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Der Bitcoin Wahn

09.02.2018  |  Markus Mezger
- Seite 5 -
Einflußreiche Miner wechselten kurzzeitig die Seiten, wodurch es in beiden Netzwerken zu extremen Preisschwankungen kam. Die Zersplitterung des Bitcoin-Systems in alternative Systeme (sogenannte Hardforks) wird weitergehen, solange es für das Bitcoin-Netzwerk kein glaubwürdiges Gremium gibt, das die Regeln im Netzwerk begründet und festgelegt.

Eine willkürliche Begrenzung des Geldangebots ist aber auch aus anderen Gründen mehr als fragwürdig. Die Hauptfunktion von (Bar)Geld ist es, dass es als wertbeständiges Tauschmittel und Recheneinheit zwischen den Wirtschafssubjekten zirkuliert. Der Teil des Geldeinkommens, der nicht für laufende Geldausgaben und zur Bestreitung des Lebensunterhalts gebraucht wird, wird bei klassischen Währungen Kreditsuchenden entweder direkt über die Kapitalmärkte oder indirekt über die Mittlerfunktion des Bankensystems zur Verfügung gestellt.

Das Bitcoin-System erfüllt beide Funktionen nur eingeschränkt bzw. gar nicht. Als Zahlungsmittel für Geldtransaktion ist es aufgrund eines ineffizienten Verbuchungsverfahrens und eben gerade auch wegen der künstlichen Angebotsbeschränkung, die sich in keinster Weise an der Nachfrage orientiert, nur in begrenztem Maße einsetzbar.

Eine Giralgeldfunktion in Form von Bitcoin-Kredit- und Kapitalmärkten gibt es ebenfalls nur in Ansätzen. Wenn eine Hauptmotivation hinter der Schaffung des Bitcoin-Systems der Gedanke gewesen ist, den Anspruch auf Zentralbankgeld (Giralgeld) durch eine direkte elektronische Geldeinheit zu ersetzen, die keine Forderung repräsentiert, dann wäre es widersinnig, Bitcoin-Kredite zu vergeben, die je nach Bonität des Kreditnehmers auszufallen drohen.

Nein, das Bitcoin-System ist nicht als Zahlungs- und Kreditmittel, sondern nach dem Vorbild von Gold als spekulatives Wertaufbewahrungsmittel gestaltet worden. Als eine jederzeit und von überall mobilisierbare Notfallreserve in Krisenzeiten. Aber im Gegensatz zu manchen Metallen sind Bitcoins nicht knapp. Sie müßten nicht mühsam geschürft werden. Im Gegensatz zu Gold können sie als Output eines Computerprogramms einfach und mit geringsten Kosten hergestellt werden.

Höhere Kosten fallen nur an, wenn aufgrund eines künstlich hohen Schwierigkeitsgrades ein ansonsten sinnfreier Rechenaufwand betrieben wird. Die künstlichen Schwierigkeiten sind ebenso wie das Versprechen einer Begrenzung des Bitcoin-Angebots reine Konventionen eines anonymen Netzwerkes, die jederzeit, wenngleich nicht ohne technische Schwierigkeiten, aufgehoben werden könnten. Im Gegensatz zu den Zentralbanken ist die Bitcoin-Nutzergemeinde nicht durch ein Gesetz verpflichtet, den Wert des Bitcoin zu erhalten.

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Quelle: Thomson Reuters Datastream


Ad 8. Preisvolatilität

Auch als Recheneinheit eignet sich der Bitcoin nicht. Da der Bitcoin-Preis gegenüber gesetzlichen Zahlungsmitteln extrem schwankt, - eine tägliche Auf- oder Abwertung des Bitcoin zum US-Dollar im zweistelligen Prozentbereich ist keine Seltenheit - müssen Warenpreise in Bitcoin ständig angepaßt werden. Bei einem Bitcoin-Kurs von aktuell knapp 10.000 USD müssen kleine Preise mit vielen Dezimalstellen hinter dem Komma versehen werden. Der Bitcoin ist die schwankungsanfälligste aller Währungen.

