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Moody’s auf Londoner Auge blind?

26.07.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.36 Uhr) bei 1.2145, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im europäischen Handel bei 1.2054 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 78.17. In der Folge notiert EUR-JPY bei 94.95, während EUR-CHF bei 1.2010 oszilliert.

Moody’s lässt und derzeit nicht los. Wir bedienen uns der Reuters-Meldungen und pflegen Kommentare blau eingefärbt ein. (Reuters) - Die Ratingagentur Moody's hat den Ausblick für 17 deutsche Kreditinstitute gesenkt. Betroffen sind Banken, die Staatsgarantien übernommen haben, etwa die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), wie Moody's am Mittwochabend mitteilte. Der Schritt sei eine Folge der schlechteren Bewertung der Aussichten für Deutschland, das größter Garantiegeber für Kredite aus dem EU-Rettungsfonds EFSF ist.

Hinsichtlich des veränderten Ausblicks für Deutschland ist diese Haltung sachlich nicht zu beanstanden. Zu dem Themenkomplex Veränderung des deutschen Ausblicks hatten wir Stellung bezogen. Bei Ratings kommt es darauf an, dass der interdisziplinäre Bereich Sachlichkeit bietet. Diesbezüglich widmen wir uns dem Vereinigten Königreich, um zu überprüfen, in wie weit Moody’s diese Sachlichkeit professionell liefert.

(Reuters) - Die britische Wirtschaft ist im Frühjahr so stark eingebrochen wie seit dem Höhepunkt der Rezession Anfang 2009 nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt sank zwischen April und Juni um 0,7 Prozent zum Vorquartal und damit zum dritten Mal in Folge.

Hier haben wir es gleich mit mehreren Fakten zu tun. Das BIP verzeichnete den stärksten Einbruch seit 2009! Das BIP ist dreimal in Folge gesunken. Werfen wir einen Blick auf das von spekulativen Angriffen gebeutelte Spanien und Großbritannien als auch das jetzt mit einem negativen Ausblick beglückte Deutschland in den letzten drei Quartalen. Wo ist die Qualität bezüglich einer Zukunftsaussage? Im UK beschleunigt sich die Talfahrt heftig!

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Werfen wir einen Blick auf die Themen Neuverschuldung und Gesamtverschuldung 2012:

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Premierminister David Cameron sprach am Mittwoch von enttäuschenden Daten. "Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir unsere Anstrengungen verdoppeln, um unsere Schulden in den Griff zu bekommen, das Defizit anzugehen und die Wirtschaft anzukurbeln", sagte der Regierungschef dem TV-Sender Sky.

Offensichtlich wirkt Verbalakrobatik bei Moody’s, wenn sie aus London tönt. Nicht einmal Reformerfolge der Eurozone, also Fakten, werden von Moody’s bei der Beurteilung der Eurozone anscheinend berücksichtigt. Das ist mindestens fragwürdig, wenn nicht gar unakademisch.

Finanzminister George Osborne räumte "tiefverwurzelte wirtschaftliche Probleme" ein. Ökonomen hatten wegen eines zusätzlichen Feiertages anlässlich des 60-jährigen Thronjubiläums von Königin Elizabeth II. bereits mit einer schwächeren Wirtschaftsleistung gerechnet. Das Ausmaß überraschte die meisten Fachleute jedoch. "Das sind schreckliche Daten", sagte Commerzbank-Analyst Peter Dixon. "Es gibt ehrlich gesagt nichts Gutes, was man daraus ablesen könnte." Christian Schulz von der Berenberg Bank betonte: "Die Rezession im Vereinigten Königreich geht nicht nur einfach weiter, sie verschärft sich auch stärker als erwartet."

Na, Moody’s was machen wir denn jetzt? Bleibt es still bezüglich der Bonität des UK? Der Service-Sektor, der drei Viertel der Wirtschaftskraft ausmacht, schrumpfte um 0,1 Prozent zum Vorquartal. Die Industrie drosselte ihre Produktion um 1,4 Prozent und damit so stark wie seit Anfang 2009 nicht mehr.

