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Der Bitcoin Wahn

09.02.2018  |  Markus Mezger
- Seite 6 -
Bezeichnend für die Zukunft des Bitcoin könnte das Ende von E-Gold gewesen sein. E-Gold war ein früher Vorläufer von Bitcoin, gegründet im Jahr 1996 und mit dem Beginn der Goldhausse ab dem Jahr 2000 schnell prosperierend. Das System war einfach aufgebaut. Die Teilnehmer eröffneten unter einem Pseudonym bei der Gold & Silver Reserve Inc. ein Goldkonto, auf das sie gesetzliche Zahlungsmittel einzahlten, die dann zum aktuellen Kurs in physisches Gold umgewandelt wurden. Warenkäufe, die mit E-Gold vorgenommen wurden, wurden in Bruchteilen einer Goldunze bezahlt. Die kleinste Einheit war ein Zehntausendstel Gramm Gold.

Im Jahre 2004 sollen über eine Million Konten eröffnet gewesen sein und E-Gold war ein verbreitetes Zahlungsmittel im E-Commerce. Das Ende dieser vermeintlichen Erfolgsstory wurde durch einen regulativen Eingriff bewerkstelligt. Obwohl der Systembetreiber mit den Regulationsbehörden zusammenarbeitete und ihm noch im Januar 2006 vom US-Finanzministerium versichert wurde, dass für sein Geschäftsmodell keine Geldvermittlerlizenz gemäß dem USA Patriot Act vonnöten sei, klagten die US-Behörden in einer verschärften Anwendung des Gesetzes E-Gold (und später konkurrierende Systeme wie z.B. e-Bullion) gerade für das Fehlen dieser Geldvermittlerlizenz erfolgreich an.

Das zeigt, dass ein Staat wenig zimperlich sein- und im Zweifel auch auf den Rechtsgrundsatz nulla poena sine lege verzichten kann, wenn er vitale eigene Interessen bedroht sieht. Das Verfahren lief in den Jahren 2006 bis 2008 und es mag dazu beigetragen haben, das Bitcoin-System als dezentrales Netzwerk auszugestalten.


Ad 11. Verteilungsgerechtigkeit

Besonders viel zu verlieren haben die Benutzer der ersten Stunde, die mit dem Bitcoin-System bei gegenwärtigen Marktpreisen zu Millionären oder gar Milliardären geworden sind. Die Personen, die schon früh dabei waren und sich eine große Anzahl von Bitcoins verschaffen konnten, werden als Bitcoin-Wale bezeichnet. Eine direkte Zuordnung von Bitcoin-Einheiten zu Einzelpersonen ist nicht möglich, da ja, wie oben erläutert, Einzelpersonen eine Vielzahl von Pseudonymen (Bitcoin-Adressen) verwenden. Aber bereits eine Vermögenszuschreibung allein auf der Basis der Bitcoin-Adressen offenbart die extreme Ungleichverteilung des Bitcoin-Systems.

Eine Studie aus dem Jahr 2016 sah 20% aller zu diesem Zeitpunkt existierenden Bitcoin-Einheiten auf nur 115 Adressen verteilt. Der größte Bitcoin-Wal ist der Legende nach Satoshi Nakomoto - Sie erinnern sich, der Initiator des Bitcoin-Systems, dessen Identität nicht geklärt ist - mit einem vermuteten Vermögen von einer Million Bitcoin-Einheiten. Der aktuelle Gegenwert dieser Position ist knapp 10 Milliarden US-Dollar. Wenn Sie durch ein selbst ersonnenes Schneeballsystem in kurzer Zeit reich geworden sind, werden Sie vermutlich angestrengt darüber nachdenken, wie Sie wenigsten einen Teil dieses Reichtums in gesetzliche Zahlungsmittel oder andere Vermögensarten transformieren können.

