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Der Weg Europas

24.06.2011  |  Robert Rethfeld
Auch wenn sich die Geschichte nicht wiederholt, so existieren doch einige historische Gesetzmäßigkeiten, die bestimmte Handlungsmuster offenbaren. So fließt das Kapital stets dahin, wo innerhalb eines sicheren Umfeldes Geld vermehrt werden kann.

Eine weitere historische Wahrheit besteht darin, dass Hochkulturen im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte von kleineren Einheiten zu größeren Einheiten zusammen-wachsen. Ganz am Ende des Prozesses zerfällt die große Einheit aufgrund innerer und äußerer Einflüsse. Das war bei den Römern so, genauso wie bei den Griechen oder vorher im Falle der Babylonier. Nur die Ägypter verfügen über eine einigermaßen kontinuierliche Entwicklungsgeschichte, aber auch hier kam es zu wellenartigen "Aufs" und "Abs" inklusive langjährigen Fremdherrschaften.

Europa war schon immer eine der unruhigsten, aber gleichzeitig kreativsten Zonen der Welt. Die wechselnden Führungsansprüche (Griechen, Römer, Franken, Iberer, Habsburger, Holländer, Briten, Franzosen, Deutsche, Russen, sogar Schweden im 30jährigen Krieg) zu Land und zur See haben auf unserem Kontinent stets zu Friktionen, aber auch zum technischen Fortschritt geführt.

Als das römische Reich entstand und sich ausdehnte, war es ähnlich. Es gab zwar eine Fremdherrschaft, aber die Völker an sich existieren weiter und entwickelten sich weiter. Die Römer wussten ihre "Provinzen" lange Zeit durch die Devise "Divide et impera" (Teile und herrsche) in Schach zu halten.

Die Europäische Union ist aufgrund freiwilliger Vereinbarungen entstanden. Ohne den Schrecken des 2. Weltkriegs wäre eine solche Einigung wohl nicht angefasst worden. Aus der Vergangenheit ist mir kein Fall bekannt, wo sich Völker freiwillig zusammen schließen und ohne Zwang wichtige Kompetenzen an eine höhere Instanz abgeben.

Wenn die Entwicklung hin von kleineren zu größeren Einheiten in Hochkulturen eine natürliche ist (und das scheint so zu sein), dann muss man sich fragen, wer der Kern oder die treibende Kraft hinter der europäischen Einigung ist. Im römischen Reich war es Rom, im späten antiken Griechenland waren es die Mazedonier unter Alexander dem Großen.

Es ist zwar müßig, aber doch interessant zu betrachten, wie die Entwicklung von kleinen zu großen Einheiten in Europa ohne einen zweiten Weltkrieg ausgesehen hätte. Deutschland hätte - aufgrund seiner Lage, seiner Größe und seiner Wirtschaftskraft - eine dominierende Rolle eingenommen. Frankreich wäre die Nr. 2 auf dem Kontinent geworden und geblieben, hätte aber immer wieder gegen Deutschland "gestichelt". Eine solche Entwicklung wäre auch ohne den 2. Weltkrieg wahrscheinlich gewesen.

Wenn man heute Griechen, Iren, Portugiesen oder Spanier fragt, wer in Europa das Sagen hat, so wird der Name Angela Merkel am häufigsten genannt. In diesen Ländern hat man zunehmend das Gefühl, ein Vasallenstaat Deutschlands zu sein. Die Bemerkung, Deutschland habe die Ziele des zweiten Weltkriegs 60 Jahre später auf Umwegen erreicht, fällt häufiger. Der Entzug der Souveränität bringt die Menschen in Griechenland, Portugal oder Spanien auf die Straße. Genauso wie der Wunsch Deutschlands, "deutsche Maßstäbe" an das Verhalten der genannten Staaten anlegen zu wollen.

Ist Berlin das frühere Rom? Wie dauerhaft sind die Abhängigkeiten? Sicher ist, dass der Entzug der Souveränität Wunden hinterlässt, die dazu führen, dass sich der Unwille im Volk steigert. Hat Berlin seine Rolle bewusst forciert, als es die Agenda 2010 ins Leben rief? Nein. Es ist doch eher so, dass Berlin in die Führungsrolle gedrängt wurde. Einen politischen Herrschaftsanspruch über Europa kann man Deutschland nicht nachsagen. Die Deutschen sind viel zu sehr mit sich und ihrer Atomkraft beschäftigt. Deutschland ist "grünifiziert" und pazifistisch. Und die Wehrpflicht wurde jüngst abgeschafft.

Genauso wie die Stadt, in der ich lebe (Oberursel) die benachbarte, aber hoch verschuldete Gemeinde namens Steinbach nicht einmal mit den Fingerspitzen anfassen würde, so würde kein Deutscher auf die Idee kommen, Griechenland übernehmen zu wollen. Insbesondere nicht nach den Erfahrungen, die finanziell bei der Integration der DDR in die Bundesrepublik gemacht worden sind. Eine Transferunion will niemand.

Bei den Römern war es übrigens umgekehrt. Die zogen Geld "(Tribut)" aus ihren Provinzen heraus.




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