David Morgan: "Die beste Situation am Silbermarkt seit Langem"
12.04.2018 | Mike Gleason

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Mike Gleason: Kommen wir nun zu einem anderen Thema. In China begann kürzlich der Handel mit auf Yuan lautenden Öl-Futures. Außerdem hat das Land begonnen, Ölimporte in seiner eigenen Währung zu bezahlen, nicht in US-Dollars. Das Handelsvolumen des neuen Öl-Futures ist bereits ziemlich hoch. Das kommt einem chinesischen Angriff auf die jahrzehntealte Hegemonie des Dollars im internationalen Ölhandel gleich. Wenn dieser Angriff erfolgreich ist, wird er die Stellung des Dollars als vorherrschende weltweite Reservewährung substantiell schwächen. Gleichzeitig hat Präsident Trump Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium aus China erhoben, was die chinesische Regierung dazu veranlasste, mit gleichen Mitteln zu antworten. China belegt Importe aus den USA nun ebenfalls mit Abgaben. Das Land könnte den Handelskrieg zudem weiter eskalieren lassen oder einen Währungskrieg beginnen, indem es seine Dollarreserven abbaut und US-Staatsanleihen verkauft. Es gab auch zuvor schon genügend gute Gründe, sich um die Zukunft des Dollars zu sorgen, doch nun scheinen sich die Aussichten plötzlich noch weiter verschlechtert zu haben. Was halten Sie von den jüngsten Entwicklungen? Ist der "König Dollar" ernsthaft in Gefahr oder sind solche Ängste übertrieben?
David Morgan: In meinem Alter und nachdem ich die Märkte nun schon so lange beobachtet habe, tendiere ich eher dazu, bei Gerüchten zu handeln und die Positionen bei vollendeten Tatsachen wieder zu schließen. "Buy the rumor, sell the news", wie es so schön heißt. Langfristig wird die zunehmende Verlagerung des Ölhandels auf den Yuan sicherlich von großer Bedeutung sein, aber im Moment wird zu viel Wirbel darum gemacht. Die Leute springen förmlich auf und ab, aber ihnen fehlt offenbar eine realistische Perspektive.
Sicherlich glaube ich, dass das auf lange Sicht eine Rolle spielen und zu einer grundlegend anderen Wahrnehmung des Dollars führen wird. Doch was die Finanzmedien und insbesondere das Internet und die sogenannten alternativen Medien im Moment daraus machen, ist übertrieben. Der Dollar ist letztendlich dem Untergang geweiht und wird sich weiter abschwächen, und natürlich werden aktuell nicht allzu viele Dollars benötigt, um ein Barrel Öl zu kaufen.
Es wird auch keine Intervention wie bei Saddam Hussein oder Gaddafi geben, die ebenfalls versuchten, den US-Dollar als Bezahlung für ihr Öl zu vermeiden. China muss selbstverständlich nicht mit vergleichbaren Folgen rechnen. Aber trotz allen glaube ich nicht, dass der Ölhandel in Yuan mittelfristig den entscheidenden Umbruch darstellt, zu dem er im Moment stilisiert wird.
Mike Gleason: Die Edelmetallmärkte entwickeln sich - relativ betrachtet - derzeit recht gut. An den Aktienmärkten kam es indes zu starken Abverkäufen und die Anleihekurse fielen, als sich die Märkte mit der Idee eines höheren Zinsniveaus auseinandersetzten. Für den Dollar, der sich schon seit mehr als einem Jahr im Abwärtstrend befindet, wird es womöglich noch weiter bergab gehen.
Die Metalle konnten dagegen in diesem Jahr Kursgewinne verbuchen, doch die Marktstimmung im Gold- und Silbersektor ist weiterhin am Boden. Diese Märkte benötigen offenbar einen Katalysator, der die Angst oder die Gier weckt, und der dem Interesse und der Nachfrage am Edelmetallmarkt neues Leben verleiht.
Glauben Sie, dass die Märkte einen solchen Katalysator in den kommenden Monaten finden werden, oder sollten sich Gold- und Silberanleger darauf einstellen, dass die Durststrecke noch länger andauert?
David Morgan: Schwierige Frage. Tatsache ist, das Gold das Asset mit der am stärksten ausgeprägten negativen Korrelation zu den Aktienmärkten ist. Wie ich bereits mehrfach öffentlich gesagt habe, glaube ich, dass der Aktienmarkt und auch der Anleihemarkt ihre Höchststände überschritten haben. Das bedeutet, dass die Sternstunde für Gold schließlich kommen wird. Es könnte sich dabei jedoch um eine Art versteckten Aufwärtstrend handeln und möglicherweise war der Ölhandel in Yuan bereits der Katalysator dafür, d. h. die entsprechenden Trends wurden bereits eingeleitet: Die Aktienkurse werden langfristig sinken; der Goldkurs wird langfristig steigen.
Dies könnte jedoch auf eine äußerst unspektakuläre Weise stattfinden. Gold könnte z. B. 5 $ steigen und dann 3 $ fallen, wieder 6 $ steigen und 2 $ fallen usw. Der Kurs kriecht sozusagen Schritt für Schritt nach oben. Er steigt, aber nicht auf eine Weise, die die Aufmerksamkeit von Leuten außerhalb des Goldsektors auf sich zieht.
Dann steht der Kurs plötzlich bei 1.450 $, rund 100 $ höher als heute. Zu diesem Zeitpunkt fangen die Leute wahrscheinlich an zu sagen "Sieh an, Gold ist auf 1.450 $ gestiegen, das wusste ich ja gar nicht. Als ich das letzte Mal nachgeschaut hatte, lag der Kurs noch bei 1.350 $." Das ist ein mögliches Szenario. Ich weiß nicht, ob es so kommen wird, aber der Katalysator ist bereits vorhanden und natürlich gibt es noch eine ganze Reihe weiterer potentieller Katalysatoren.
Eine Ausweitung der Kriege, zusätzliche Konflikte im Nahen Osten, eine signifikante Entwicklung im Zusammenhang mit dem Handelskrieg, weitere Probleme im europäischen Bankensektor, z. B. in Verbindung mit der Deutschen Bank, um nur einige zu nennen. Die Spannungen nehmen definitiv zu und es gibt so viele mögliche Auslöser einer Krise, dass ich es schon fast leid bin, auf all die schwarzen Schwäne hinzuweisen, die zur Zeit herumfliegen.
Die wichtigsten Faktoren sind jedoch der weiterhin sinkende US-Dollar und die fallenden Aktien- und Anleihemärkte in den USA. Bedeutende Akteure einschließlich einer Reihe von Staaten versuchen zur Zeit, ihr Kapital aus dollarbasierten Assets abzuziehen, darunter die Asia Infrastructure Investment Bank und China mit der Umstellung des Ölhandels, die wir eben diskutiert haben. Es gibt Wege und Möglichkeiten, den US-Dollar zu umgehen. Das ist ein weiterer Katalysator, der einen Wandel an den Märkten herbeiführt und auch in Zukunft eine Rolle spielen wird.
In Bezug auf den Goldmarkt müssen wir wahrscheinlich einfach noch ein bisschen Geduld haben. Ich würde wirklich gern sehen, wie der Goldpreis bei hohem Handelsvolumen über die 1.350-$-Linie ausbricht, und ich würde wirklich gern sehen, wie er sich danach Schritt für Schritt nach oben arbeitet. Wenn das geschafft ist, erwarte ich, dass Silber beginnt aufzuholen.