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Europa kommt ein stück voran - Zweifel bleiben ausgeprägt

11.01.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.42 Uhr) bei 1.2755, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im asiatischen Handel bei 1.2729 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 76.90. In der Folge notiert EUR-JPY bei 98.10, während EUR-CHF bei 1.2125 oszilliert.

In der Staatsdefizitkrise der Eurozone gibt es viele Baustellen. Von einigen ergeben sich Erkenntnisse, die zuversichtlich stimmen.

Äußerungen von Olli Rehn und weiteren mit den Verhandlungen über den freiwilligen Schuldenschnitt Griechenlands Vertrauten deuten in Richtung einer zeitnahen Einigung, die den Märkten Unsicherheit nehmen sollte. Auch die enge Einbindung von Frau Lagarde als Vertreterin des IWF zum jetzigen Zeitpunkt darf als Indiz für weitere Zuversicht interpretiert werden. Gestern trafen sich Frau Dr. Merkel und Frau Lagarde in Berlin zu einem informellen Austausch. Mehr noch, kommt es nicht wie in früheren Zeiten zu voreiligen Vorfestlegungen, die zumeist nicht haltbar sind. Eine Lernkurve ist erkennbar. Danke!

Es gibt aber auch latente Baustellen in der Eurozone, die unverändert hohe Risiken darstellen. Dabei geht es um die Frage, wie stabil die Regierungen sind, die aggressive Reformpolitik umsetzen. Wir reden nicht über Irland, Spanien oder Portugal. Wir reden hier über Griechenland und maßgeblich Italien.

O-Ton Reuters: Unmittelbar vor seinem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der italienische Ministerpräsident Mario Monti vor anti-europäischen-Protesten in seinem Land gewarnt. Wenn es für die Italiener in absehbarer Zeit keine greifbaren Erfolge ihrer Spar- und Reformbereitschaft gebe, werde in Italien ein Protest gegen Europa entstehen, sagte Monti der Zeitung "Die Welt" laut Vorab-Bericht aus der Mittwoch-Ausgabe. Dies werde sich auch gegen Deutschland richten, das als Anführer der EU-Intoleranz gelte.

Unmut werde sich zudem gegen die Europäische Zentralbank richten. "Ich fordere von den Italienern schwere Opfer - diese kann ich ihnen aber nur abverlangen, wenn sich dafür konkrete Vorteile abzeichnen", sagte Monti. Dies könne etwa eine Senkung des Zinssatzes sein. Sollte sich die EU-Politik nicht ändern, könne Italien in die Arme von Populisten flüchten, warnte Monti. Der Ministerpräsident forderte zudem eine zentrale Rolle für sein Land ein. Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy würden einen schweren Fehler machen, wenn sie glaubten, sie könnten die EU alleine meistern. "Europa muss mehrere Zentren haben. Und Italien ist eines von ihnen."

Die Argumente von Herrn Monti sind überzeugend. Starke Reformen müssen verbunden sein mit erkennbaren Horizonten einer Verbesserung der Lage. Die Fehlbehandlung Griechenlands ist dabei warnendes Beispiel, wo der technische Umgang mit diesem Land zu einer ökonomischen Depression und einer massiven Belastung der Psychologie in der Bevölkerung geführt hat.

Italien macht sein Hausaufgaben und steht faktisch viel besser da, als es der Markt wahrhaben will. Diesbezüglich bedienen wir uns Daten von Herrn Professor Dr. Raffelhüschen der Uni Freiburg und Stefan Moog bezüglich der Entwicklung der öffentlichen Primärhaushalte in der Eurozone (Quelle: Stiftung Marktwirtschaft, „Ehrbare Staaten?“).

Das Haushaltsdefizit eines Staates setzt sich zusammen aus dem Primärdefizit und Zinsen. Der Primärhaushalt ist der öffentliche Haushalt ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen auf die Staatsschuld. Ein Primärdefizit bedeutet, dass ein Staat die Ausgaben für alle eigentlichen Aufgaben (Infrastruktur, Gehälter, Sozialleistungen usw.) nicht aus seinen laufenden Einnahmen finanzieren kann.

Werfen wir einen Blick auf die Daten. In der Tabelle stellen wir einerseits den „Konjunkturbereinigten Primärsaldo“, den „Konjunkturellem Effekt“ und als Resultat den Primärhaushalt dar. Zwecks Übersichtlichkeit fokussieren wir uns auf die TOP 4 der Eurozone bezüglich des „Konjunkturbereinigten Primärsaldos“:

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Auch im Nachhaltigkeitsranking ergibt sich eine Abfolge, die im deutlichen Widerspruch zu der Marktdiskontierung Italiens steht. Dabei wird zu der expliziten Staatsschuld die implizite Staatsschuld (nicht kapitalgedeckte Ansprüche wie Renten, Pflege und Gesundheit) addiert. Wir werfen wieder einen Blick auf die TOP4 (Basis 2010):

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Gestern gab es zwei nennenswerte Veröffentlichungen aus den USA. Der Index, der die Gemütslage kleiner Unternehmen misst (NFIB Small Business Survey“) legte per Dezember von zuvor 92,0 auf 93,8 Punkte zu. Seit August ausgehend von 88,1 Zählern kommt es nun zu einem Anstieg. Das aktuelle Indexniveau liegt damit im Dunstkreis der Topwerte per Frühjahr 2011.

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Die Lagerbestände des US-Großhandels verzeichneten per Berichtsmonat November einen Anstieg in Höhe von 0,1% nach zuvor 1,2%. Der Absatz legte um 0,6% nach zuvor 0,8% zu. Das Verhältnis zwischen Lagerbestand zu Absatz liegt weiter bei 1,15 Monatumsätzen auf unprekärem Niveau.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Ein Überwinden des Widerstandsniveaus bei 1.3230-60 neutralisiert den negativen Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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