Die auf Tageskursen berechnete Volatilität des Bitcoin-Kurses zum USD betrug seit Jahresanfang 2017 bis Anfang Februar 2018 41,6%, wobei die Volatilität bei einem so starken Trend vermutlich das falsche Maß ist, da sie lediglich auf Renditedifferenzen zum Renditemittelwert abstellt. Ein Wertpapier, das jeden Tag exakt um 10% stiege, hätte demnach eine Volatilität von Null Prozent. Aussagekräftiger ist in diesem Fall die prozentuale Differenz zwischen Hoch- und Tiefkurs über einen bestimmten Zeitraum. Seit Jahresbeginn 2017 sind das 2.332%, seit August 2011 sind es unfaßbare 845.461%.


Ad 9. Sicherheit

Kein Zahlungsmittel ist vollkommen fälschungs- oder einbruchssicher. Dennoch bieten elektronische Zahlungsmittel, die zudem zu einem Pseudonym transferiert werden können, für das nicht einmal eine Adresse hinterlegt werden muß, natürlich einen besonderen Anreiz für kriminelle Aktivitäten. Mit den wachsenden Online-Aktivitäten ist Ende der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts das Phishing aufgekommen. Mittels gefälschter Webseiten versuchen Hacker Nutzern Zugangsdaten zu entlocken, um Zahlungsmittel anschließend in Länder zu transferieren, in denen eine Strafverfolgung schwer möglich ist.

Große Hacker Communities existieren dem Vernehmen nach u.a. in Osteuropa, insbesondere in Rußland und Rumänien. Immer wieder wurden auch Bitcoin-Guthaben erfolgreich gehackt. Der spektakulärste Fall war der Zusammenbruch der japanischen Bitcoin Börse Mt. Gox. Im Februar 2014 stellte Mt. Gox einen Insolvenzantrag, nachdem 750.00 Bitcoin an Kundengeldern und 100.000 Bitcoin an eigenem Geld einfach "verschwunden" waren, angeblich durch einen Hacker-Angriff. Im März 2014 hatte Mt. Gox dann 200.000 Bitcoin "plötzlich wiederentdeckt".

Der Witz an der Geschichte ist, dass der Anspruch der Gläubiger gegen Mt. Gox von einem japanischen Gericht auf der Basis des Bitcoin-Kurses vom Februar 2014 mit einem Gegenwert von 413 Millionen USD festgestellt wurde. Die "wiedergefundenen" 200.000 Bitcoin wurden angeblich jedoch noch nicht verkauft und haben heute einen Gegenwert von ca. zwei Milliarden USD. Die Eigentümer von Mt. Gox könnten also trotz Pleite aus der Geschichte mit einem netten kleinen Profit herauskommen.


Ad 10. Unreguliertheit

Bis jetzt ist das Bitcoin-System noch weitgehend unreguliert. Während bei Waren- und Dienstleistungstransaktionen, die in einer klassischen Währung abgewickelt werden, fast überall auf der Welt Mehrwertsteuer abgeführt werden muß, ist diese Frage im Bitcoin-System meines Wissens ungeklärt. Was geklärt ist, ist der Punkt, welche Steuern fällig werden, wenn Bitcoins als Spekulationsobjekt gehalten werden. Auf Käufe oder Verkäufe von Bitcoin fallen analog zu Wertpapieren oder Devisen keine Mehrwertsteuer an. Gewinne aus solchen Transaktionen sind steuerfrei, sofern die Bitcoins länger als ein Jahr gehalten wurden.

Einkommen aus dem Bitcoin-"Mining" werden in Deutschland unter Gewerbeeinkünften erfaßt, die angefallenen Kosten (Strom, IT, Manpower) dürfen gegengerechnet werden. Unreguliert sind noch Kapitalbewegungen. Während es bei Bargeld eine Vielzahl von Meldepflichten und Geldwäschevorschriften gibt, genießt das Bitcoin-System hier noch Narrenfreiheit, was dem ein oder anderen Politiker schon sauer aufstößt. Das österreichische EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny wird im Januar 2018 in der Süddeutschen Zeitung mit den folgenden Worten zitiert:

"Es kann doch nicht sein, dass wir gerade beschlossen haben, den 500-Euro-Schein nicht mehr zu drucken, um Geldwäsche zu bekämpfen und jedem noch so kleinen Sparverein strenge Regeln aufbrummen, um dann zuzusehen, wie weltweit munter mit Bitcoin Geld gewaschen wird. Da besteht Handlungsbedarf".


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