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Der US-Dollar, die "Finanzielle Kriegsführung" und das Gold

01.04.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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SWIFT, CIPS, SPFS

SWIFT (Abkürzung für "Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication") ist ein in Belgien ansässiges Datenübermittlungssystem, das weltweit etwa 11.000 Finanzinstitutionen in mehr als 200 Ländern und Regionen miteinander verbindet, und das pro Tag etwa 42 Millionen Nachrichten verarbeitet, um Transaktionen zu koordinieren und sicher und effizient abzuwickeln. Banken, denen der Zugang zu SWIFT versperrt ist, können Zahlungen prinzipiell auch auf anderen Wegen durchführen - etwa über Chinas "CIPS" (Abkürzung für Cross-Border International Payments System“).

Allerdings ist - zumindest bisher - die Teilnehmerzahl und das abgewickelte Zahlungsvolumen dieser alternativen Systeme noch relativ begrenzt. Das gleiche gilt auch für das von der Russischen Zentralbank entwickelte SPFS (Abkürzung in deutsch für "System zur Übermittlung von Finanzmitteilungen"). Natürlich sind beide Transaktionssysteme mögliche künftige Konkurrenten zu SWIFT, jedoch angesichts der Möglichkeit weiterer westlicher Sanktionen ist nicht wahrscheinlich, dass westliche Banken bis auf weiteres daran teilnehmen werden beziehungsweise versuchen werden, westliche Sanktionen auf diese Weise zu umgehen.

Weiterhin sind Anleihen russischer Emittenten und Aktien russischer Firmen vom Handel an den westlichen Börsenplätzen ausgesetzt. Westliche Banken haben den Handel mit Rubel eingestellt, und russische Kreditnehmer erhalten keine Darlehen in zum Beispiel US-Dollar, Euro, Britischen Pfund und Kanadischen Dollar mehr. Vor allem die Währungsreserven Russlands, verwaltet von der russischen Zentralbank, sind zum großen Teil eingefroren; das gilt für Reserven in den Währungen der westlichen Welt, nicht aber für Russlands Guthaben in chinesischem Renminbi.

(Das führt übrigens zu einem Folgeproblem: Russland hat ausstehende US-Dollar-Anleihen, auf die Zins- und Tilgung zu zahlen sind. Wenn Russland nicht auf seine Fremdwährungsreserven zugreifen kann, kann auch der Schuldendienst nicht gezahlt werden, und es käme zu einem Kreditausfall - obwohl Russland ausreichend US-Dollar Guthaben hat, um seine Schulden zu begleichen. Die Leitragenden wären in diesem Fall die Sparer und Anleger im Westen, die Geld (über Lebensversicherungen, Fonds etc.) in russische Fremdwährungsanleihen investiert haben.)


Grenzen der "Financial Warfare"

Die Macht des US-Dollar ruht auf seiner weltweiten Akzeptanz als Zahlungsmittel. Die wird jedoch dann beeinträchtig, wenn, wie jüngst im Falle Russlands, staatliche Stellen und private Investoren befürchten müssen, dass ihre US-Dollar-Guthaben mitunter ihrem Zugriff entzogen werden könnten, dass ihnen also die Abhängigkeit vom US-Dollar-System zum Problem wird.

Staaten und private Akteure, die sich auf der politischen Linie mit der US-Regierung und ihrer Interessenlage befinden, werden das zunächst vermutlich nicht als gravierendes Problem ansehen. Jene Staaten und private Akteure hingegen, die befürchten, den Kurs der US-Regierung künftig möglicherweise nicht immer und überall mittragen zu können, werden vermutlich im US-Dollar nicht mehr einen "Safe Haven" erblicken.

Durch die jüngsten Ereignisse erhält so gesehen die viel beschworene These der "Ent-Dollarisierung" des Weltfinanzsystems neue Nahrung. Nach wie vor stellt der US-Dollar die größte Position dar innerhalb der Fremdwährungsreserven der Zentralbanken weltweit (siehe Abb. 1).

