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Inflation mästet Staat

15.05.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Inflation gereicht dem Staat zum Vorteil, solange sie nicht vollends aus dem Ruder läuft. Die Inflationszeche haben Bürger und Unternehmer zu zahlen. Wenn man versucht zu verstehen, warum Menschen dieses oder jenes tun, warum sie eine bestimmte Institution und keine andere errichtet haben, dann fragt man am besten zunächst "Cui Bono"?

Der erhellenden Frage "Wem nützt es?" lässt sich hervorragend in Sachen Inflation - sie bezeichnet das chronische Ansteigen der Güterpreise auf breiter Front - nachgehen. Die Antwort auf die Frage "Wem nützt es" sei gleich vorab gegeben: dem Staat. Und weil diese Antwort von Hauptstromökonomen vermutlich nicht gern gehört und vermutlich schon gar nicht gern akzeptiert wird, wird im Folgenden eine Begründung nachgeliefert.

Am Anfang steht die Einsicht, dass der Staat von den Einkomme der Produktiven lebt, die er besteuert. Die offene Besteuerung stößt jedoch in der Regel recht rasch an ihre Grenzen. Weitaus attraktiver ist es für den Staat, auf die "Inflationssteuer" zu setzen: Der Staat druckt sich sprichwörtlich neues Geld, mit dem er alles das kauft und bezahlt, was er haben will. Zu diesem Zweck hat der Staat das Geld monopolisiert und das Waren- beziehungsweise Goldgeld durch sein eigenes ungedecktes Papiergeld, sein Fiat-Geld ersetzt. Denn anders als das Goldgeld lässt sich das Fiat-Geld beliebig und jederzeit vermehren, und die dadurch erzeugte Inflation spielt dem Staat auch noch auf vielfältige Weise in die Hände.

So kann zum Beispiel der Staat, der über eine eigene Währung verfügt, nicht Pleite gehen. Er kann seine in eigenem Geld ausgewiesenen Schulden, wenn er will, stets mit neu geschaffenem Geld bezahlen. Gibt es eine progressive Einkommenssteuer, sorgt die Inflation für eine "kalte Progression": Mit der Inflation ziehen früher oder später auch die Löhne an, und die Einkommensverdiener, obwohl ihre Löhne in realer Rechnung nicht steigen, rutschen unter einen höheren Steuertarif.

Ihre reale Steuerlast steigt, der Staat freut sich. Ein ähnlicher Effekt stellt sich ein, wenn die Inflation für Scheingewinne in den Unternehmensbilanzen sorgt. Die Besteuerung der aufgeblähten Gewinne entzieht den Firmen Substanz, und wieder reibt sich der Staat die Hände.

Die Inflation, wenn sie von den Menschen nicht korrekt vorhergesehen und ihre Wirkung nicht vollumfänglich verstanden wird, senkt den materiellen Wohlstand der breiten Bevölkerung: Ihre Einkommen, ihre Vermögen steigen im Zeitablauf weniger stark an, als sie ohne Inflation steigen würden, oder, wenn die Inflation gar zu hoch wird, kann das Wohlstandsniveau auch absolut fallen (man denke beispielsweise an Venezuela). Bedürftigkeit und Not treiben die Massen dem Staat geradewegs in die Arme: Der Staat gibt ihnen Geld, spielt den Wohltäter - obwohl er die Ursache für Bedürftigkeit und Not der vielen ist; doch das wird häufig nicht verstanden.

Zudem sorgt die Inflation für Verbitterung bei den Menschen, befördert Neid und Missgunst, und sie schürt insbesondere auch soziale Konflikte. Natürlich ist auch das für den Staat zweckdienlich: Die von ihm bezahlten "Hofintellektuellen" deuten eifrig das Leid der Menschen als Ergebnis des Systems der freien Märkte, des Kapitalismus. Und sie empfehlen lauthals, der Staat müsse gegen das unmenschliche kapitalistische System vorgehen, es zähmen, am besten mit Stumpf und Stiel entfernen. Der antikapitalistische Geist, der auf diesem Wege kultiviert wird, verstärkt den wirtschaftlichen Niedergang der Volkswirtschaft, beschleunigt die Verarmung der Massen - die dann nach dem Staat rufen.

Wenn eine Inflation erst einmal in Gang gekommen ist, dann ist es meist schwer für ein Gemeinwesen, sie wieder loszuwerden. Denn die Inflation formt die Produktions- und Beschäftigungsstruktur der Volkswirtschaft. Arbeitnehmer, Firmen und vor allem Politik, ihre Bürokratie und die Sonderinteressengruppen, die den Staat für ihre Zwecke einzuspannen wissen, ahnen, dass ein Ende der Inflation für sie Ungemach bedeutet. Inflation mag als Übel erkannt werden, aber sie wird dennoch als akzeptabel angesehen, wenn es gilt, einem noch größeren Übel - Arbeitslosigkeit, Pleiten, Bedeutungsverlust und Machterosion - zu entkommen.

Und nicht zuletzt eignet sich die Inflation, um dystopische Ideologien in die Tat umzusetzen, die dem Staat und seiner Anhängerschaft genehm sind. Die aktuellen Stichworte dazu sind "Großer Neustart", "Große Transformation", "neue Weltordnung". Mit der Ausgabe von inflationärem Fiat-Geld lassen sich die wahren Kosten der gesellschaftlichen Umwandlungspläne vor den Augen der Öffentlichkeit weitestgehend und für eine gewisse Zeit verbergen.

Der Verarmungseffekt, den die grüne Politik durch ihre De-Industralisierung herbeiführt, wird zunächst nicht sichtbar, weil der Staat mit schuldenfinanzierten Ausgaben und mit inflationärem Fiat-Geld die Einkommen der Menschen künstlich aufrechterhält. Die ganze Wucht des Antikapitalismuskults, die Entwertung des Geldes zeigen sich erst zeitverzögert.

Die Inflation mästet also sozusagen den Staat. Wenn der Staat es aber zu wild mit der Inflation treibt, dann fliegt der Schwindel auf. Die Menschen fliehen dann aus dem Geld, seine Kaufkraft verfällt in kurzer Zeit, im Extremfall wird es wertlos. Um so etwas auszulösen, braucht es erfahrungsgemäß allerdings sehr hohe Inflationsraten - Jahresraten von vermutlich 20, 30, 50 oder mehr Prozent, und zwar für recht lange Zeit, begleitet von einer Erwartungshaltung der Menschen, dass die Inflation sich immer weiter beschleunigt, nicht mehr aufhört. Der Staat hat also recht große Missbrauchsspielräume mit seiner Inflationspolitik, bevor sie außer Kontrolle gerät.

Die können allerdings auch schneller ausgeschöpft sein als gedacht. Nicht nur Tyranneien und Bananenrepubliken, vor allem auch ausgewucherte Wohlfahrtsstaaten können der Hoch- und Hyperinflation verfallen. Die Zeichen dafür stehen bereits an der Wand.

Die mittlerweile stark steigenden Inflationsraten dies- und jenseits des Atlantiks sind kein Zufall. Sie sind keine Naturkatastrophe, sind vielmehr menschengemacht. Ohne erhöhte Inflation lassen sich die offenen Rechnungen nicht mehr begleichen, lassen sich die Wohlstandillusion, das Trugbild von "Vater Staat" nicht mehr aufrechterhalten. Doch leider ist die Abscheu der Menschen vor der Inflation wohl noch zu gering, als dass man hoffen darf, ihre schlimmsten Auswüchse ließen sich noch abwehren.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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