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Anleger im Corona-Griff

27.12.2020  |  Manfred Gburek
Die kommenden Tage bis zum Jahresende werden es nicht nur für Anleger in sich haben. Denn außer den in solchen Fällen üblichen Terminen müssen Anleger die Großwetterlage an den Börsen mehr als sonst verfolgen. Der Grund leuchtet ein: Corona hat ihre Spuren hinterlassen und dreht, ausgehend von der britischen Insel, eine weitere Rund.

Nun betreten wir ein Mal mehr in diesem Jahrzehnt nicht nur finanzielles Neuland, sondern auch durch die Pandemie ausgelöste politische Umbrüche. Demonstrationen, wo man hinschaut. Wer da streikt, lässt sich bestenfalls so umschreiben: Besonders viele, die mit ihrer persönlichen Lage unzufrieden sind, etwa weil sie zusammen mit ihren Kindern in zu kleine Wohnungen eingepfercht leben müssen und nicht mehr beliebig nach draußen dürfen, die finanziell nichts mehr zusetzen können, außerdem alle Gruppen von Menschen, die einfach nur ihren Unmut äußern wollen, bis zu Verschwörungstheoretikern.

Das alles wird sich auf die kommende Bundestagswahl auswirken, die mehr als ihre Vorgängerinnen zu einer Protestveranstaltung zu werden droht. Wie in ihren Einzelheiten, lässt sich aber nur erahnen. Eines steht jedenfalls schon jetzt fest: Das für die aktuelle Pandemiebekämpfung zuständige politische Trio Merkel/Spahn/Scholz einschließlich der Brüsseler Bürokraten ist mit dieser Aufgabe offenkundig überfordert. Diese Schlussfolgerung liegt nahe, was unter anderem daraus zu erklären ist, dass die Bundesbürger derzeit nach jedem politischen Flop eine neue Beruhigungs-Geldspritze verpasst bekommen.

Finanzminister Olaf Scholz lässt dann fast jedes Mal mit einem zusätzlichen "Wumms" den Wunsch nach mehr finanzieller Gerechtigkeit folgen - die Staatskasse gibt es ja vermeintlich her. Immer mehr Schulden, das ist die Devise, international "wissenschaftlich" untermauert als "Modern Monetary Theory".

Wie kann das alles überhaupt funktionieren? Ganz einfach - wenngleich in den Konsequenzen unabsehbar – wie folgt: Man schnüre ein Fiskalpaket des Staats einschließlich der EU (Schulden) mit Quantitative Easing-Maßnahmen der Notenbanken (ebenfalls Schulden), fertig ist ein neues Konjunkturprogramm.

Von daher leiten viele Vermögensverwalter und Fondsmanager derzeit ihren Börsenoptimismus ab. Denn das viele Geld fließt ja nur teilweise auf Sparkonten und in Schließfächer, sondern in Aktien und Immobilien, von Fall zu Fall auch in Gold und andere Edelmetalle. Entscheidend wird während der nächsten Monate sein, wie lange dieser Trend anhält. Erholt sich die Konjunktur nur schleppend, bleibt er bis auf Weiteres bestehen. Erholt sie sich dagegen kräftig, sind Anleger gut beraten, zumindest solche Aktien zu verkaufen, deren Kurspotenzial wegen Überbewertung ausgeschöpft erscheint. Einzelheiten, zum Beispiel Firmenporträts und Kennzahlen, kann man der laufenden Berichterstattung entnehmen.

Manche Anleger, darunter vor allem Börsenanfänger, fragen sich, warum Aktienkurse ausgerechnet bei schlechter Konjunktur steigen und bei guter Konjunktur fallen. Klare Antwort: Weil an der Börse die Zukunft gehandelt wird. Diese Begründung, so plausibel sie zunächst erscheinen mag, hat allerdings zwei Schönheitsfehler: Erstens gilt sie nicht für klassische Wachstumsaktien wie Amazon oder Alphabet; und zweitens ist die Dauer der Entwicklung von Aktienkursen nicht vorhersehbar.

Schön und gut, werden Aktienoptimisten jetzt einwenden, aber diese Scharte könne man doch mithilfe von Charts auswetzen. Antwort: Ja und nein. Ja, falls Charts mit viel Anlegergefühl für Kursausschläge lange verfolgt werden und fundamentale Daten wie Gewinnentwicklung, freier Cashflow, gutes Management und einige mehr nicht zu kurz kommen. Nein, falls Charts so lange hin und her geschoben werden, bis sie in irgendein Schema passen, sei es die viel gebrauchte 200-Tage-Linie, seien es Kopf-Schulter-Formationen oder - besonders schlimm - Indexcharts, weil sie ein Mischmasch aus vielen Einzelcharts sind, sodass sie keine Aussagekraft haben.

Zum Schluss noch einige grundsätzliche Anmerkungen, die aktuell von besonderer Bedeutung sind. Beginnen wir mit Angst und Gier, den beiden Faktoren, die im Börsenprofilager zurzeit stark diskutiert werden, weil die Kurse heiß gelaufen zu sein scheinen. Dazu kann man nur anmerken: Gut, dass es diese Diskussion gibt, damit sich alle darüber im Klaren sind, dass Aktien nicht allein rational, sondern auch emotional gehandelt werden. Wie lange wird diese Phase anhalten? Niemand weiß es, und Kursziele erübrigen sich allein schon deshalb, weil sie dieses Nichtwissen implizieren.

Aktien sind wichtige Bausteine für die individuelle Finanzplanung. Das klingt zunächst überzeugend. Doch was kann man sich unter einer solchen Planung vorstellen? Fonds als Daueranlage? Ein von verschiedenen Beratern zusammengestelltes Portfolio unter besonderer Beachtung spezifischer Chancen und Risiken? Bestandteil einer langfristig ausgerichteten Anlagestrategie unter zusätzlicher Beachtung von Immobilien, Edelmetallen, Anleihen und sonstigen Bausteinen? Sich diese und ähnliche Fragen mindestens ein Mal jährlich zu stellen, kann jedenfalls sehr nützlich sein.

Ein Faktor, der dabei eine sehr große Rolle spielt, ist das Timing - womit wir in der Börsenrealität angekommen sind. Denn richtiges Timing bedeutet, mit dem Wechsel von Liquidität zu Aktien und umgekehrt mehr Erfolg zu haben als andere Anleger. Und zu dieser Realität gehört, die Kursentwicklung gerade jetzt täglich zu verfolgen, weil hohe Kursgewinne rund um den Globus zu erzielen sind. Wie lange noch, bleibt derweil offen. Aber wahrscheinlich ist diesbezüglich schon so manche Unternehmensinformation und der eine oder andere Chart von Nutzen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei www.gburek.eu: Der etwas andere Ausblick


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