Ein Direktverkauf der Bitcoin-Einheiten scheint ebenso absurd, als wolle Bill Gates seine Microsoft-Aktien alle auf einmal an der Börse verkaufen. Da das Bitcoin-System ein offenes Transaktionsregister ist, läßt sich für jeden Teilnehmer leicht nachvollziehen, wann die zuerst emittierten Bitcoin bewegt werden. Der Ausstieg der Insider der ersten Stunde hätte neben der fehlende Marktiefe und Liquidität noch eine verheerende psychologische Wirkung auf die Personen, die später eingestiegen sind. Die Folge wäre ein schneller Wertverfall in Richtung des inneren Werts der Bitcoin-Einheiten: der Null. Ihr virtuelles Bitcoin-Vermögen wäre wie Schnee in der Sonne zusammengeschmolzen, ohne dass Sie groß Stücke losgeworden wären.

Also muß ein anderer Weg her. Einer, der den neu in das System Eintretenden die Illusion beläßt, auch sie könnten mit dem Bitcoin noch reich werden. Am besten Sie bauen um den Bitcoin herum eine ganze Palette von Produkten, die den angeblichen Erfolg ihrer "Währung" signalisieren. Zum Beispiel einen laufend aktualisierten Bitcoin-Index, auf den strukturierte Produkte aufgelegt werden können. Einen Bitcoin-Future (tatsächlich sind es schon zwei Futures), der ihnen wenigstens teilweise ein Hedging ihrer Position ermöglicht oder gar Bitcoin basierte Wertpapier- und Kreditmärkte, die dem Ganzen den Anstrich geben, es handele sich beim Bitcoin um eine ganz normale "Währung", die einfach besser ist als alle anderen Währungen.

All dies lassen Sie von einem unkritischen Umgang der Medien mit dem Thema flankieren und heraus kommt im optimalen Fall eine Melange aus Überzeugungstätern und Spekulanten, die einen noch Dümmeren zur Realisierung ihrer Gewinne suchen (Bigger-Fool-Theorie). Aber wie sagte bereits ein österreichischer Pokerspieler treffend zu diesem Thema:

"Wenns Du den Dummen im Raum net erkennst, bist des am Ende selbst".


Was bleibt?

Um diese Frage zu beantworten, sollte zwischen dem Zahlungsmittel Bitcoin und der Blockchain-Technologie unterschieden werden. Nach den obigen Ausführungen ist kaum vorstellbar, dass der Bitcoin als Geldersatz eine große Zukunft vor sich hat. Die grundsätzliche Problematik des Zahlungsmittel Bitcoin lässt sich nicht lösen. Entweder der Bitcoin bleibt ein dezentrales Netzwerk prinzipiell gleichberechtigter Nutzer (Peer to Peer Netzwerk), das aufgrund vielfältiger Problematiken in der Ausgestaltung eher früher als später in der Bedeutungslosigkeit verschwinden wird. Oder es hat den Anspruch sich als alternatives Zahlungssystem zu etablieren, das in Konkurrenz zu anderen Zahlungsdienstleistern wie VPay oder Visa steht.

In diesem Fall müssen große Effizienzsteigerungen im Transaktionsdurchsatz geleistet werden. Dies wiederum geht nur bei einem Verzicht auf Dezentralität und bei einer Spezialisierung einzelner großer Gruppen auf die Kernfunktion der Transaktionsverbuchung, die ohne künstliche Schwierigkeitsgrade und die Verschwendung von IT- und Energieressourcen auskommen muß. Für den Nutzer eines solchen Netzwerks stellt sich allerdings dann die Frage, welchen Vorteil er noch gegenüber den anderen etablierten Zahlungsdienstleistern hat.

Aber selbst wenn es dem Bitcoin-Netzwerk gelänge, hinsichtlich Kosten und Transaktionsdurchsatz konkurrenzfähig zu werden, bliebe das Verfahren der Neuemissionen von Bitcoin mehr als fragwürdig. Dass ein paar hochspezialisierte IT-Firmen die Seignorage, also die Differenz zwischen Herstellungswert und Gebrauchswert einer Währung, für einen im Kern einfachen Verbuchungsvorgang einsacken, läßt sich kaum rechtfertigen (auch nicht durch künstlich hochgetriebene Kosten der Bitcoin-Erstellung). Die Seignorage war schon immer ein beliebter Geldsegen für die Mächtigen dieser Welt. Jedes kleinste Fürstenhaus hatte im 18. Und 19. Jahrhundert sein eigenes Bargeld ausgegeben.

