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Neue Angriffe auf den Goldpreis

10.05.2017  |  Adam Hamilton
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Der Chart zeigt die Long- und Short-Positionen der Spekulanten seit 2015 in grün und rot. Der Goldkurs selbst ist blau dargestellt. Es ist schier unglaublich, wie stark der kollektive Handel der Spekulanten mit Goldfutures die kurzfristige Preisentwicklung beeinflusst. Ich habe zu diesem Thema bereits eine Handvoll Essays geschrieben, das letzte im Februar. Ohne Kenntnis der Funktionsweise des Goldterminmarktes und ohne den Futureshandel im Auge zu behalten ist es unmöglich, die Preisentwicklung des gelben Metalls zu verstehen und zu Investmentzwecken zu nutzen.

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Vor wenigen Wochen, als Gold gerade an der 1.290-$-Marke kratzte, wurde eine ganze Serie extremer, kurz aufeinander folgender Leerverkaufs-Attacken gestartet. Diese drehten den Kurs rasch wieder abwärts und machten seinen jüngsten bullischen Ausbruch über den 200-tägigen gleitenden Durchschnitt zunichte. Um besser zu verstehen, was da gerade am Goldmarkt geschehen ist, und warum es sogar recht bullisch zu bewerten ist, bietet es sich an, einen früheren Angriff auf den Goldpreis als Beispiel heranzuziehen.

Die erfolgreichste Shortselling-Attacke erfolgte im Juli 2015. In den trägen Sommermonaten vor zwei Jahren war der Goldpreis niedrig, aber stabil. Er hatte sich monatelang zwischen etwa 1.175 $ und 1.200 $ bewegt und war bei gelegentlichen Ausreißern bis auf 1.150 $ gefallen bzw. bis auf 1.225 $ gestiegen. Am Freitag, dem 17. Juli, wurden dann spannende Nachrichten im Goldsektor bekannt. Seit April 2009 hatte die chinesische Regierung behauptet, kein Gold gekauft und die Goldreserven ihrer Zentralbank nicht weiter erhöht zu haben. Doch kaum ein Marktbeobachter hatte das geglaubt.

Völlig überraschend gab die Chinesische Volksbank an diesem Tag im Juli bekannt, dass sich ihre offiziellen Goldbestände auf 1.658 Tonnen beliefen. Gegenüber der zuletzt berichteten Zahl war das ein sprunghafter Anstieg um 57%, doch auch dieser Wert war wahrscheinlich noch falsch und stark untertrieben. Allerdings lag er deutlich unter den Schätzungen der Marktanalysten, die zumeist von mindestens 3.500 Tonnen ausgegangen waren. Der Goldkurs fiel an diesem Tag daher 1% und sank auf 1.134 $, unter die Untergrenze der bisherigen Handelsspanne im Sommer 2015. Natürlich war das Sentiment infolgedessen bearish.

Mit dem Goldkurs am Rande eines technischen Einbruchs entschied einer der großen Spekulanten, dass es Zeit für blitzartige Leerverkäufe sei, um den Prozess zu beschleunigen. Die Ausführung dieser Attacke spät in der Nacht von Sonntag auf Montag, wenn das Handelsvolumen am Goldterminmarkt besonders niedrig ist, war präzise abgestimmt. Der überwiegende Teil des Handels mit Goldfutures findet zwar während der Öffnungszeiten der US-Börsen statt, doch der elektronische Handel ist 23 Stunden am Tag möglich.

Der Montagshandel in den USA beginnt daher praktisch schon Sonntagabend um 18 Uhr New Yorker Zeit. Das ist lange vor der Öffnung der asiatischen Märkte, daher können ungewöhnliche Handelsaktivitäten in diesem Zeitraum nur auf den verlängerten US-Handelstag zurückzuführen sein. In der Sonntagnacht des 19. Juli bemerkte es kaum jemand, als einer der Marktteilnehmer 24.000 Goldfutures innerhalb einer einzigen Minute verkaufte. Es war wirklich verrückt.

Die Spitze im Handelsvolumen war so extrem, dass in dieser einen Minute zweimal ein 20-sekündiger Handelsstopp ausgelöst wurde! Effektiv wurde die enorme Zahl an Goldkontrakten also in wenigen Sekunden verkauft. Der Goldpreis fiel in dieser Minute um 48 $, auf einen Kurs von 1.086 $. Damit war ein neues 5,3-Jahrestief erreicht, welches sich verheerend auf die Stimmung am Goldmarkt auswirkte. Kurz nach diesem Ereignis hatte ich detailliert darüber berichtet.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass der einzige Grund für den Verkauf von mehr als 20.000 Goldkontrakten innerhalb so kurzer Zeit darin besteht, den Goldpreis auf unverschämte Weise nach unten zu manipulieren. Spekulanten auf der Long-Seite des Marktes, die ihre Positionen schließen wollen, würden ihre Futures nie in diesem Tempo verkaufen, da der resultierende Kurseinbruch ihre Verkaufspreise und damit ihren Gewinn schmälern würde. Das Gleiche gilt für normale Spekulanten mit Short-Positionen. Wenn diese davon ausgehen, dass der Kurs sinken wird und deshalb eine Short-Position eingehen, tätigen sie ihre Verkäufe schrittweise, um die besten Einstiegspreise abzupassen.

Sowohl Spekulanten mit Long- als auch mit Short-Positionen wollen ihre Goldfutures zum höchstmöglichen Preis verkaufen. Sie werden ihre eigenen Verkaufspreise und Profite nicht sabotieren, indem sie mehr Kontrakte abstoßen als der Markt aufnehmen kann. Normale, sich rational verhaltende Marktteilnehmer öffnen und schließen größere Positionen deshalb entsprechend des aktuellen Handelsvolumens schrittweise und über mehrere Stunden hinweg. Eine Kauf- oder Verkaufsorder über 20.000 Goldkontrakte, die in Tranchen unterteilt und über mehrere Stunden hinweg ausgeführt wird, hat einen viel geringeren Einfluss auf den Kurs.

Der Blitzangriff in der Nacht vom Sonntag zum Monat im Juli 2015 war also zeitlich genau so geplant, dass er den Goldpreis stark nach unten drücken würde. Und er war ein voller Erfolg! Dennoch hatte diese Attacke keine längerfristigen bearishen Implikationen für den Goldmarkt. Das Tief von 1.086 $, das in dem Moment erreicht wurde, als die Leerverkäufe endeten, war gleichzeitig in etwa der niedrigste Kurs, der an diesem Tag verzeichnet wurde. Der Silberstreif am Horizont des Short-Sellings ist die Tatsache, dass all die Goldfutures schon bald wieder zurückgekauft werden müssen, um die Short-Positionen glattzustellen.


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