Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Ratingagenturen als Handlanger des "Divide et impera!"

24.05.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.35 Uhr) bei 1.4065, nachdem im europäischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3970 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 81.85. In der Folge notiert EUR-JPY bei 115.10, während EUR-CHF bei 1.2460 oszilliert.

Die Wirtschaftsdaten tendieren derzeit schwächer (siehe "Letzte Nachrichten"). Es ergibt sich im Jahresvergleich ein ähnliches Szenario wie im Vorjahr. Auch Aufwärtszyklen atmen. Eine Analyse des Lager-, des Investitions- und den Konsumzyklus lässt keine andere Sichtweise zu, als dass der globale Aufschwung anhält. Einem sehr starken ersten Quartal folgt im weiteren Verlauf eine moderatere Expansion.

Nebenher freuen wir uns über das IW in Köln. Herr Hüther sieht das deutsche Wachstum bei 3,5%. Wir haben im November bereits betont, dass unsere zu dem Zeitpunkt als aggressiv wahrgenommene 3% Prognose hanseatisch sei ….

Ratingagenturen mit US- und angelsächsischem Hintergrund stehen einmal mehr in dem Mittelpunkt. Ihre Aktivität gegen Mitglieder der Eurozone bleibt ausgesprochen lebendig. Die Tatsache, dass die Eurozone im Vergleich zu den USA und Japan, den konkurrierenden großen Wirtschaftsräumen der Industrienationen, stellar bezüglich der Defizite in % des BIP davonzieht, ist offensichtlich irrelevant.

Ebenso ist die Tatsache unwesentlich, dass die Problemländer der Eurozone sich den Reformen seit 2009 stellen, ganz im Gegensatz zu den USA und Japan.

Großbritannien unterwirft sich auch Reformen seit Mitte 2010 und leidet konjunkturell bei latenter Neuverschuldung um 10% des BIP. Da sind die Agenturen aber recht leise und bescheiden. Gibt es etwa einen ausgeprägten "Home-Bias"? Wer diese Frage als rhetorische Frage wahrnimmt, macht keinen Fehler!

Wir sind noch gespannter bezüglich möglicher Reformen in den USA, sofern die Reformen negative konjunkturelle Wirkung zeigen. Ansonsten wären es übrigens keine wirklichen Reformen, sondern kosmetisches Beiwerk.

Wird es dann auch bei den USA zu aggressiver Herabstufungspolitik kommen? Werden dann auch die Erfolge in der Handelsbilanz und der Reduzierung der Neuverschuldung sportlich ignoriert wie bei den europäischen Reformländern?

Unsere lieben Freunde aus den Ratingagenturen haben Spanien im März 2011 herabgestuft, ein Land, das gerade einmal mit 60,1% des BIP verschuldet ist und damit eigentlich Star im Zenit der Industrienationen ist (D 85% des BIP, USA 100% des BIP, Japan 230% des BIP).

Jetzt bekommen Italien und Belgien ein freundliches "negative watch". Beide Länder haben eine rückläufige Entwicklung der Neuverschuldung und einer Gesamtverschuldung, die primär binnenfinanziert ist.

Schauen wir auf die Fakten: (Quelle EuroStat):

Open in new window


Die größte Finanzkrise in der Geschichte seit 1929 - 1932 wurde gelöst, weil private Gläubiger durch öffentliche Gläubiger ersetzt wurden. Die daraus resultierende höhere Verschuldung mag für Ratingagenturen per 2010/2011 erstaunlich gewesen sein. Für uns war sie das nicht. Sie war logisch, sie war vorhersehbar.

Die entscheidende Frage kann heute nur lauten, wer die öffentliche Problemstellung der Defizite adressiert? Das ist definitiv Europa. Ergo verdiente Europa einen Vertrauensvorschuss seitens der Ratingsagenturen. Dieser Vertrauensvorschuss wird auch Großbritannien gewährt, ohne wenn und aber.

Kontinentaleuropa wird er aber vollständig verweigert. Im Gegenteil wird die Reformpolitik mit latenten Herabstufungen konterkariert. ,Dadurch wird Risikoaversion angeheizt und verdiente Kapitalzuflüsse als auch Investitionen als Reaktion auf verbesserte Strukturen werden zunächst verhindert .

Dieses Verhalten seitens der Ratingagenturen passt in das Bild des "Divide et impera!"

Laut Wikipedia: divide et impera (lateinisch für ‚teile und herrsche‘) ist eine Redewendung und bedeutet, einen Gegner in Untergruppen aufzuspalten, die leichter besiegt werden können. Die Redewendung ist wahrscheinlich nicht antik, wenngleich die damit bezeichnete Strategie sehr alt ist und z. B. in der römischen Außenpolitik ohne Zweifel wiederzuerkennen ist.

Die Politik aus den Finanzzentren London und New York dreht sich darum, Macht zu erhalten. Die Eurozone stellt ob ihres wirtschaftlichen Erfolgs eine Herausforderung dar.

Noch mehr ist sie eine Herausforderung, da die Verschuldungsdynamik und Reduzierung in der aktuellen Situation mit den schärfsten Reformen der Industriegeschichte Ausdruck eines Erfolgs ist, den die bisherigen Achsen der Finanzmacht nicht ansatzweise vorweisen können.

Die Ratingagenturen nehmen mit ihrer asymmetrischen Aktionsweise eine entscheidende Rolle in der Politik des "Divide et impera!" wahr. Sie säen in der Eurozone Misstrauen und fördern politische Unruhe als auch rückläufige Solidarität und respektlosen Umgang mit den eigenen Erfolgen. Sie ernten bei den Opportunisten.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD favorisiert. Ein nachhaltiges Überwinden des Widerstandsniveaus bei 1.4420-50 verändert die Situation.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Bremer Landesbank oder deren assoziierter Unternehmen dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Hier enthaltene Informationen können auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestellte, kundenspezifische und objektorientierte Beratung nicht ersetzen. Bitte setzen Sie sich deshalb mit Ihrem bei der Bremer Landesbank zuständigen Berater in Verbindung.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"