David Morgan: "Die beste Situation am Silbermarkt seit Langem"
12.04.2018 | Mike Gleason
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Die Commercials gewinnen allerdings fast immer. Das hängt auch vom jeweiligen Rohstoff ab, aber wir sprechen ja von Silbermarkt. Am Silberterminmarkt entspricht die tatsächliche physische Nachfrage nur einem geringen Teil der an jedem beliebigen Tag ausstehenden Kontrakte. Das gilt übrigens nicht nur für Silber, auch wenn der Unterschied zwischen der physisch gehandelten Menge und dem Handelsvolumen der Papiermärkte dort besonders groß ist. Doch auch bei Mais, Weizen, Bauholz, Kakao, Bauwolle usw. ist das Prinzip das Gleiche: Die physische Menge des jeweiligen Rohstoffs, die am Terminmarkt den Besitzer wechselt, ist im Verhältnis zum Handelsvolumen mit Papierkontrakten verschwindend gering. Meist sind es nur 1% oder 2%. Infolgedessen erfolgt auch die Preisbildung an den Papiermärkten, solange der physische Rohstoff in ausreichenden Mengen vorhanden ist, um die physische Nachfrage zu decken. Bis auf ganz wenige Ausnahmen war das bislang immer der Fall.
Es läuft also folgendermaßen ab: Das Spiel beginnt, der Silbermarkt wird leergefegt, der Preis wird nach unten gedrückt. Viele dieser großen Preiseinbrüche gingen mit massiven Verkäufen an den Terminmärkten einher, an denen man mit einem einzigen Mausklick enorme Mengen verkaufen kann, wenn man will, dass der Preis fällt. Wenn Sie wirklich den besten Preis für einen Vermögenswert bekommen wollen, dann verkaufen Sie ihn langsam und bieten über einen längeren Zeitraum hinweg immer wieder Teilmengen am Markt an, um zu sehen, was vom Markt absorbiert werden kann.
Am Silber- und auch am Goldmarkt geschieht das jedoch nicht. Stattdessen werden in kurzer Zeit massenhaft Kontrakte auf den Markt geworfen. Das kann nur eine logische Folge haben - einen plötzlichen Absturz des Kurses.
Wenn das passiert, streichen die Commercials einen ordentlichen Gewinn ein, weil sie zuvor Short-Positionen hielten, die sie nun gewinnbringend eindecken können. Wenn sich der Markt nach einem solchen Crash wieder stabilisiert, ist das Open Interest stark gesunken, sagen wir von 200.000 ausstehenden Kontrakten auf 100.000 Kontrakte. Sobald der Kurs gefallen ist, kann das Spiel von Neuem beginnen.
Die Fonds eröffnen typischerweise Long-Positionen, während die Commercials als Gegenpartei short sind. Je mehr Kontrakte die Spekulanten also kaufen, desto stärker erhöht sich auch die Short-Position der Commercials. Während dieser Phase steigt der Preis und parallel dazu auch das Open Interest. Es erhöht sich beispielsweise wieder von 100.000 auf 200.000 Kontrakte, bevor den Fonds das Geld ausgeht.
Den Managern und Tradern der Fonds steht schließlich nur eine begrenzte Kapitalmenge zur Verfügung, die sie am Silbermarkt investieren können, denn gleichzeitig spekulieren sie auch noch an diversen anderen Finanzmärkten. Die Commercials wissen das natürlich und starten im richtigen Moment wieder einen dieser massiven Sell-offs, bei denen sie riesige Mengen an Silberfutures auf den Markt werfen. Doch es gibt niemanden, der im Gegenzug als Käufer auftritt. Folglich sinkt der Preis, bis die Orders wieder übereinstimmen und es kommt erneut zu diesem "Ausschwemmen" des Marktes, bei dem das Open Interest stark abnimmt.
Mike Gleason: Dieses Spiel wird also endlos wiederholt. Welche Daten des letzten COT-Berichts stechen nun besonders hervor? Was sind die guten Nachrichten für den Silberpreis und was ist das sprichwörtliche Haar in der Suppe?
David Morgan: Die strukturelle Ausgangslage am Silbermarkt ist aktuell wahrscheinlich die beste, die ich seit langer Zeit gesehen habe, denn die Commercials halten auf Nettobasis schon fast eine Long-Position. Ihre gemeinsame Short-Position ist winzig, was darauf hindeutet, dass das Spiel von vorn beginnen kann. Zudem sind auch die Spekulanten diesmal äußerst bearish positioniert, d. h. sie sind short, und der Kurs ist niedrig.
Diese Ausgangslage scheint also großartig zu sein und zahlreiche Marktbeobachter wie z. B. Craig Hemke von TF Metals haben das bereits kommentiert. Sie haben alle recht mit ihrer positiven Einschätzung dieser Situation, aber im Morgan Report hatten wir in diesem Monat einen Artikel, der doch Zweifel weckt.
Darin wurde darauf hingewiesen, dass das Open Interest bereits sehr hoch ist. Wenn ich mich an die letzten 20 Jahre erinnere, dann waren bullische Situationen für den Silberpreis meist dadurch gekennzeichnet, dass die Spekulanten übervorteilt und aus dem Markt gedrängt worden waren und die Zahl der ausstehenden Kontrakte im Zuge dessen stark gesunken war. Sie lag also eher bei 100.000 als bei 200.000 Kontrakten, um bei diesem Beispiel zu bleiben. Heute bewegt sich das Open Interest allerdings eher in der Nähe seiner Obergrenze und das gibt mir zu denken, Mike. Wenn alle das Gleiche denken, denkt keiner besonders viel, fürchte ich.
Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, was die aktuelle Situation bedeutet. Sie könnte bedeuten, dass die Spekulanten im Falle einer Rally des Silberkurses einen äußerst unangenehmen Short Squeeze erleben, weil sie dann massiv Kontrakte zurückkaufen müssten, um weitere Verluste zu vermeiden. Allerdings haben sie nicht mehr viel Geld, das sie noch in den Silbermarkt stecken können. Dieses Szenario ist eine Möglichkeit, und es ist extrem bullisch.
Es könnte sich aber auch anders entwickeln. Soweit ich weiß kann niemand einen wirklich guten Grund nennen, der erklärt, warum die Situation gerade jetzt so stark für einen Anstieg des Silberkurses spricht, während das Open Interest gleichzeitig so alarmierend hoch ist. Ich habe tatsächlich auch noch eine offene Position, die von einem bestimmten Parameter abhängt. Bis dieser erreicht ist, bin ich jedenfalls gewillt, die weitere Entwicklung am Markt vorerst nur zu beobachten.