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K.W.F.-Reihe: Keine Angst vorm Angstsparen (5/6)

26.01.2007  |  Mag. Gregor Hochreiter
Keine Angst vorm Angstsparen oder Was im Kleinen richtig ist, kann im Großen nicht falsch sein

Vor nicht allzu langer Zeit versetzte ein ökonomisches Gespenst Deutschland in Angst und Schrecken, das Angstsparen. Politiker wie Wirtschaftsforscher fürchteten um das zarte Pflänzlein Konjunkturaufschwung und forderten wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Ankurbelung des Binnenkonsums. Ins selbe Horn blies ein Artikel in der NZZ, sah er doch in der hohen Sparquote der Asiaten eine unüberwindbare Hürde auf dem Weg ins globale Konsumparadies. So einleuchtend die keynesianische Vorstellung, wonach die Konsumnachfrage Wohlstand verursacht, auf den ersten Blick sein mag, so falsch ist sie bei genauerem Hinsehen. Wer sich von dem Versuch, eine Atmosphäre des Konsumrausches zu inszenieren, anstecken läßt, droht seine finanziellen Rücklagen politisch motivierten Konsumorgien zu opfern.

Verstecktes Leitmotiv des Artikels "Asiaten zwischen Sparzwang und Kaufwut" (NZZ) vom 6.Oktober 2006 ist die berechtigte Furcht um den Zustand der Weltwirtschaft im Allgemeinen und der amerikanischen Volkswirtschaft im Besonderen. Getrieben wird die Sorge von der Angst um den plötzlichen Zusammenbruch der immensen Nachfrage amerikanischer Konsumenten nach asiatischen Konsumartikeln. Ein Kaufrausch, der nach allgemeinem Tenor die Weltwirtschaft noch irgendwie am Leben hält und - trotz kritischer Stimmen aufgrund der immensen Verschuldung des amerikanischen Staates, der Unternehmen und der Bürger - durchwegs positiv gewertet wird. Könnten die Asiaten im Falle einer stark nachlassenden Nachfrage der Amerikaner diesen Ausfall kompensieren, fragt sich der Autor in nicht offen ausgesprochener, doch deutlich keynesianischer Rhetorik. Skeptisch wird auf die steigende Sparneigung der Asiaten verwiesen, die darauf hindeutet, daß sich die relative Konsumlust in Asien weiterhin in Grenzen hält. In China beträgt die Sparquote bei steigender Tendenz knapp 50% und viele boomende Länder Asiens registrieren höhere Sparquoten als die westliche Welt.

Angenehm mag die Vorstellung, wonach der Konsum den Wohlstand ursächlich in die Höhe treibt, allemal sein. Wer verzichtet auch schon gerne auf den Konsum von Gütern oder auch von Freizeit. Doch wäre Konsum tatsächlich die Ursache von Wohlstand, so müßten die Länder mit einer Konsumquote von 100% die reichsten Menschen der Welt sein. Auf die Lebensrealität des einzelnen Menschen heruntergebrochen bedeutet eine Konsumquote von 100% nichts anderes, als daß die betreffende Person von der Hand in den Mund lebt. Diese Redewendung umschreibt den Zusammenhang zwischen beobachtetem menschlichen Verhalten und ökonomischer Kausalität äußerst plakativ und läßt sich im Unterschied von vielen Ökonomen und Journalisten nicht in die Irre führen.

Wenn also Konsum als Triebfeder der Wohlstandsgenerierung nicht in Frage kommt, verbleibt nur noch der Verzicht auf Konsum, das Sparen, als mögliche Quelle der Wohlstandsmehrung. Und in der Tat setzt erst der kurzfristige Verzicht auf den heutigen Konsum die Mittel zur Investition in Maschinen, Fabriken, aber auch Bildung frei. Dank dieser sogenannten Kapitalgüter steigt die Produktivität der Arbeiter und damit langfristig die Verfügbarkeit von Konsumgütern.

Der Autor des oben genannten Artikels moniert hingegen im Einklang mit dem Mainstream die hohe Sparneigung als Bremse für mehr Wachstum und rät den Asiaten eine höhere Konsumneigung an. Damit redet er der Wohlstandsvernichtung das Wort. Ein heimtückischeres Armutsprogramm als die Konsumförderung wurde bis dato noch nicht erdacht, vielleicht mit Ausnahme der klar ersichtlichen Zerstörung im Krieg. (Obwohl es gar nicht so wenige Intellektuelle gibt, die derartigen Zerstörungen sogar etwas Positives abgewinnen können, da diese den weiteren Anstieg des Wohlstands beschleunigten.)


