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Luftballons auf der Suche nach Nadeln

02.10.2015  |  John Mauldin
- Seite 4 -
Cunningham bezieht sich auf eine Studie der Energy Information Administration, derzufolge 44 der größten Produzenten im Schnitt 83% des operativen Cashflows für Schuldenrückzahlungen ausgeben - doppelt so viel wie noch vor drei Jahren.

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Im obenstehenden Chart sehen Sie, dass der Schuldendienst im zweiten Quartal 2014 noch 60% des Cashflows ausmachte. Wenn er im zweiten Quartal dieses Jahres einen Anteil von 83% hatte, dann halte ich es durchaus für möglich, dass er im dritten Quartal auf mehr als 90% steigt. Das ist einfach nur Irrsinn. Mit derart hohen Fixkosten für die Rückzahlung der Schulden kann man kein Unternehmen führen. Entweder man leiht noch mehr, was auch irrsinnig ist (und zwar für beide Seiten der Vereinbarung) oder man gibt auf.

Ich habe gelesen, dass in der Ölbranche Investitionen in Höhe von mehr als 1,2 Billionen Dollar zurückgestellt oder ganz fallengelassen wurden. Die führenden Unternehmen haben das Problem, dass ihre Lagerstätten sich erschöpfen. Sie müssen neues Öl finden, und zwar viel davon, um die Verluste durch die gedrosselte Produktion auf den alten Feldern auszugleichen. Während es für kleine, unabhängige Unternehmen durchaus gut laufen kann, wenn sie mit reduzierten Kosten zehn oder zwanzig Bohrlöcher abteufen, müssen die Top-Produzenten auf gewaltige Lagerstätten stoßen. Und diese befinden sich meist in unwirtlichen Gegenden, in denen es teurer ist, ein Barrel aus dem Boden zu holen. Ein Rohölpreis von 50 Dollar reicht da einfach nicht.

Irgendjemand wird die Verluste tragen müssen. Je nachdem, wer das ist und wie groß sie sind, könnten uns im nächsten Jahr einige bedeutsame Pleiten im Energiesektor bevorstehen. Es besteht eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass die Auswirkungen auch einige Hedgefonds treffen könnten, die dann wiederum andere Positionen liquidieren. So überträgt sich eine Krise von einem Sektor auf die anderen...


Zerfall des Euros

Vergangene Woche schrieb ich, dass die Flüchtlingsflut aus dem Nahen Osten der Ausgangspunkt für eine erneute Auseinandersetzung zwischen Deutschland und einigen östlichen Ländern sein wird. Diese Entwicklung ist bereits im Gange. Die EU-Minister stimmten diese Woche über eine Verteilung der Flüchtlinge auf dem ganzen Kontinent ab - teilweise über die Köpfe einzelner Nationalstaaten hinweg. In Ungarn ist man besonders verärgert. Einigen Schätzungen zufolge werden sich die Kosten für die Unterbringung der aktuellen Welle von Flüchtlingen auf mehr als 1 Billion Euro belaufen - und das ist nur der Anfang.

Ich schätze, dass noch mehr Menschen aus dem Nahen Osten fliehen (ganz ehrlich, würden Sie das nicht auch?) und in Europa nach einer neuen Heimat suchen werden. Gott behüte, dass in Ägypten oder der Türkei ernsthafte Instabilitäten entstehen. Im Moment ist das undenkbar, doch in den vergangenen 15 Jahren sind im Nahen Osten viele Dinge geschehen, die zuerst undenkbar schienen. Das Flüchtlingsproblem wird die bereits jetzt überlasteten Haushalte der einzelnen Staaten weiter beanspruchen.

In diesem Jahr konnten wir bereits beobachten, wie die Spitzenpolitiker der Eurozone (unter Führung Deutschlands) Griechenland hinsichtlich der Schuldenrückzahlungen ihren Willen aufzwangen. Jetzt üben sie bezüglich der Verteilung der Flüchtlinge erneut Druck aus. Ein anschauliches Beispiel dafür, zu welchem Grad die Länder ihre Souveränität an Brüssel abgeben.

Gibt es in diesen Staaten eine ausreichende Anzahl an Wählern, die wütend genug sind, um ihr Land zum Austritt aus der Eurozone oder der EU zu bewegen? Wahrscheinlich nicht, noch nicht, aber die Wut verschwindet nicht einfach. Und sie könnte sich vergrößern, wenn der Flüchtlingsstrom anhält und weiter zunimmt.

Kombinieren wir das mit der Lage bei Volkswagen. Wenn VW beginnt, Stellen zu streichen, wird das einen Dominoeffekt in der deutschen Wirtschaft auslösen. Merkels cleverer Plan, Tausende von neuen Arbeitern ins Land zu bringen, sieht dann plötzlich gar nicht mehr so schlau aus. Wird es ihr gelingen, den Flüchtlingsstrom umzukehren? Das würde nur dazu führen, dass noch viel mehr von ihnen in osteuropäischen Ländern landen, in denen sie nicht willkommen sind.

Es gibt noch mehr Faktoren: Das Vereinigte Königreich wird wahrscheinlich irgendwann im Jahr 2016 über einen Austritt aus der EU abstimmen. Populistische, zuwanderungsfeindliche Bewegungen gewinnen in Spanien und Frankreich an Stärke. Die Stützen Europas stehen unter Druck. Diese Entwicklungen könnten Europa in verschiedene Richtungen lenken, von denen nur sehr wenige positiv für die europäischen Aktienmärkte sein werden.


Ohne großes Drama weiterwursteln wie bisher

Ich habe Ihnen gerade einige Szenarien beschrieben, von denen jedes der letzte Ballon sein könnte, dessen Platzen einen ernstzunehmenden Abwärtstrend an den Märkten einleitet. Theoretisch könnten auch mehrere platzen.

Aber genauso wahrscheinlich ist es, dass wir uns im nächsten Jahr genauso weiter durchwursteln wie bisher. Die verfügbaren Daten deuten zwar darauf hin, dass das Wirtschaftswachstum der USA sich in naher Zukunft verlangsamt, aber es gibt keine echten Warnsignale. Trotzdem macht es mich ein wenig nervös, dass das Wachstum nur gerade hoch genug ist, um einen Konjunktureinbruch zu verhindern, wenn ein globales Ereignis uns jederzeit schneller in eine waschechte Rezession befördern könnte, als wir uns im Moment vorstellen können.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal betonen, dass ich nichts besonders Schlimmes vorhersagen möchte. Das wahrscheinlichste Szenario ist immer noch, dass die Märkte ohne großes Drama einfach weiter vor sich hin wursteln.

Dennoch denke ich, dass wir vorausplanen sollten. Inspizieren Sie Ihr Portfolio und überlegen Sie, inwiefern Sie von diesen Szenarien betroffen wären. Machen Sie sich Gedanken darüber, was Sie zuerst verkaufen. Sichern Sie sich ab oder planen Sie zumindest, wie Sie sich absichern können, wenn es nötig wird.

Die besten Trader, die ich kenne, sind schlaue Leute, die immer zehn Schritte vorausdenken und für alle Eventualitäten gerüstet sind. Sie sind meist auch gute Schachspieler. Bis zu einem gewissen Grad müssen wir alle es ihnen gleichtun. "Überlege ich mir, wenn es soweit ist" ist in den meisten Fällen keine Gewinnerstrategie. Die Entscheidung sollte lieber fallen, lange bevor es wirklich soweit ist.


© John Mauldin


Dieser Artikel wurde am 27. September 2015 auf www.mauldineconomics.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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