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Kann 2016 das Undenkbare eintreten?

16.01.2016  |  Clif Droke
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Zu diesem Zweck beschloss die Europäische Zentralbank vor einem Jahr die erste Runde der quantitativen Lockerungen (QE), in deren Rahmen sie jeden Monat Staatsanleihen in Höhe von 60 Milliarden Euro aufkauft. Das europäische QE-Programm soll bis September 2016 laufen; etwaige Verlängerungen hängen von den Erfordernissen der Wirtschaftslage in der Eurozone ab. Ziel dieser monetären Impulse seitens der EZB ist die Umkehrung des deflationären Trends, den sie durch eine gewisse Inflation zu ersetzen hofft.

In der Märzausgabe von Business Credit sagten die auf die Eurozone spezialisierten Ökonomen der Kreditversicherungsgruppe Euler Hermes S. A. im letzten Jahr einen "positiven, aber begrenzten" Einfluss der quantitativen Lockerungen auf die Eurozone voraus und prognostizierten bis Juli 2016 ein Wirtschaftswachstum von 0,5% und eine Inflationsrate von 0,3%. Angesichts der neusten Entwicklungen scheint sich diese Vorhersage, die von vielen Experten geteilt wurde, als etwas zu optimistisch herauszustellen. Obwohl die EZB das Programm im Dezember 2015 ausgeweitet hatte, zeigen die aktuellen Daten, dass die Inflation bei den Verbraucherpreisen weiter bei 0,2% liegt und damit hinter den allgemeinen Erwartungen zurückbleibt.

Euler Hermes beobachtete richtig, dass die EZB im Vergleich zur US-Notenbank Federal Reserve und zur Bank of England erst sehr spät auf das deflationäre Bedrohungsszenario reagierte. Das Expertenteam wies überdies darauf hin, dass der "Übertragungsmechanismus in der Eurozone weniger klar ersichtlich ist, da die Privatwirtschaft hier nicht so eng mit den Finanzmärkten verwoben ist, wie in den USA oder dem Vereinigten Königreich." Unternehmen, die nicht im Finanzsektor tätig sind, nehmen zudem meist nur 10-20% ihre Kredite am Markt auf.

Außerdem investieren die privaten Haushalte in der Eurozone weniger Kapital in die Aktienmärkte und bevorzugen stattdessen Sparkonten oder Anleihen. Auch Immobilienbesitz wirkt sich hier in einem geringeren Maße auf die Konsumausgaben aus, als in den USA. Diese fundamentalen Unterschiede zwischen der Eurozone und den Vereinigten Staaten machen deutlich, dass das QE-Programm in Europa zahlreiche Hindernisse überwinden muss, um erfolgreich zu sein.

Die größte Hoffnung und auch der größte Erfolg der lockeren Geldpolitik in Europa ist, wie Euler Hermes feststellt, "die politische Signalwirkung" der Maßnahmen, die in der Theorie dazu führt, dass das Vertrauen in Unternehmerkreisen wächst und damit auch die Inflationserwartungen und die Kreditnachfrage wieder ansteigen. Unglücklicherweise hat sich die EZB aber erst vergleichsweise spät für QE entschieden. Dadurch wird es schwerer, die Auswirkungen der Deflation rückgängig zu machen.

Euler Hermes formuliert es folgendermaßen: "Um glaubwürdig gegen die Deflation anzukämpfen, muss die EZB nicht notwendigerweise riesige Mengen an Geld drucken. Schon die bloße Ankündigung eines realistischen Ziels würde eine positive Dynamik in Gang setzen, die zum Erreichen dieses Ziel führt."

Das Sprichwort "Besser spät, als nie" trifft möglicherweise auch auf die Versuche der EZB zu, die Deflation abzuwehren. Doch angesichts der dürftigen Erfolgsbilanz der Zentralbank sollten sich Investoren nicht allzu große Hoffnungen machen, dass die Bemühungen bald von Erfolg gekrönt sein werden.

Wenn die europäische Geldmengenpolitik also nicht der entscheidende Faktor ist, der der Weltwirtschaft 2016 neuen Aufwind verschafft, was könnte dann eine Verbesserung herbeiführen? Vertrauen ist der Grundpfeiler einer florierenden Wirtschaft, wie Ihnen jeder Ökonom bestätigen wird. Wenn Konsumenten, Investoren und Unternehmensinhaber von der Stabilität der Geschäftslage überzeugt sind, drücken sie dieses Vertrauen durch höhere Ausgaben aus, entweder um Konsumgüter zu kaufen, oder um Investitionen zu tätigen und das Geschäft zu erweitern.

Das Fehlen des Vertrauens in eine langfristige, stabile Erholung begrenzte in den letzten Jahren das Wirtschaftswachstum der USA. Jedes Mal, wenn es den Anschein hatte, als wäre die Wirtschaft bereit für einen echten Aufschwung, wurde diese Hoffnung durch eine äußere Bedrohung oder etwas anderes zunichte gemacht. Die unsicheren Aussichten auf globaler Ebene führten 2015 zu Kosteneinsparungen und viel zu niedrigen Investitionsaufwendungen unter den Unternehmen des S&P 500. Aufgrund des starken US-Dollars und des angeschlagenen Ölsektors gingen auch die Umsatzsteigerungen und Netto-Gewinne im Vergleich zum Vorjahr zurück. Das Vertrauen in die langfristigen Konjunkturaussichten ist seitdem zutiefst getrübt.

Ohne Vertrauen ist es kein großer Schritt mehr bis zur nackten Angst. Die Art der echten Angst, die in den Jahren direkt nach der Kreditkrise weit verbreitet war, wurde nicht mehr beobachtet, seitdem die Erholung 2013 an Fahrt aufgenommen hat. Natürlich ist das Vertrauen der Angst vorzuziehen, aber letztere kann zumindest dazu führen, dass die Maßnahmen beschlossen werden, die der Wirtschaft neuen Auftrieb geben, so wie das QE-Programm der Fed nach der Krise. Wenn das Vertrauen 2016 also nicht wieder zunimmt, läuft es vielleicht auf die Frage hinaus, wie viel Angst nötig ist, damit die Zentralbanken und Regierungen in den kommenden Monaten gemeinsam offensive Maßnahmen ergreifen.

Infolge der Kreditkrise hat der Kongress der Vereinigten Staaten einen großen Teil seiner Entscheidungsgewalt an die Fed abgetreten. In nationalen Finanzfragen muss er seine Autorität jedoch wieder durchsetzen. Durch Steuersenkungen und die Aufhebung regulatorischer Einschränkungen könnte das Vertrauen in die wirtschaftlichen Aussichten in Unternehmer- und Investorenkreisen gestärkt werden. Die derzeitige Regierung hat der Wirtschaft mit höheren Steuersätzen und zusätzlichen Vorschriften großen Schaden zugefügt, die Unsicherheit der Investoren verstärkt und die Kapitalinvestitionen ausgebremst.

Hinsichtlich der beiden Pole - Vertrauen und Angst - scheint es sicherer, darauf zu wetten, dass die Angst und nicht das Vertrauen im Jahr 2016 die treibende Kraft hinter den Bemühungen sein wird, die negativen Auswirkungen des weltweiten wirtschaftlichen Abschwungs rückgängig zu machen.


© Clif Droke
www.clifdroke.com


Dieser Artikel wurde am 11.01.2016 auf www.cdroke.blogspot.de veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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