Selbst bei Goldmünzen ließ sich durch Münzverschlechterungen, das heißt durch eine Herabsetzung des Goldgehalts bei gleichbleibendem Nominalwert, noch ein Zusatzertrag erzielen. Kein Wunder, das mit dem Aufkommen der Nationalstaaten dieser Währungsvielfalt ein Ende gesetzt wurde, indem der Staat die Seignorage für sich beanspruchte und die Geldemission in Notenbanken zentralisierte. Das heutige Fiat-Geld kommt in die Welt, indem die Notenbank gegen Hereinnahme von überwiegend Staatsanleihen Zentralbankgeld ausgibt. Zuerst leiht sich der Staat für seine Ausgaben Kapital und danach kauft es eine andere staatliche Stelle wieder zurück, indem sie das Land mit einem Zahlungsmittel beglückt.

Damit die privaten Banken das schlucken, wurde ihnen durch Fractional Reserve Banking und Giralgeldschöpfung ebenfalls das Recht zur wundersamen Geldvermehrung eingeräumt. Ein derartiges System kann sich nur durchsetzen, indem die Menschen dazu gedrängt werden, dieses Geld auch zu benutzen. Dies wird bei gesetzlichen Zahlungsmitteln durch den Annahmezwang gewährleistet. Ein Privileg, das Bitcoin nie genießen wird, da kein Staat auf Seignorage verzichten mag.

Als Zahlungsmittel und Zahlungssystem wird der Bitcoin sich also nicht durchsetzen. Anders könnte das bei der zugrundeliegenden Verschlüsselungstechnologie aussehen. Die Blockchain ist nichts anderes als ein Register, in das unter bestimmten Regeln Informationen abgelegt werden. Die Kryptologie erlaubt allen Nutzern eine eindeutige Verifikation, von wem die Information zu welchem Zeitpunkt in einem Block abgelegt wurde.

Die Informationen sind in der Blockchain mit einem mathematischen Wert (Hashwert) verknüpft. Eine Manipulation oder eine Änderung der Daten ist nicht möglich, da sich dann andere Hashwerte ergeben würden. Das kling zunächst einmal ein wenig abstrakt. Aber die Blockchain-Technologie verfügt über den Vorzug, Nachweise darüber erbringen zu können, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt existiert haben. Eine nachträgliche Datenmanipulation in der Art der sowjetischen Geschichtsschreibung oder die beliebte Ausrede des Nichtgewußthabens sind dann nicht mehr möglich.

Die Anwendungen der Technologie sind vielfältig. Ein Einsatz wäre zum Beispiel in Netzwerken denkbar, in denen ein 51% Angriff ausgeschlossen werden kann, da die Nutzer vertraglich dem gleichen Zweck verpflichtet sind und über die gleiche IT-Ausstattung verfügen. Also zum Beispiel in Firmennetzwerken, in denen buchhalterische Informationen wie z.B. Materialbestände verwaltet werden. Oder bei öffentlichen staatlichen Registern und bei Attesten oder Berufsabschlüssen, wo in einer Blockchain eindeutig verzeichnet ist, welche Dokumente ausgestellt wurden.

Gefälschte Dokumente wären wertlos, weil sie mit keinem Eintrag in einer Blockchain korrespondieren. Über die zweiteilige Signatur ließe sich zum Beispiel auch der Gebrauch von Gegenständen autorisieren. Mietautos könnten direkt starten, wenn der Benutzer mit einer kryptografischen Signatur nachweist, daß er die Berechtigung für dieses Fahrzeug hat. Die IT-Spezialisten, die heute ihr Geld noch mit der Programmierung von Bitcoin-Systemen zur Abwicklung von Finanztransaktionen verdingen, müssen also nicht (alle) auf dem "Müllhaufen der Geschichte" (Trotzki) landen. Wenn das mal kein versöhnliches Schlußwort ist.


© Markus Mezger


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