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Der Inflationsboom. Verführerich, betrügerisch, zerstörerisch

21.06.2021  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Ob es dazu kommt oder nicht, hängt entscheidend von der Zentralbank ab. Stellen sich die Menschen auf dauerhaft hohe Inflation ein (sagen wir auf Raten von 6 Prozent pro Jahr), und sorgt die Zentralbank nur für eine Inflation von 2 Prozent pro Jahr, wird ein Wirtschaftseinbruch wahrscheinlich sein. Je eher die Menschen davon ausgehen können, dass die Zentralbank bereit und in der Lage ist, die Zinsen anzuheben und die Geldmenge zu verknappen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die Inflationserwartungen sich in ungeahnte Höhen schrauben. Das ist eine delikate Einsicht: Denn die Zentralbanken stehen mittlerweile unter der Fuchtel der hoch verschuldeten Staaten; in Fachkreisen spricht man von "fiskalischer Dominanz".

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Quelle: Federal Reserve of St. Louis; Berechnungen Degussa. BIP = Bruttoinlandsprodukt.


Die Schulden sind so groß geworden, dass die Zentralbanken angehalten sind, die Zinsen so niedrig wie möglich zu halten und die Staatskassen mit neuem Geld zu versorgen. Mittlerweile wird sogar eine erhöhte Preisinflation als probates Mittel gesehen, um die Verschuldungslage der Staaten zu entschärfen. Unter diesen Bedingungen kommt es nun darauf an, wie stark die Staaten ihre Defizite ausweiten, die von ihren Zentralbanken finanzieren lassen. Kennt die staatliche Schuldenaufnahme keine Grenzen, ist es wahrscheinlich, dass die Währungen heftig entwertet werden. Das muss nicht schnell und plötzlich geschehen, die Geldentwertung kann auch zeitlich in die Länge gezogen werden.

Wie das geht, lässt sich gut am Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika illustrieren. Zur Finanzierung der Ausgaben des Zweiten Weltkrieges gab die US-Administration neue Schulden aus. Um die Zinskosten niedrig zu halten, fixierte die US-Zentralbank die Kurzfristzinsen bei 3/8 Prozent, die Langfristzinsen bei 2,5 Prozent. Da die US-Zentralbank die US-Dollar-Geldmenge kräftig vermehrte, stieg die Preisinflation stark an. Diese Politik wurde von 1942 bis 1951 praktiziert. In dieser Zeit verlor der US-Dollar etwa 40 Prozent seiner Kaufkraft (gemessen anhand der Konsumgüterpreise). Der Schuldenstand von 119 Prozent in 1946 auf 68,3 Prozent in 1953 reduziert.

Die US-Administration reduzierte in dieser Zeit jedoch die öffentlichen Defizite: von fast 27 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 1943 auf einen Überschuss von 4,3 Prozent im Jahr 1948, gefolgt von einem jahresdurchschnittlichen Überschuss von 0,3 Prozent des BIP bis 1951. Für die Inflationsaussichten der kommenden Jahre wäre es demnach höchst bedeutsam, ob die Staaten ihre chronischen Haushaltslöcher verringern - durch Ausgabeneinschränkungen und/oder Einnahmeerhöhungen - oder nicht. Wird die Schuldenmacherei nicht drastisch zurückgeführt, ist die Gefahr recht groß, dass die Preisinflation stark steigen wird, so manche Zentralbank sogar in eine Politik der Hoch- oder gar Hyperinflation verfällt.

Dabei ist allerdings denkbar, dass die Staaten Preiskontrollen erlassen. Es werden beispielsweise Höchstpreise für bestimmte Lebensmittel, Energie und Mieten erlassen. Die Preisinflation wird dadurch quasi verboten, sie tritt nicht in den offiziellen Statistiken zutage. Die Folgen: Versorgungsengpässe, Schwarzmärkte, Korruption, staatliche Bespitzelung und harte Strafen bei Verstößen.

Die Volkswirtschaften gleiten dadurch ab in die sogenannte Kommandowirtschaft, in die Befehls- und Lenkungswirtschaft: Das Eigentum bleibt formal erhalten, seine Nutzung wird aber zusehends durch staatliche Ge- und Verbote eingeschränkt und gesteuert. Die Inflationspolitik führt in diesem Falle zum Ende der freien Wirtschaft und Gesellschaft (beziehungsweise dessen, was davon noch übrig ist).

Wie auch immer das Szenario ausfallen mag: Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Kaufkraft des Geldes herabgesetzt wird - entweder durch Konsumgüterund/ oder Vermögenspreisinflation, entweder auf schnellem Wege oder langsam über die Zeitachse gestreckt.

Der Inflationsboom, den die Zentralbanken mit ihrer Kredit- und Geldmengenvermehrung in Gang halten, ist verführerisch: Er gaukelt Wohlstandsmehrung vor und schützt vor den Folgen des Fehlverhaltens. Aber er wird sich auch noch als betrügerisch und zerstörerisch entpuppen - wenn die Menschen merken, dass die Kaufkraft des Geldes ihnen zwischen den Fingern zerrinnt, die Wohlstandsphantasie, für die der Inflationsboom sorgt, sich als illusionär entzaubern.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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