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Der US-Dollar, die "Finanzielle Kriegsführung" und das Gold

01.04.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass wirtschaftliche Sanktionen sich nicht immer als zielgerecht erwiesen haben. So lösen sie nicht selten Umgehungsstrategien der Betroffenen aus (Umlenkung von Handelsströmen). Zudem können Wirtschaftssanktionen die breite Bevölkerung des sanktionierten Landes treffen und damit zulasten vieler unschuldiger Menschen ausfallen. Weiterhin können Sanktionen Gegensanktionen der Betroffenen auslösen und auf diese Weise zu einer kollektiven Selbstschädigung führen: (1) Nicht nur das sanktionierte Land leidet dann wirtschaftlich, sondern auch die Menschen im Sanktionen erlassenden Land.

Und nicht zuletzt können Sanktionen zuweilen auch ein sanktioniertes Land, ein sanktioniertes Regime stärken, wenn sie zu einer inneren "Wagenburg-Mentalität" führen gegen den "äußeren Feind" und die Oppositionskräfte im Land schwächen. Finanzielle Sanktionen sind ein ganz besonders scharfes Schwert in einer zusehends arbeitsteilig organisierten Weltwirtschaft. Das gilt vor allem für finanzielle Sanktionen, die von den Vereinigten Staaten von Amerika mit ihrer Dollar-Dominanz verhängt werden können.

Die US-Regierung kann beispielsweise heimischen Banken untersagen, Überweisungen bestimmter Adressen durchzuführen, bestimmte Währungen zu handeln oder Kredite an bestimmte Schuldner zu vergeben. Sie kann auch den Handel mit Schuldpapieren und Aktien aus Ländern, die sanktioniert werden, an US-amerikanischen Börsenplätzen aussetzen und damit den US-Dollar-Kapitalzugang der betroffenen staatlichen und nicht-staatlichen Akteure unterbinden. Aber der Arm der US-Regierung reicht aber noch viel weiter. Die US-Regierung kann auch Sanktionen androhen gegenüber unbeteiligten Drittländern und sie dadurch "auf Linie bringen":

Es wird beispielsweise gesagt, dass Banken im Ausland, die Geschäft mit Ländern abwickeln, die von Amerika finanziell sanktioniert werden, ihrerseits finanziell sanktioniert werden, indem sie ebenfalls vom US-Dollar-Markt abgeschnitten werden. Auf diese Weise weitet sich der "Zugriffsradius" der US-Regierung weit über die eigenen Landesgrenzen hinweg aus und erreicht eine große Anzahl von Institutionen, die sich zur Durchsetzung von US-amerikanischen Finanzsanktionen einspannen lassen. Gerade in Zeiten zunehmender Digitalisierung und Datenvernetzung setzen die USA verstärkt die sogenannte "Financial Warfare" (ins Deutsche übersetzt: "Finanzielle Kriegsführung") ein.

[Es sei an dieser Stelle ausdrücklich angemerkt, dass der Begriff "Financial Warfare" nicht sehr glücklich gewählt ist - und dass ein Begriff wie "Finanzielle Sanktionierung" treffender wäre. (2) Aber da "Financial Warfare" nun einmal weithin Verwendung findet, soll er auch hier und im Folgenden verwendet werden.]

Die Idee der "Financial Warfare" wurde bekannt und ein öffentliches Diskussionsthema vor allem mit der Veröffentlichung von Juan C. Zarates Buch "Treasury’s War. The Unleashing of a New Era Financial Warfare" im Jahr 2013. Financial Warfare kam verstärkt während der US-Präsidentschaft von George W. Bush und vor allem auch unter Barack Obama zum Einsatz.

In seinem Buch legt Zarate die neue finanzielle Strategie der USA dar, terroristischen Organisation und feindlichen Staaten mit finanziellen Sanktionen zu begegnen - wie Drogenkartellen, Terrororganisationen (Al-Qaeda, ISIS etc.), Nordkorea, Iran, Irak, Syrien und andere mehr - mit dem Ziel, ihnen das Handwerk zu legen, Übeltäter dingfest zu machen und politische Kurswechsel herbeizuführen.

