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Kindergeld für Ausländer: Nachzahlungen von etwa 400 Mio. Euro

29.05.2014  |  Vertrauliche Mitteilungen
Manche Gerichtsurteile können bekanntermaßen sehr viel Geld kosten. Angesichts der alten Weisheit "Vor Gericht und auf hoher See ist man allein in Gottes Hand" haben schon viele Menschen, die sich eigentlich im Recht wähnten, von einer Klage abgesehen. Ein in Deutschland tätiger polnischer Arbeiter ließ sich jedoch von dem Kostenrisiko nicht abschrecken (vielleicht genoß er auch Unterstützung von dritter Seite) und zog mit seinem Klageanliegen bis vor den Europäischen Gerichtshof, der ihm schließlich Recht gab. Es ist eine Entscheidung, die die deutschen Steuerzahler noch sehr viel Geld kosten wird...

Bereits im Sommer 2012 entschieden nämlich die Luxemburger Richter, daß der vorübergehend in Deutschland tätige polnische Arbeiter während dieser Zeit einen Anspruch auf Auszahlung deutschen Kindergeldes habe, obwohl der Nachwuchs nach wie vor in Polen lebte. Zur Begründung stellten die Richter im wesentlichen fest, daß jemand, der in Deutschland "unbeschränkt steuerpflichtig" sei, auch einen Rechtsanspruch auf Kindergeld habe. Die deutsche Kindergeldkasse wurde zur Zahlung verurteilt.

Das Urteil sprach sich bei den in Deutschland lebenden EU-Ausländern (denn nur auf diese bezog es sich) offenbar sehr schnell herum. Nach den offiziellen Statistiken ist jedenfalls in Deutschland bis Jahresende 2013 die Zahl der Kindergeldanträge für im Heimatland lebende Kinder von EU-Bürgern um etwa 30% gestiegen. Inzwischen liegen der Kindergeldkasse rund 30 000 noch unbearbeitete Anträge vor, wobei die meisten neuen Antragsteller aus Polen stammen. Die Verwaltung kommt der Antragsflut inzwischen kaum mehr nach.

Die deutschen Steuerzahler wird das Urteil Hunderte Millionen kosten. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums kam es allein für die Jahre 2008 bis 2011 zu Nachzahlungen von etwa 400 Mio. Euro. Ab 2012 ist nach Behördenangaben mit jährlichen Mehrkosten von rund 200 Mio. € zu rechnen. Nach den Daten des Bundesarbeitsministeriums (die Bearbeitung der Kindergeldanträge ist bekanntlich eine Aufgabe der bei der Bundesagentur für Arbeit angesiedelten Familienkasse, die allerdings unter der Aufsicht des Finanzministeriums steht) wird in Deutschland für 14,3 Millionen Kinder Kindergeld gezahlt, von denen 12,3 Millionen die deutsche Staatsangehörigkeit haben.

Die größte Gruppe aus dem EU-Ausland (wozu die Türkei ja - noch - nicht gehört) stellen hier die polnischen Kinder mit etwa 103 000 Personen, von denen ein knappes Drittel nicht in Deutschland lebt. Hohe "Auslandsanteile" gibt es auch bei tschechischen (28%) und slowakischen Kindern (26%) sowie dem ungarischen Nachwuchs mit 19%.

Weil die Bearbeitung "zwischenstaatlicher" Kindergeldanträge ein besonderes Fachwissen erfordert, ist diese an sechs Standorten konzentriert. Die Kindergeldanträge für den polnischen und tschechischen Nachwuchs landen daher ausschließlich in Bautzen. Von dort war zu erfahren, daß viele Anträge von sogenannten "Werkvertragsarbeitnehmern" stammen, also von polnischen Subunternehmern, die in Deutschland tätig sind. Die meisten von ihnen, so kann man hinter meist vorgehaltener Hand erfahren, sind über die deutsche Rechtslage bestens informiert und sie wissen ganz genau, daß das Kindergeld nach deutschem Recht bis zu vier Jahre rückwirkend bezogen werden kann.

Dabei können schnell stattliche Summen zusammen kommen. Nach derzeitigem Stand zahlt der deutsche Staat (und damit wir alle gemeinsam) für die ersten beiden Kinder jeweils 184 € monatlich, für das Dritte 195 € und für jedes weitere Kind 215 Euro. In Polen werden für jedes Kind im Monat maximal 68 Sloty gezahlt (was umgerechnet etwa 20 € entspricht), die auf die deutsche Kindergeldzahlung von Rechts wegen anzurechnen sind. Allerdings, so heißt es aus der Bundesagentur für Arbeit recht vielsagend, seien die Prüfverfahren und die dabei erforderliche Zusammenarbeit mit den ausländischen Behörden "sehr zeitintensiv und kompliziert". Was das für das "Anrechnungsverfahren" bedeuten kann, mag sich der geneigte Leser bitte selbst vor Augen führen.


© Vertrauliche Mitteilungen

Auszug aus den wöchentlich erscheinenden Infoblatt Vertrauliche Mitteilungen - aus Politik, Wirtschaft und Geldanlage, Nr. 4080


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