Im vierten Quartal 2021 beliefen sich die gesamten Devisenreserven der Zentralbanken weltweit auf 12,8 Billionen US-Dollar. Davon waren 55 Prozent oder 7,1 Billionen US-Dollar. Auf Platz zwei - bereits stark abgeschlagen - lag der Euro mit 2,5 Billionen US-Dollar Gegenwert oder 19,1 Prozent aller Fremdwährungsreserven. Die übrigen Währungen (wie japanischer Yen, Kanadischer Dollar, Britisches Pfund und chinesischer Renminbi) haben zwar in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, sie spielen aber Stand heute immer noch eine eher untergeordnete Rolle.

Bevor wir über das Szenario einer Ent-Dollarisierung der Weltwirtschaft und des Weltfinanzsystems genauer nachdenken, ist es angeraten, diesem Thema einige grundsätzliche Gedanken voranzustellen. - Es ist für die internationale Arbeitsteilung, den Handel und den allgemeinen Wohlstand förderlich, wenn mit einem einheitlichen Geld operiert wird. Warum? Mit Geld wird die Wirtschaftsrechnung betrieben.

Wenn alle mit dem gleichen Geld kalkulieren, dann wird die produktive Kraft des Geldes sozusagen optimiert. So gesehen ist eine "einheitliche Währung für alle" ökonomisch vorteilhaft. Aber: Es kommt natürlich darauf an, von welcher Qualität das einheitlich Geld ist. Ein US-Dollar-Fiat-Geld ist zwar "praktisch", aber leidet unter anderen schweren Defekten.

An dieser Stelle sei jedoch auf die Probleme des Fiat-Geldes nicht eingegangen. Es ist hier vielmehr die zentrale Fragestellung hervorzuheben: Wenn quasi Abschied vom US-Dollar als quasi Weltgeld genommen werden soll, was ist an seine Stelle zu setzen? Wenn immer mehr Marktakteure den US-Dollar meiden und es stattdessen vorziehen, den Handel in ihren nationalen Währungspaaren abzuwickeln, dann ist das zwar durchführbar, es wäre jedoch so etwas wie ein Zurückschreiten in die Welt der "Bartergeschäfte". Die grenzüberschreitende Wirtschaftsrechnung und der Handel werden erschwert, werden teurer und ineffizienter.

Wohlstandseinbußen wären die Folge, weil auch der Grad der internationalen Arbeitsteilung in Mitleidenschaft gezogen würde. Es käme zu einer Art "Balkanisierung" des Weltfinanz- und Wirtschaftssystems: Teile des bisher integrierten Finanzmarktgeschehens brechen aus der Gesamtarchitektur heraus. Es hängt entscheidend davon ab, wie ausgeprägt die geopolitischen Spannungen vor allem zwischen den Machtzentren USA und ihrer Anhängerschaft auf der einen Seite und zum Beispiel China, Russland und Indien sowie deren Anhängerschaft ausfallen werden.

Je stärker die Konfliktpotentiale anwachsen, desto wahrscheinlicher wird es, dass der Reservestatus des US-Dollar erodiert oder, im Extremfall, auch ganz verloren geht. Das Instrument der "Financial Warfare" der USA kann sich so gesehen, wenn es (weiterhin) im Zusammenhang der Konfliktbearbeitung zwischen Staaten aggressiv eingesetzt wird, als ein Brandbeschleuniger erweisen: Kurzfristig sind die USA in der Lage, ihre Interessen durchzusetzen, langfristig befördert es die Tendenz der Betroffenen, sich der US-Dollar-Dominanz zu entziehen.


Gold

Unter den herrschenden Bedingungen ist es wahrscheinlich, dass eine Ent-Dollarisierung des Weltfinanzsystems die Attraktivität des Goldes als Reservemedium (weiter) erhöht. Diese Entwicklungstendenz tritt bereits in den Daten der letzten 15 Jahre zutage. Abb. 3 zeigt die Goldbestände der Zentralbanken weltweit von 1959 bis Ende 2021.

Wie zu erkennen ist, bauten viele Zentralbanken ihre Goldbestände mit Beginn der 1990er merklich ab; für viele Zentralbanken erschien das Investieren in Schuldpapiere attraktiver zu sein als das Halten von Gold. Ab etwa Anfang 2009 jedoch kehrte sich der Trend um. Seither haben sich die Goldbestände in den Bilanzen der Zentralbanken wieder merklich erhöht. Das gilt allerdings nur in absoluter Betrachtung, nicht aber in relativer Betrachtung.


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