Werfen wir einen Blick auf unsere Freunde von "Markit“ aus London, die so vortreffliche Einkaufsmanagerindices veröffentlichen und Deutschland dabei in Grund und Boden schreiben. Wir stellen die Produktionsdaten Deutschlands und Großbritanniens den Bewertungen von "Markit“ gegenüber: Fakt ist, dass das produzierende Gewerbe in Großbritannien seit dem vierten Quartal 2011 in der Rezession steckt. Das gilt nicht ansatzweise für Deutschland. Die monatlichen Veränderungsraten saldieren sich im UK seit Oktober 2011 auf -1,4%, während Deutschland mit +0,7% reüssiert. Nun schauen wir auf die Ergebnisse von dem britischen Anbieter "Markit“ und staunen …

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Laut "Markit“ sind wir seit April 2012 in einer Rezession. „Food for plenty of thought!“ Kurzfristig erwarten Ökonomen von den Olympischen Spielen in London, die am Freitag offiziell eröffnet werden, gewisse Impulse. Jawohl, exogener nicht extrapolierbarer Einmaleffekt.

Die langfristigen Aussichten sind aber weniger rosig. Der Internationale Währungsfonds traut Großbritannien für 2012 nur noch ein Mini-Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent zu. Das erscheint optimistisch und würden nur eine Chance auf Realität haben, wenn die Eurozone nicht zerbräche und unangemessene Spekulationen gegen die Eurozone neutralisiert würden.

Die schwachen Daten erhöhen den Druck auf die Regierung, für mehr Wachstum zu sorgen. Aber die konservativ-liberale Koalition will unter allen Umständen am Sparkurs festhalten und das hohe Haushaltsdefizit von rund acht Prozent abbauen.

Seit 2010 wird reformiert und alles an Zielen verfehlt, was verfehlbar ist, ohne Konsequenzen der Ratingagenturen zu forcieren. Das ist doch mal klasse, davon träumt ganz Griechenland. Die britische Zentralbank hatte im Kampf gegen die Konjunkturflaute und die Schuldenkrise ihr Anleihenkaufprogramm zuletzt um 50 Milliarden auf 375 Milliarden Pfund aufgestockt. Wir verweisen auf unseren gestrigen Report …

Liebe Politiker in Berlin und Brüssel als auch den anderen entscheidenden Metropolen der Eurozone als vor allen Dingen auch in Helsinki, liebe Zentralbanker & Co. in Frankfurt und den anderen Kapitalen:

Wann beginnen wir die Eurozone wirklich mit allen Mitteln zu verteidigen. Wie viel Fakten, die einen Finanzkrieg gegen die Eurozone implizieren, müssen wir hier noch liefern? Ja, Sie liegen richtig, viele meiner Kollegen ersticken diesbezüglich an "Politsicher Korrektheit“. Sie wissen aber auch, dass "Politische Korrektheit“ eine eingeschränkte Korrektheit und damit per Definition inkorrekt ist. In einem Finanzkrieg ist es nett mit Tauben, Zahlen und einem Schweizer Taschenmesser in den Kampf zu ziehen, es ist aber in einer Auseinadersetzung mit "Finanzpanzern“ um sein oder Nichtsein nicht Ziel führend. Ansonsten teilen Sie uns bitte mit, dass die Eurozone Geschichte ist.

Wir verzichten heute auf die Kommentierung der gestern veröffentlichten Daten. Fakten scheinen ja ohnehin irrelevant zu sein, es sei denn sie sprechen gegen die Eurozone. Der IFO war schwächer als erwartet, was wir gestern bereits vermuteten ….

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Erst ein nachhaltiges Überwinden der Widerstandszone bei 1.2370 - 00 neutralisiert den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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