Was im Kleinen richtig ist, kann im Großen nicht falsch sein

Ein nicht nur in der Ökonomie weit verbreiteter Irrtum vertritt die Auffassung, daß bestimmte Handlungen, die auf individueller Ebene eine positive Wirkung haben, auf gesellschaftlicher Ebene zu einem gegenteiligen Effekt führen. Diesen logischen Irrtum nennt man "Fallacy of Conceptual Realism", und umfaßt die logisch nicht haltbare Vorstellung, wonach Makrophänomene eine eigenständige Handlungslogik entwickeln können. Ein typisches Beispiel für diesen Fehlschluß ist das von Keynes in die Welt gesetzte "Paradox of Thrift" (Paradox des Sparens). Während das Sparen einzelner Individuen die Wohlstandsmehrung unterstützt, würde gesamtwirtschaftliches Sparen die Wirtschaft in eine Abwärtsspirale stürzen, da die Gesamtnachfrage nach Konsumgütern zurückginge. Die sinkende Nachfrage würde die Gewinne der Unternehmen schmälern und diese dazu zwingen, Arbeitsplätze abzubauen. Die nunmehr Arbeitslosen würden wiederum den Nachfrageausfall verstärken. Am Ende dieses Prozesses wäre die Arbeitslosigkeit höher und der gesellschaftliche Wohlstand niedriger. Daher müsse der Staat den Nachfrageausfall mit antizyklischen Investitionsprojekten kompensieren und könne damit einen "selbsttragenden Aufschwung" initiieren.

Trotz ihrer weiten Verbreitung ist diese Vorstellung schlichtweg falsch. Eine Veränderung der Sparneigung führt nicht zu einem Nachfrageausfall, sondern zu einer Nachfrageverschiebung; während die Konsumgüterindustrie weniger Produkte absetzen kann, steigt die Nachfrage nach Kapitalgütern wie Maschinen, aber auch Forschung & Entwicklung und Bildung. Die Gesamtnachfrage bleibt notwendigerweise konstant. Die zusätzlichen Ersparnisse ermöglichen jedoch die Verlängerung des Produktionsprozesses und die Herstellung von zusätzlichen Kapitalgütern. Beide Entwicklungen erhöhen in weiterer Folge die Produktivität und führen morgen zu einer nachhaltigen Steigerung der produzierten Gütermenge.

Ein Beispiel soll diesen Sachverhalt veranschaulichen. Nehmen wir an, Robinson Crusoe ernährt sich tagtäglich von 10 Äpfeln, die er von einem nahegelegenen Baum pflückt. Mehr Äpfel vermag er pro Tag nicht zu ernten. Sein tägliches Konsumniveau bleibt daher konstant bei 10 Äpfeln ohne Möglichkeit, mehr zu produzieren. Das Pflücken hält ihn zudem so sehr auf Trab, daß er keine Zeit für andere Tätigkeiten findet. Wie ist es dennoch möglich, daß Robinson aus dieser "Armutsfalle" ausbricht? Durch Sparen. Tag für Tag legt er einen Apfel zur Seite und reduziert so seinen Konsum auf 9 Äpfel. Dieser Verzicht auf heutigen Konsum erlaubt ihm nach 9 Tagen einen Tag nicht mit Apfelpflücken zu verbringen. Legt er sich auf die faule Haut, wird er nach diesem Tag wieder nicht mehr als 10 Äpfel pflücken können. Investiert er den "gewonnen" Tag in den Bau einer Leiter, stellt er mit dieser Leiter ein Kapitalgut her. Die Leiter hat für ihn keine direkte Befriedigung, sondern nur eine indirekte; sie ist Mittel zum Zweck - mehr Äpfel pflücken zu können. Fortan kann er 15 statt 10 Äpfel pflücken. (Eine ausführliche Diskussion der ökonomischen Abläufe finden Sie hier.)

Konsum ist Ausdruck des höheren Wohlstands, nicht dessen Ursache.
Umgekehrt gilt natürlich dasselbe: sinkender Konsum ist Ausdruck fallenden Wohlstands, nicht dessen Ursache.





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