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Euro-Krise weitet sich aus - Euro deutlich unter Druck!

09.01.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.50 Uhr) bei 1.2715, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im europäischen Handel bei 1.2899 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 76.90. In der Folge notiert EUR-JPY bei 97.85, während EUR-CHF bei 1.2140 oszilliert.

Europa kommt nicht zur Ruhe. Die Auseinandersetzungen zwischen der ungarischen Regierung mit EU und IWF bezüglich der Unabhängigkeit der Zentralbank (und der Medien und Gerichtsbarkeit) wirkten sich zuletzt belastend aus. Ungarn hängt dank selbstverschuldeter Probleme am Tropf der EU und des IWF in der Finanzierung. In einer solchen Situation stellt der aktuelle Politikansatz einen Affront gegenüber den Bürgen und Liquiditätsgebern dar. Die Herabstufung durch Fitch ist hier sachlich unanfechtbar. Offensichtlich mangelt es ungarischen Politikern an Demut und realem Einschätzungsvermögen.

Der offensichtliche Versuch, in einer kritischen Phase der Eurokrise, europäisches Recht zu beugen oder zu verletzen, um kurzfristig egozentrische Ziele zu verfolgen, belegt dass die politische Elite Ungarns definitiv nicht reif für die Eurozone ist. Unseren Freunden in London und New York ist aber offensichtlich entfallen, dass Ungarn eben nicht Teilnehmer der Eurozone ist.

Fraglos sind die ungarischen Extratouren implizite Belastung für Gesamteuropa. Einmal mehr mangelt es an einem homogenen Auftritt. Das ist in der Tat bedauerlich.

Es sind aber nicht nur belastende Töne aus Budapest, sondern das Thema Griechenland schwelt weiter. Laut dem Spiegel verliere der IWF Zuversicht in die Fähigkeit Griechenlands, den Schuldenberg abzubauen und fiskalische Ordnung herbeizuführen. Die Lage in Athen ist und bleibt prekär.

Unsensibles Verhalten insbesondere aus Deutschland heraus hat zu einem Infarkt der griechischen Wirtschaft geführt. "Tote Gäule" laufen halt nicht.

Wir haben in diesem Format die letzten 18 Monate immer wieder umfassende Abschirmung eingefordert, um den ökonomischen Infarkt zu verhindern. Explizit war unsere These, dass die Fiskalsituation immer der Konjunkturlage folgt. Wir haben deutlich gewarnt, dass wir nicht nur mit den Ökonomien der Reformländer, sondern auch der Konjunktur der Eurozone, Deutschlands und der Weltwirtschaft spielen. Leichtfertig wurden diese Einlassungen ignoriert.

Nun ist exogene Hilfestellung für die Wirtschaft der Reformländer, vor allen Dingen der Ökonomie Griechenlands unabdingbar, um den Exodus der Eurozone zu verhindern.

Frau Dr. Merkel und Herr Sarkozy nebst allen anderen Verantwortlichen sind zügig gefordert, über die EU Programme aufzusetzen, die Wachstumsimpulse setzen und die malade Wirtschaftspsychologie in Griechenland und damit bezüglich der griechischen Signalfunktion auch in weiteren Reformländern drehen helfen. Ein Land der Größe Griechenlands mit positiven Impulsen zu versehen, ist übrigens sehr viel kostengünstiger als italienische und französische Scherben in einer weltweiten Rezession aufzusammeln …

Der Zeitverzug im Krisenmanagement der letzten 18 Monate ist wesentlich mitverantwortlich, dass es zu einer „Kostenexplosion“ in der Intervention gekommen ist. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben! Das sind Worte die Herrn Gorbatschow im Diskurs mit Herrn Honecker unterstellt wurden. Was für Honecker gilt, gilt auch für Europa. Wann lernt die Politik Europas aus den Fehlern der Vergangenheit?

Die Wirtschaftsdaten der Eurozone fallen als Folge dieser Entwicklungen gegenüber der Weltwirtschaft zunehmend ab. Der Datensatz vom Freitag ist hier eindrucksvoller Beleg.

Der "Economic Sentiment Index" sank per Berichtsmonat Dezember von zuvor 93,8 auf 93,3 Punkte. Die Prognose war bei 93,2 Zählern angesiedelt. Der Index markiert damit den tiefsten Stand seit November 2009.

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Die Einzelhandelsumsätze der Eurozone sanken im November im Monatsvergleich um -0,8% (Vormonat -0,1%) und im Jahresvergleich um -2,5% (Vormonat -0,7%). Zunehmend ergeben sich rezessive Entwicklungen in der Breite, die als ernstes Warnsignal verstanden werden sollten. Im nachfolgenden Chart wird die enttäuschende Entwicklung deutlich. Der Indexwert von 100 Punkte als Ausgangsbasis 2005 wurde mit 99,77 Punkten erstmalig seit 2005 unterschritten.

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Die Arbeitslosenrate der Eurozone verharrte per Berichtsmonat November unverändert bei 10,3%. Damit wurde der historische Höchstwert, der im Vormonat erreicht wurde, bestätigt. Entscheidend sind die Entwicklungen in den Reformländern für die Zunahme der Arbeitslosigkeit.

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Den Abschluss des europäischen Datenreigens machte am Freitag der Auftragseingang der deutschen Industrie. Hier kam es per Berichtsmonat November zu einem Einbruch im Monatsvergleich um -4,8%. Die Prognose lag bei lediglich -1,7%. Der Vormonatswert wurde zudem von bisher +5,2% auf +5,0% revidiert.

Im Jahresvergleich ergab sich ein Rückgang -4,3% nach zuvor +5,4%. Mit diesem ersten Rückgang auf Jahresbasis im laufenden Jahr vermehren sich die Warnzeichen, die in Berlin, aber auch in Frankfurt besser beachtet werden sollten! Der beigefügte langfristige Chart verdeutlicht die Abkühlung in eindrucksvoller Manier.

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Dagegen setzte der US-Arbeitsmarktbericht positive Akzente. Per Dezember sank die Arbeitslosenquote von 8,7% auf 8,5%. Die mit der Quote der Eurozone vergleichbare Quote U-6 des "Bureau of Labor Statistics" verzeichnete einen Rückgang von 15,6% auf 15,2%.

Entscheidend sind die Jobzuwächse außerhalb des Agrarbereichs. Bei diesen "Nonfarm payrolls" kam es zu einem Anstieg um 200.000 Jobs. Die Prognose lag bei 150.000 Jobs. Die Revisionen der beiden Vormonatswerte führten zu einer Verringerung der Jobzuwächse um 8.000. Bezüglich des aktuellen Ergebnisses ergibt sich keine Relevanz.

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Hinsichtlich der konjunkturellen Divergenz zwischen USA und der Eurozone als auch der systemischen Dimension, die die Staatschuldenkrise der Eurozone mittlerweile angenommen hat, ist die freundliche Verfassung des USD gegenüber dem Euro fundamental unterstützt.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Ein Überwinden des Widerstandsniveaus bei 1.3230-60 neutralisiert den negativen Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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