechtlich belangt zu werden.

Doch die Finanzverwaltung vertritt in diesen Fällen recht gerne eine andere Auffassung. Nach ihrer "Lebenserfahrung" ist angeblich davon auszugehen, daß das Verbot einer privaten Dienstwagennutzung nur dann beachtet wird, wenn dessen Einhaltung kontrolliert oder durch sonstige Maßnahmen (z.B. Abstellen der Fahrzeuge auf dem abgeschlossenen Firmenhof) sichergestellt wird. Manche Finanzbeamte gehen offenbar davon aus, daß man ein verbotenes Handeln nur dann unterläßt, wenn es auch eine entsprechende Überwachung gibt!

In einer kürzlichen Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (Az. VI R 56/10) nun derartig denkenden Finanzbeamten eine schallende Ohrfeige erteilt. Es ging um den Angestellten eines Autohauses, der laut Arbeitsvertrag bestimmte Vorführwagen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, aber nicht für seine Privatfahrten nutzen durfte. Weil die dafür jeweils genutzten Vorführwagen abends und nachts zwangsweise vor der Tür des Arbeitnehmers standen, beriefen sich die Finanzbeamten auf ihre angebliche "Lebenserfahrung". Sie unterstellten eine dem Arbeitsvertrag widersprechende Privatnutzung der Vorführwagen und wollten diese entsprechend pauschal versteuern.

Die Richter des Bundesfinanzhofs wollten sich dieser Schein-Argumentation nicht anschließen. Für sie begründet "allein die Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ... noch keine Überlassung zur privaten Nutzung". Schließlich habe der Gesetzgeber der erstgenannten Fahrten "der Erwerbssphäre zugeordnet". Man trug dem Finanzamt auf, im konkreten Einzelfall sorgfältig zu klären, ob das Privatnutzungsverbot "nur zum Schein ausgesprochen wurde" oder nicht.

Dabei betonten die Richter, daß es keine allgemeinen Erfahrungen dergestalt gebe, daß "Arbeitnehmer Verbote mißachten und damit einen Kündigungsgrund geben oder sich sogar einer Strafverfolgung aussetzen". Und sie fügten an: "Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber ein arbeitsvertraglich vereinbartes Privatnutzungsverbot nicht überwacht."


© Vertrauliche Mitteilungen



Auszug aus den wöchentlich erscheinenden Infoblatt Vertrauliche Mitteilungen - aus Politik, Wirtschaft und Geldanlage, Nr. 3961



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