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Warum noch fleißig sein?

05.06.2021  |  Prof. Dr. Eberhard Hamer
Die 5 Millionen Unternehmer unserer Klein- und Mittelbetriebe sind nach der Mittelstandsforschung¹ nicht nur die Kernleistungstruppe unserer Marktwirtschaft, sondern tragen auch am meisten Verantwortung, sind die wichtigsten Entscheidungsträger, haben das höchste Risiko, in ihrer Funktion die höchste Qualifikation und arbeiten mehr als alle anderen Bevölkerungsgruppen. Der quantitative und qualitative Anteil von Unternehmern innerhalb der Bevölkerung sowie deren Motivation wurden sogar als Wachstumsindikator jeder markwirtschaftlichen Volkswirtschaft ausgemacht².

Wenn also die Zahl der Unternehmer und/oder ihre Motivation schwindet, also eine Unternehmerlücke entsteht, kommt es auch zu Einbrüchen bei Investitionen, in der Produktion, im volkswirtschaftlichen Wachstum, im Arbeitsmarkt, in den öffentlichen Finanz- und Sozialeinnahmen, also zu Wohlstandsverlusten und zu Verarmung.

Zum ersten Mal in unserer Wirtschaftsgeschichte hat eine Regierung unnötigerweise und sogar verhängnisvoll ganze mittelständische Branchen stillgelegt, ihnen die Produktion oder Dienstleistung verboten bzw. unmöglich gemacht und somit die unternehmerische Leistung abgewürgt: Lockdown, Wirtschaftsstopp. Dies zeigte vor eineinhalb Jahren und jetzt bereits Wirkung:

• Unsere über 1 Million Soloselbständigen hatten die geringsten Reserven, konnten am wenigsten durchhalten und mussten zu Hunderttausenden aufgeben.

• Die Gastronomie sitzt zu etwa 80% in gemieteten Räumen, musste weiter hohe Mieten zahlen, obwohl sie schließen musste. Auch von ihnen wird vielleicht die Hälfte die staatliche Zwangsschließung nicht überleben.

• Messebau, Touristik, Hotellerie und Gesundheitshandwerk wurden so beschränkt, dass viele von ihnen inzwischen ihre Reserven verbraucht und aufgegeben, aber noch nicht Insolvenz erklärt haben.

Wenn also nach der 3. oder 4. Corona-Welle die staatliche Zwangswillkür des Wirtschaftsstopps wieder aufgehoben wird, dürfen mehr als 1 Million mittelständischer Unternehmer einen neuen Aufschwung nicht mehr mitmachen. Die verlorenen Unternehmer sind eine "Unternehmerlücke"³.

Dazu beigetragen hat auch, dass der Staat dem Mittelstand nur dürftig und meist nur mit Krediten (also Zusatzlasten) aushalft, die Konzerne aber mit Milliardenbeträgen so üppig förderte, dass sie davon sogar hohe Dividenden an ihre ausländischen Fonds zahlen können. Den beschäftigungslosen Arbeitnehmern zahlt der Staat Kurzarbeitergelder.

Auf die quantitative Unternehmerlücke unserer Volkswirtschaft durch 1 Million aufgebende Unternehmer folgt nun zusätzlich eine qualitative Unternehmerlücke in Form eines Motivationsverlustes der übrigen Unternehmer. Befragungen des Mittelstandsinstituts Niedersachsen haben nämlich ergeben, dass sich mehr als ein Drittel unserer Unternehmer mit der Frage quält, ob es überhaupt noch lohnt, weiterzumachen, ob man nicht aufhören soll. Als Gründe wurden immer wieder angegeben: Überregulierung, bürokratische Überbelastung, die höchste Steuer- und Sozialabgabenbelastung der Welt und jetzt die Angst vor einer politischen Herrschaft der grünen Öko-Ideologen, Wirtschafsfeinde und Unternehmerhasser.

Zum ersten Mal greift auch noch zusätzlich und zeitgleich unter immer mehr Arbeitnehmern Lustlosigkeit und Demotivation um sich ("innere Kündigung").

Bisher waren zuerst die niedrig bezahlten Berufe frustriert, weil "zu wenig Netto vom Brutto übrigblieb", weil es wegen der Differenz zu Sozialleistungen "nicht mehr zu arbeiten lohnt", weil "meine Leistung nicht zählt" (36%). Kein Wunder, wenn unser bestausgebildetes, aber zu niedrig bezahltes Handwerk unter Gesellenflucht und Lehrlingsmangel leidet und die Zahl der Betriebe allein dadurch zurückgeht.

Ein weiterer Schwerpunkt des Motivationsverlusts lag nach den Befragungen des Mittelstandsinstituts bei den über 50jährigen Arbeitnehmern: Zwei Drittel der über 60jähren "wollen nur noch gesund die Rente erreichen", "wollen sich nicht mehr anstrengen", "nehmen vermehrt Krankheitsfreizeit". Für sie ist nicht mehr der Betrieb und die Arbeit, sondern sind andere Lebensziele vorrangig, z.B. Familie oder Freizeithobbys, vor allem Reisen.

Aber auch die über 50jährigen Selbständigen wollen sich zu 32% "nicht mehr kaputtmachen", "es ruhiger angehen lassen", "die Hektik nicht mehr mitmachen", haben einen Präferenzenwechsel⁴ von ökonomischen zu außerökonomischen Lebenszielen vollzogen (ausgesorgt statt ausgelaugt) und sind deshalb mit geringerer Motivation "nicht mehr voll bei der Sache". Zum Teil wurden Motivatinsdefizite der Arbeitnehmer bisher durch Automatisierung und Digitalisierung in großen Betrieben ausgeglichen, zum Teil blieben die älteren Mitarbeiter trotz Präferenzenwechsels wegen ihrer Erfahrung für die Betriebe und Verwaltungen noch unverzichtbar.

Da mehr als ein Drittel unserer Bevölkerung zugunsten von ökologischen oder psychopathischen Ideologien politisch bereit ist, unsere Wirtschaft vorsätzlich zu reduzieren, zu bürokratisieren, zum Teil zu vernichten und ökologischen Idealen statt ökonomischen Realitäten zu dienen, zeigt dies den Sättigungsgrad unserer Bevölkerung an wirtschaftlichem Wohlstand. Einkommen - auch ohne Arbeit - wird inzwischen als selbstverständlich angesehen: "Es geht uns ja so gut!".

Man kann deshalb ruhig auf Automobilindustrie, auf Flugzeuge, auf Energiesicherung, auf Produktionsbetriebe und auf Landwirtschaft verzichten, um "blühende Wiesen", Tierwohl, CO2-Freiheit (obwohl wir nur 2% der CO2-Emissionen der Welt ausmachen, also eigentlich global unbeachtlich, jedenfalls wirkungslos sind) und arbeitsloses Einkommen aus Robotern und Digitalisierung zu erwarten.

Die frühere Anerkennung praktisch werteschaffender Arbeit, etwa der Landwirtschaft oder der gewerblichen Berufe, hat durch die bis zur Sättigung gestiegene Güterversorgung unserer Bevölkerung abgenommen und dafür haben nicht oder nur wenig werteschaffende Tätigkeiten und Dienstleistungen als Lebenserfüllung zugenommen. Dienstleistungen (teilproduktive und unproduktive) machen inzwischen 70% unseres Bruttoinlandprodukts aus. Kurz gesagt: die moderne Gesellschaft produziert nicht mehr, sie verwaltet, steuert, disponiert, kontrolliert und widmet sich immer weniger produktiver als spielerischer, ideeller oder "lustvoller" Beschäftigung.


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