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Was den Goldpreis bewegt - und was nicht

15.09.2013  |  Manfred Gburek
Wie kann es sein, dass der über vier Jahrzehnte erfolgreiche Anlagestratege Jens Ehrhardt in der diesjährigen August-Ausgabe des Manager Magazins für die nächsten fünf Jahre einen Goldpreis von 2500 bis 3000 Dollar erwartet, dieser aber zuletzt auf etwas über 1300 Dollar einbricht? Ehrhardt gibt selbst die Antwort: "Die Rettungspolitik der Notenbanken wird zu Inflation führen. Wenn wir dann zurückblicken, werden wir sagen, dass Gold eines der besten Investments gewesen ist."

Die hektische Entwicklung des Goldpreises ähnelt mit ihren Ausschlägen - zuletzt eher nach unten als nach oben - dem Auf und Ab des immer schon stärker schwankenden Silberpreiseses. Da fällt es zunächst schwer, an die von Ehrhardt in Aussicht gestellte ungefähre Verdoppelung zu glauben. Nebenbei: Er hätte auch ein Preisziel von 5000 Dollar oder mehr nennen oder einfach nur sagen können: Ich weiß es nicht. Denn die Inflation wird, sobald sie erst in Fahrt kommt, dieses Mal nicht mehr aufzuhalten sein, sodass der Goldpreis nach oben offen sein dürfte. Doch Journalisten lassen sich halt gern Preisziele nennen, und Ehrhardt ist mit seinen Prognosen stets vorsichtig gewesen.

Also Augen zu und durch? Ja! Bei jedem Preisrückgang - ganz egal, ob von Edelmetallen, Rohstoffen, einzelnen Aktien oder ganzen Börsen - habe ich mir angewöhnt, ihn sowohl kurz- als auch langfristig einzuordnen. Darüber hinaus lese ich immer gern Begründungen und prüfe sie auf ihre Stichhaltigkeit. Aus Anlass des jüngsten Goldpreisrückgangs sind mir die folgenden aufgefallen, die sich zum Teil massiv widersprechen:

Die mögliche Abkehr der US-Notenbank Fed von ihrer extrem expansiven Geldpolitik mithilfe der seit längerer Zeit anhaltenden Anleihekäufe; positive Daten vom Arbeitsmarkt, die eine bessere Konjunktur verheißen und dadurch das hohe Niveau der Aktienkurse stützen; Aktien als Sachwert-Konkurrenten für Gold; eine negative Prognose der Investmentbank Goldman Sachs; das Unterschreiten der 100-Tage-Linie und nicht zuletzt ETF-Verkäufe.

Diese Begründungen halten der Kritik nicht stand, sie sind überwiegend an den Haaren herbeigezogen. Das Argument mit der Fed-Abkehr hat einen so langen Bart, dass man sich fragt, warum es überhaupt noch erwähnt wird. Tatsache ist: Steigen dann die Renditen der Staatsanleihen, fallen deren Kurse. Damit dürfte das Ergebnis unter dem Strich negativ und deshalb keine ernst zu nehmende Konkurrenz für das zinslose Gold sein. Die Arbeitsmarktdaten in Verbindung mit Konjunkturhoffnungen haben ebenfalls einen langen Bart. Doch wie sollen sie die Aktienkurse stützen, wenn die Fed Ernst macht und im Zuge der besseren Konjunktur der Börse Liquidität entzieht? Hier wird der Widerspruch besonders deutlich.

Irgendwer hat den Begriff von der Alternativlosigkeit der Aktien geprägt, was so viel bedeutet wie: Aktien verkörpern Substanz in Form von Sachwerten und Ertrag in Form von Dividenden, wobei Dividendenrenditen wegen der Niedrigzinspolitik der Notenbanken seit geraumer Zeit höher sind als die Renditen von Staatsanleihen mit gutem bis sehr gutem Rating. Daraus wird gern abgeleitet, dass das zinslose Gold kaum eine Chance habe, den Aktien Paroli zu bieten.

