Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Edelmetalle: Europäisches Krisenungeheuer vor portugiesischer Küste aufgetaucht

14.07.2014  |  Thorsten Proettel
Finanzielle Schieflage in Portugal

Berichte über das Auftauchen von vermeintlichen Seeungeheuern oder auch nur Schnappschildkröten in heimischen Badegewässern sind eine eher harmlose Begleiterscheinung des Sommerlochs. Das in den letzten Tagen in Portugal wieder gesichtete europäische Krisenungeheuer brachte die Weltfinanzmärkte dagegen gehörig aus dem Takt.

Die finanzielle Schieflage der Firmenholding einer der reichsten Familien Portugals und der mit ihr verbundenen Banco Espirito Santo (BES) schickten die europäischen Aktienmärkte auf Talfahrt und sorgte für höhere Renditeaufschläge von Staatsanleihen. Die Verunsicherung wird vor allem dadurch verstärkt, da bislang nicht wirklich bekannt ist, welche Probleme bestehen und welches Ausmaß sie haben. Immerhin ist die BES aber mit einer Bilanzsumme von rund 80 Mrd. Euro das größte Kreditinstitut Portugals und die ohnehin klamme Staatskasse dürfte kaum eine Bankenrettung aushalten.


Gold profitiert von Misere

Der Goldpreis kletterte vor diesem Hintergrund bis auf 1.345 USD und damit den höchsten Stand seit Mitte März. Ein Großteil des Anstiegs dürfte auf den Terminmarkt zurückzuführen sein. Börsengehandelte Goldfonds waren aber auch gefragt. Die Emittenten dieser Papiere kauften gestern 2,7 Tonnen Edelmetall zur physischen Besicherung auf. Der Goldpreis hätte weiteres Potenzial nach oben, sofern die Märkte wieder in den Krisenmodus umschalten. Die entscheidende Frage lautet daher, ob die Misere der Espirito Santo-Gruppe ein neues Kapitel in der Eurokrise einleitet, oder ob sie sich später als kleine Episode im Sommerloch entpuppen wird.


Eskalation ist fraglich

Für die Gefahr einer Eskalation sprechen die immer noch nicht gelösten Probleme der Eurozone und die im Zuge der Rettung eingegangenen Risiken. Wie bereits mehrfach an dieser Stelle geschildert, trieben auf Rekordtiefs geschleuste Zinsen die Kurse von Aktien und Anleihen zuletzt auf sehr hohe Niveaus, die das eingegangene Risiko vermutlich nicht mehr adäquat entlohnen. So lange die Mehrheit der Marktteilnehmer aber weiterhin zufriedenstellende Buchgewinne ausweisen kann und sich deshalb an der Renditejagd um jeden Preis beteiligt, dürfte sich hieran wenig ändern.

Schließlich gilt das kurz vor der letzten Krise vom damaligen Chef der Citibank, Chuck Prince, geäußerte Motto heute offenbar mehr denn je: "Solange die Musik spielt, muss man aufstehen und tanzen". Außerdem steht im Gegensatz zur Situation 2010 und 2011 das Versprechen von EZB-Chef Mario Draghi im Raum, alles Erdenkliche zur Rettung des Euros zu unternehmen. Deshalb ist es fraglich ob die Musik zügig verstummen wird und damit die Tänzer auf die sicheren (Sitz-)Plätze zurückkehren.

Open in new window

Indien belässt Importsteuer bei 10%

Die anderen Einflussfaktoren des Goldmarktes sprechen zudem eher für etwas schwächere Notierungen. Der gestern vorgelegte Haushaltsplan der indischen Regierung sieht keine Lockerung der im letzten Jahr auf 10% erhöhten Importsteuer für Gold vor. Von Beobachtern in Indien war dagegen eine Reduktion auf 6% erwartet worden, nachdem sich Vertreter der Bharatiya Janata Partei von Premierminister Narendra Modi für eine Lockerung der Steuern und der Einfuhrbeschränkungen ausgesprochen hatten und das Leistungsbilanzdefizit zuletzt deutlich zurückgegangen war.

Minenhedging nimmt zu

Hinzu kommt, dass sich wieder mehr Minenunternehmen über den Verkauf von geliehenem Gold gegen dessen weiteren Rückgang absichern. Das Edelmetallangebot wird auf diesem Weg künstlich erhöht. Bislang handelt es sich nur um kleine Mengen. Beispielsweise möchte der russische Förderer Polyus Gold 10 Tonnen über die kommenden zwei Jahre hedgen.

In den 1990er Jahren trugen solche Absicherungsgeschäfte der Minen aber maßgeblich zum Verfall der Notierungen bei. Denn wenn ein Unternehmen die zukünftige Förderung im Voraus verkauft und den Preis damit unter Druck setzt, dann haben die Wettbewerber ein Interesse daran ebenfalls so vorzugehen. Angesichts dieser Nachrichten für den Goldmarkt kann deshalb aktuell kaum von einer Sommerlochflaute gesprochen werden.


© Thorsten Proettel
Commodity Analyst

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart



Diese Publikation beruht auf von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit und Vollständigkeit wir jedoch keine Gewähr übernehmen können. Sie gibt unsere unverbindliche Auffassung über den Markt und die Produkte zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses wieder, ungeachtet etwaiger Eigenbestände in diesen Produkten. Diese Publikation ersetzt nicht die persönliche Beratung. Sie dient nur zu Informationszwecken und gilt nicht als Angebot oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf. Für weitere zeitnähere Informationen über konkrete Anlagemöglichkeiten und zum Zwecke einer individuellen Anlageberatung wenden Sie sich bitte an Ihren Anlageberater.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"