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Negativzinsen - wie weit noch?

02.02.2015  |  Klaus Singer
Die Fed hat am Mittwoch erneut signalisiert, dass sie die Leitzinsen später im Jahr erhöhen will. Zusätzlich hat sie ihre Einschätzung hinsichtlich des Zustands der US-Wirtschaft angehoben und spricht jetzt davon, dass sich die wirtschaftlichen Aktivitäten solide entwickelten. Vorher war von "moderat" die Rede.

Den Aktionären gefiel das nicht, der S&P 500 sank um 1,4% auf einen wichtigen Support bei 2002 und zugleich unter die EMA50. Die konnte am Folgetag nicht zurückerobert werden. Gestern brachte die erste Schätzung des US-BIP für das vierte Quartal 2014 einen weiteren "Missklang“. Es war ein Anstieg von 3% erwartet worden, heraus kamen lediglich 2,6%. Der S&P 500 kontrahierte um 1,3% auf 1995, schloss also unter der magischen Grenze von 2000.

In den zurückliegenden Jahren haben die FOMC-Mitglieder immer wieder eine stärkere Entwicklung des wirtschaftlichen Wachstums und eine schnellere Zinsanhebung vorhergesagt, als dann eingetreten ist. Die Bond-Märkte haben ihre eigene Vorstellung von der Zinsentwicklung. Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen hat ihre Abwärtsbewegung nach der FOMC-Sitzung fortgesetzt und notiert mittlerweile bei 1,675%.

Die Rendite der 30-jährigen notiert bei 2,251% und markiert beinahe täglich ein neues Allzeittief. Dementsprechend bewegt sich der TBond-Future mit 151,69 nahe am Allzeithoch wie zuletzt im Juli und November 2012. Ende Juli 2012 hatte EZB-Draghi verkündet, die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten. Mittlerweile gibt es Anzeichen für eine exponentielle Entwicklung, die üblicherweise (irgendwann) zu einer extremen Bewegung in die Gegenrichtung führt.

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Schaut man auf die Entwicklung der Renditen für die zweijährigen US-Staatsanleihen, die als besonders sensibel hinsichtlich der Leitzinserwartungen gelten, so sind sie nach der Fed-Sitzung ebenfalls weiter gesunken. Auch die impliziten Inflationserwartungen, die auf dem Rendite-Spread zwischen nominalen und inflationsindizierten Staatsanleihen beruhen, bewegen sich mit aktuell 1,6% für zehnjährige Anleihen seit mehreren Monaten nahe mehr-Jahres-Tief.

Der Bond-Markt wettet darauf, dass der Preistrend in den kommenden Monaten weiter nach unten zeigt und sieht nicht, dass der Zinszyklus bald neu startet. Auch die Auswertung der Spreads zwischen der Rendite der 13-wöchigen TBills und den Fed-Funds-Rates (effective und Target) zeigt schon seit April 2014 keine Erwartung steigender Leitzinsen an (Chart hier!).

Relativ gesehen führen die QE-Maßnahmen im Ausland zu einer restriktiveren Geldversorgung in den USA. Dazu kommt, dass auch die sinkenden Rohstoffpreise der Fed zeitlichen Spielraum für eine Zinsanhebung geben.

Zum Inflationsthema in den USA gibt es zwei Anmerkungen: Zum einen bekommen Lohnsteigerungen Unterstützung dadurch, dass seit Jahresanfang in 20 Staaten die Mindeslöhne angehoben wurden. Zum anderen zeigt eine Aufstellung des „Bureau of Labor Statistics“ für Dezember signifikante Anstiege bei zahlreichen Güter des täglichen Bedarfs gegenüber dem Vorjahresmonat. Dass dies bisher nicht durchschlägt, hängt u.a. mit der Dollaraufwertung und dem Ölpreisverfall zusammen.

So lange also keine Zinswende in Sichtweite rückt, werden professionelle Investoren das Spiel mit Staatsanleihen weiter spielen. Sie spielen dieses Spiel üblicherweise gehebelt, setzen z.B. nur ein Zehntel der zu investierenden Summe aus eigenen Mitteln ein und nehmen für den Rest einen Kredit in Anspruch. Da die Zinsen für Zentralbankgeld vernachlässigbar sind, ergibt sich daraus ein profitables Hebelgeschäft - aber nur so lange die Bondkurse weiter in die erwartete Richtung laufen.

Die Bank of America Merrill Lynch schätzt, dass 25% des 5,8 Bill. Dollar großen Markts für Staatsanleihen der Eurozone mit negativen Renditen gehandelt werden. Nach der Entscheidung der EZB für QE-Maßnahmen sind die Renditen weiter gefallen. Die Kurse sind weiter gestiegen und darauf kommt es an, wenn man Staatsanleihen als Trading-Position ansieht. Auf den Punkt gebracht: Diejenigen, die solche Bonds handeln, nehmen es in Kauf, dem Schuldner, der diese Papiere emittiert, etwas dafür zu zahlen, dass man ihm seine Schulden abkauft.

Die Volkswirtschaftslehre hat jahrzehntelang das "Zero Bound"-Mantra gepredigt: Zinsen könnten nicht unter Null sinken, weil ansonsten die Cash-Haltung vorgezogen wird. Das ist nun Vergangenheit. Zunächst wurden im vergangenen Jahr die kurzfristigen Zinsen auch in Deutschland negativ, jetzt rentieren nur noch Anleihen mit mehr als fünf jahren Restlaufzeit positiv. Dieser Zustand ist auch in Japan und Finland erreicht. Frankreich ist auf dem Weg dahin.

In der Schweiz ist die Rendite schon für Laufzeiten von zehn Jahren negativ. Die USA ist noch nicht so weit, aber vermutlich sind auch dort negative Zinsen zumindest am kurzen Ende nur eine Frage der Zeit. Die Renditen sind dort im internationalen Vergleich immer noch recht hoch - Grund genug dafür, dass Bond-Spekulanten hier noch deutliches Kurspotenzial sehen.

Historisch gibt es wenig Vorbilder für negative Zinsen. Selbst nach 1929 blieben die kurzfristigen US-Renditen bei Null festgetackert (sie kamen von 5,8% im Jahre 1920 her und lagen noch im Mai 1929 bei 5,1%).

Hinsichtlich des aktuellen Ausmasses der Liquiditätsschwemme gibt es ebenfalls keine wirklichen historischen Vorbilder, sie ist in Verbindung mit niedriger und sinkender Inflation die Rahmenbedingung für negative Zinsen. Gründe dafür, dass man als Investor, der über große Summen verfügt, negative Zinsen in Kauf nimmt, gibt es einige. Zunächst ist auch die Cash-Haltung großer Summe außerhalb des Bankensystems mit Kosten verbunden, weil man sich das Geld nicht mal so eben unter das Kopfkissen legen kann.


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