Ganz neu ist die Strategie allerdings nicht. Vielmehr reicht die "Financial Warfare" reicht sogar recht weit zurück. Zu denken ist beispielsweise an die Zeit der Suez-Kanal-Krise. Im Jahr 1956 schickten Großbritannien und Frankreich Truppen an den Suez-Kanal, um seine Nationalisierung durch die ägyptische Regierung zu verhindern.

US-Präsident Dwight Eisenhower wies daraufhin das US-Schatzamt an, Britische Pfund im Devisenmarkt zu verkaufen und so den Wechselkurs des Pfunds gegenüber dem US-Dollar abzuwerten. Die Briten mussten daraufhin mit ihren knappen US-Dollarreserven das Pfund stützen und verloren dadurch knappe Devisen zum Kauf von Importgütern. In London und auch in Paris verstand man die Botschaft Eisenhowers und zog letztlich die Truppen wieder ab.


Exkurs: Bedeutung der Arbeitsteilung

Eine der Grundlagen, die den materiellen Wohlstand ermöglichen, den viele heutzutage erfreulicherweise genießen können, haben nicht alle Menschen immer klar vor Augen. Gemeint ist die nationale und internationale Arbeitsteilung. Sie erhöht die Ergiebigkeit des Produktionsfaktors Arbeit für alle an der Arbeitsteilung teilnehmenden. Die Arbeitsteilung erlaubt es, mehr Güter zu produzieren im Vergleich zum isolierten Wirtschaften. Sie ermöglicht es zudem, Güter herzustellen, die sich ohne Arbeitsteilung nicht erzeugen ließen.

Und noch etwas leistet die Arbeitsteilung: Sie wirkt quasi wie ein Friedensprogramm. Menschen, die sich arbeitsteilig organisieren, erkennen einander als gegenseitig nützlich an bei der Bewältigung der Lebensherausfordernisse. Sie entwickeln ein gegenseitiges Interesse am wechselseitigen Wohlbefinden. Das verbindet sie miteinander, befriedet sie.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Wirtschafts- und Finanzsanktionen ein Effekt innewohnt, dessen Eintreten vermutlich nicht immer gewollt ist: Wirtschafts- und Finanzsanktionen können bestehende Konflikte auch verschärfen, weil sie die eigentlich friedenstiftende Bande zwischen vielen Menschen auflösen, die friedenstiftenden Möglichkeiten der Arbeitsteilung, einschließlich des Handels, beschränken beziehungsweise versperren.

Das mag politisch dann akzeptabel sein, wenn Wirtschafts- und Finanzsanktionen quasi auch als Vergeltungsinstrument eingesetzt werden sollen. Wenn es aber das Ziel ist, Spannungen abzubauen, den Konflikt zu deeskalieren, dann können Wirtschafts- und Finanzsanktionen mitunter auch kontraproduktiv wirken.


Harte Russland-Sanktionen

Die USA haben gemeinsam mit ihren europäischen Alliierten sehr harte Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegenüber Russland erlassen als Reaktion auf den kriegerischen Angriff russischer Truppen auf die Ukraine. Dadurch ist Russland nun wirtschaftlich und finanziell de facto vom Rest der Welt isoliert. Mit den Export- und Importrestriktionen ist ein Rückzug vieler westlicher Firmen aus dem russischen Markt verbunden.

So gut wie alle russischen Banken sind von SWIFT ausgeschlossen, bis auf die Institute, die bei der Abrechnung der Erdgas- und Rohöl-Lieferungen in den Westen bedeutend sind - das sind die Sberbank und die Gazprombank. Der Westen kann also russische Gas- und Öllieferungen bezahlen, die russischen Energieexporteure erhalten die US-Dollar- beziehungsweise Euro-Verkaufserlöse auf ihren Konten bei westlichen Korrespondenzbanken gutgeschrieben, können aber derzeit nicht über die Guthaben verfügen.



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