Darüber kann man lange diskutieren. Entscheidend ist indes, dass Aktienkurse und der Goldpreis gleichzeitig steigen können, was in der Vergangenheit ja oft genug geschehen ist. Der Knackpunkt: Aktienkurse steigen - vorausgesetzt, an der Börse ist genug Liquidität da - in erster Linie wegen der Aussicht auf höhere Unternehmensgewinne, während der Goldpreis überwiegend die schwindende Kaufkraft der Währungen vorwegnimmt. Letzteres ist zuletzt in Ländern mit schwachen Währungen zu beobachten, wie Indien und Indonesien, kann jedoch bald auch auf den Dollar- und den Euroraum übergreifen.

Die bis hierher auseinandergepflückten Begründungen für den jüngsten Rückgang des Goldpreises sind indirekt und sekundär, haben also nichts mit dem Angebot von und der Nachfrage nach Gold zu tun. Umso erstaunlicher ist, dass sie immer wieder gebetsmühlenartig verbreitet werden. Das gilt erst recht für die negative Goldman Sachs-Prognose. Doch dahinter steckt System: Die Prognose kam zu einem Zeitpunkt, als der Goldpreis angeschlagen war. Folglich erschien es plausibel, dass er kurzfristig nochmals fallen könnte - und dass Insider dies rechtzeitig für eine Spekulation à la baisse nutzten.

Damit bleiben noch die Begründungen mit der 100-Tage-Linie und mit den ETF-Verkäufen. Die erste bedeutet: In den vergangenen 100 Börsentagen betrug der Goldpreis im Durchschnitt x Dollar. Daraus lässt sich eine Linie erstellen und börsentäglich fortschreiben, die den aktuellen Preis hin und wieder von unten nach oben schneidet. Das löst dann Verkäufe durch einen vorher darauf ausgerichteten Algorithmus aus. Im Klartext: ein virtueller Spielautomat. Schließlich ETF-Verkäufe (ETF = Exchange Traded Fund, also börsengehandelter Fonds): Diese Begründung hat einen ähnlich langen Bart wie die mit dem Umschwenken der Fed-Geldpolitik (s. oben).

Edelmetallpreise bewegen sich ebenso wie Aktienkurse langfristig nicht wie eine gerade Linie nach oben, sondern mit Unterbrechungen, die mehr oder weniger heftig ausfallen und mal nur wenige Wochen oder Monate, mal mehrere Jahre andauern können. Auch nur den ungefähren Rhythmus der Preisbewegungen im Voraus zu bestimmen, ist unmöglich. Daran haben sich viele kompetente und noch mehr inkompetente Kurvendeuter ohne Erfolg versucht. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass es mit Edelmetallpreisen und Aktienkursen langfristig allein schon deshalb aufwärts geht, weil alle Währungen sich bekanntermaßen seit Jahrhunderten immer auf ihren Substanzwert zubewegen, und der ist null.

Da Sie jedoch vermutlich mehr an der Goldpreisentwicklung in den nächsten Jahren als etwa bis 2020 oder 2025 interessiert sind, möchte ich Sie, abgesehen von dem eingangs zitierten Vermögensverwalter Jens Ehrhardt mit seiner 2500-bis-3000-Dollar-Prognose, zum Schluss noch auf einen anderen Mann hinweisen, der Ehrhardts Prognose durch ein endlos scheinendes Interview in der Börsen-Zeitung vom 12. September auf seine Weise mittelbar erhärtet hat: Jörg Asmussen, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank.

Er meint zu Recht: „Wenn man Zinsen lange niedrig hält, hat das Nebenwirkungen: Fehlallokation von Kapital, nachlassender Druck auf strukturelle Reformen und vieles mehr.“ Damit zielt Asmussen beileibe nicht allein auf die Eurozone, sondern auch auf zwei andere große Währungsblöcke, deren Fiskalpolitik er enttäuschend findet, "weil für die USA und noch mehr für Japan keine glaubwürdigen mittelfristigen Pläne zur Konsolidierung vorgesehen sind. Diese werden aber ganz dringend gebraucht." Fazit: Da braut sich einiges zusammen, was dem Goldpreis in absehbarer Zeit einen kräftigen Auftrieb verleihen dürfte.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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