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Das Undenkbare denken: Ein Blick auf die kommende Krise

01.07.2016  |  John Mauldin
"Es gibt Jahrzehnte, in denen nichts geschieht, und Wochen, in denen Jahrzehnte geschehen." - Wladimir Iljtsch Uljanow, alias Lenin

"Denn seine [Paulus'] Briefe, sagen sie, wiegen schwer und sind stark; aber wenn er selbst anwesend ist, ist er schwach und seine Rede kläglich." - 2. Korinther 10:10

Im Internet, in den Mainstreammedien und auf Twitter wird der Brexit ohne Unterlass diskutiert. Ich werde gegen Ende dieses Newsletters ein paar Gedanken zum EU-Austritt Großbritanniens äußern, aber eine ernsthafte Betrachtung der Implikationen, die diese Entscheidung für die Zukunft birgt, hebe ich mir für einen späteren Beitrag auf, damit ich etwas Zeit zum Nachdenken und für Analysen habe. Ich schätze, dass die Folgen so ernst sein werden, wie viele Beobachter und Kommentatoren es prognostizieren, doch das bedeutet, dass das Thema mehr verdient, als nur ein wenig reflexartige Gelehrsamkeit.

Stattdessen werde ich Ihnen eine aktualisierte Fassung der Rede präsentieren, die ich vor einem Monat auf der Strategic Investment Conference gehalten habe. Wie Sie sehen werden, ist die Rede heute sogar noch relevanter als damals. Wir haben die Niederschrift überarbeitet, um sie kürzer und prägnanter zu machen und natürlich sind mir dabei noch einige Gedanken gekommen, die ich gern in die Rede mit aufgenommen hätte. Die aktuelle Version gefällt mir besser als das Original. Ich schätze, in dieser Hinsicht geht es mir wie dem Heiligen Paulus - wenn ich mir die Zeit nehme, meine Gedanken zu ordnen und den Entwurf mehrfach zu überarbeiten, verbessert sich die Botschaft.


Das Undenkbare denken

Wie viele von Ihnen wissen, schreibe ich ein Buch darüber, wie die Welt in 20 Jahren aussehen wird. Ein großer Teil des Buches widmet sich aufregenden neuen Technologien, die die Welt im Jahr 2036 meiner Ansicht nach zu einem viel spannenderem und fantastischerem Ort machen werden, als heute. Niemand wird sich die gute alte Zeit von 2016 zurückwünschen. Doch der potentielle Reichtum, den die Menschheit schaffen kann, scheint von dem Vermögen aufgewogen zu werden, das die Regierungen und Zentralbanken zerstören können.

In den letzten Jahren habe ich oft von den aufregenden Veränderungen gesprochen, die uns in einer Ära bevorstehen, die ich das Zeitalter der Transformation nenne. Heute betrachten wir die dunkle Seite dieses Zeitalters. Wir werden über Regierungen sprechen und über deren Potential zur Vernichtung von Vermögen. Wir beginnen mit einem Gedicht:

"If buttercups buzz’d after the bee
If boats were on land, churches on sea
If ponies rode men and if grass ate the cows
And cats should be chased into holes by the mouse
If the mamas sold their babies
To the Gypsies for half a crown
If summer were spring
And the other way ‘round
Then all the world would be upside down!"


[Sinngemäß: Wenn die Butterblumen den Bienen nachflögen
Wenn Schiffe an Land und Kirchen im Meer stünden
Wenn die Pferde auf Männern ritten und das Gras die Kühe fräße
Wenn Mäuse auf Katzenjagd gingen
Wenn Mütter für einen Groschen
Ihre Kinder an Zigeuner verkauften
Wenn im Sommer Frühling wäre
Und im Frühling Sommer
Dann stünde die ganze Welt auf dem Kopf!]


Das war im 17. und 18. Jahrhundert ein beliebtes englisches Kinderlied. In vergangenen Zeiten gab es die Tradition, dass eine besiegte Arme durch die Reihen der Sieger lief. Zudem spielten die Verlierer früher das Lied der Sieger. Als der britische General Charles Cornwallis sich der amerikanischen Armee im Unabhängigkeitskrieg zum zweiten Mal ergeben musste, untersagte George Washington es den Briten, ein amerikanisches Lied zu spielen, und so spielten sie eine Version des Kinderliedes "When the World Was Turned Upside Down". Das besagt zumindest die Legende.

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In diesem Fall war die unterlegene Armee doppelt so groß wie die siegreiche. Die meisten Strategen gehen davon aus, dass ein Heer nötig ist, die dreimal so stark ist wie das der Verteidiger, um eine gut befestigte Position einzunehmen. Für die britischen Soldaten war eine Niederlage ihrer Offiziere undenkbar. Cornwallis hätte trotz der schweren Verluste vielleicht ausgeharrt, wenn er gewusst hätte, dass General Clinton und die britische Kriegsflotte nur zwei Wochen später eintreffen sollten. Er hätte ein paar tausend Soldaten verloren, aber die Briten hätten den Krieg gewonnen und die USA wären jetzt eine Art Australien, nur viel größer.

Eine Niederlage war für die Briten undenkbar und dennoch ist es so gekommen. Genau das wird unser heutiges Thema sein: das Nachdenken über das Undenkbare.

Wenn ich Ihnen vor vier Jahren erzählt hätte, dass heute 40% der weltweiten Staatsschulden negative Zinsen haben werden, dass auf den Bilanzen der Zentralbanken die Zahl 10 Billionen USD steht, dass die Schwellenmärkte Schulden in Höhe von 10 Billionen Dollar haben, dass das Wachstum der Weltwirtschaft im Durchschnitt bei gerade einmal 2% liegt, dass die Arbeitslosigkeit in den USA weniger als 5% beträgt, und dass die Leitzinsen in weiten Teilen der Welt negativ sind und in den Vereinigten Staaten bei nur 50 Basispunkten liegen, dann hätten Sie mich ausgelacht und weggeschickt. Sie hätten meinen Newsletter abbestellt. Dabei war die heutige Welt von der damaligen nur fünf Jahre entfernt.

Doch nun, angesichts der bereits hinter uns liegenden Ereignisse und der, die uns meiner Meinung nach noch bevorstehen, müssen wir beginnen, das Undenkbare zu denken. Wenn ich das sage, beziehe ich mich damit auf die nächsten zwei, fünf, zehn oder auch zwanzig Jahre - nicht das nächste Quartal. Ich habe auch eine gute Nachricht für Sie: Wir werden diese Zeit überstehen. Ja, wir werden womöglich mit katastrophalen Problemen konfrontiert werden, aber wir werden sie überleben und danach besser sein, als je zuvor. Oder, wie es mein Freund George Friedman gestern ausgedrückt hat: "Die Welt fährt zur Hölle...aber uns wird es gut gehen."



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