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Europa auf der Überholspur - EZB nicht ansatzweise!

12.05.2017  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.0871 (07.50 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.0839 im europäischen Handel markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 113.75. In der Folge notiert EUR-JPY bei 123.65. EUR-CHF oszilliert bei 1.0953.

Es ist schon bermekenswert. Die lauten Stimmen (Goldman, Citi, Deutsche Bank), die in dem Währungspaar EUR-USD die Parität und sogar Niveaus von 0,90 propagierten, dabei fundamentale für die Eurozone sprechende Aspekte vollständig ausblendeten, aber trotz dieser handwerklichen Fehlleistungen eine massive Resonanz im Medienwald erzielten, die dann auch zu entsprechenden Positionierungen an Märkten führte, gestehen ihre Fehlprognosen ein und rücken von diesen Zielen ab. Deutsche Bank war recht früh, Cito zog nach und gestern kam Goldman mit der Revision.

Wir freuen uns, diesen Stimmen aus sachlicher Analyse heraus nicht gefolgt zu sein.

Kontinentaleuropa ist auf der Überholspur! Die hier seit mehreren Jahren thematisierte These des Aristoteles bestätigt sich Stück für Stück. Die Strukturreformen der Eurozone tragen Früchte! Die EZB scheint das nicht zu tangieren, sie ist förmlich auf der Kriechspur. Die Mindestgeschwindigkeit auf Autobahnen ist 80 lieber EZB-Rat!

Neue Prognosen der der EU:

  • BIP Prognosen Eurozone: Revision 2017 von bisher 1,6% auf 1,7%, Prognose 2018 unverändert bei 1,8%
  • Defizitprognosen: 2017: 1,4% des BIP 2018: 1,3%

Deutschland, das früh im Reformzykllus war, reüssiert jetzt eben nicht nur mit den andauernden Konjunkturerfolgen, sondern immer stärker auch mit positiven Haushaltslagen, die von den Europaskeptikern nicht ansatzweise so erwartet wurden.

Dieselben Kreise, die die aktuellen Reformländer abschrieben und zu Teilen immer noch abschreiben, haben auch Deutschland bis 2010 als "Old Europe" diffamiert oder abträglich als Basarökonomie ins vermeintliche Abseits gerückt. Das Gedächtnis einiger Markt- und Medienteilnehmer ist so unendlich kurz …

Laut erster Schätzung legte das deutsche BIP im ersten Quartal 2017 im Quartalsvergleich um 0,6% zu. Im Jahresvergleich lag die Zunahme bei 1,7%. Das Vorquartal wurde im Jahresvergleich von 1,2% auf 1,8% Wachstum revidiert.

Bis zum Jahr 2021 soll der Staat 54 Mrd. Euro mehr Steuereinnahmen erzielen als bei der Steuerschätzung per November letzten Jahres unterstellt.

Justament zum Zeitpunkt dieser vom Mainstream nicht erwarteten strukturellen Erholung Kontinentaleuropas wendet sich das strukturell angeschlagene UK von Kontinentaleuropa ab. Das ist eine bemerkenswerte Leistung. Mehr noch ist diese Leistung im Falle des Brexit aller Voraussicht nach ein weiteres Konjunkturpaket für Kontinentaleuropa!

Exporte in das UK werden fraglos leiden, da stimmen wir den Herren Fratzscher (DIW) und Fuest (IFO) zu. Das können wir aber mit Leichtigkeit verschmerzen. Da widersprechen wir den Kollegen der ökonomischen Prudenz, die sich nur auf die negative Seite der Medaille fokussieren, denn es gibt eben auch eine positive Seite, die viel bedeutender ist:

Dieser "Schmerz der Exporteinbußen" wird mehr als wettgemacht durch die anstehenden Produktionsstättenverlagerungen, die den "Lebensnerv" Kapitalstock nach Kontinentaleuropa bringen, die größere Lohnsummen in Kontinentalaeuropa als Folge haben, de durch die vermehrte Beschäftigung die Sozialsystems stärken (und das UK schwächen). Der kontinentaleuropäische Binnenverkehr wird als Konsequenz zunehmen.

Aktuell nivellieren sich die Einflüsse der Abwertung des britsichen Pfundes. Abwertungen sind eben keine Strukturmaßnahmen, sondern Finanzkosmetik, die kurz-, aber nicht mittel- und langfristig trägt (Aristoteles).

Die Herren und Damen, die regelmäßig mit dem Kosmetiktopf hantieren, wissen, was ich meine. Wenn der Grenznutzen erreicht wird, muss geschnitten werden …

Die Bank of England erwartet einen „Soft Brexit“ und hat keine Antworten für "Hard Brexit". Das ist sportlich! Die erste Zinserhöhung ist per 2019 wahrscheinlich, Inflation hin oder her. Nur durch die höhere Inflation (Abwertung des GBP) kommt es jetzt erkennbar und fühlbar verstärkt zu Reallohnverlusten. Das beginnt den Konsum zu belasten. Auf der High Street im UK stellt man fest, dass ein gewisses Maß an Frugalität um sich greift.

Harte Daten beginnen Schwäche zu zeigen. Der Abwertungseffekt lässt nach:

  • Industrieproduktion per März im Monatsvergleich -0,5% (Prognose -0,3%),
  • Jahresvergleich 1,4% (Prognose 2,1%).
  • Handelsbilanz per März -13,44 Mrd. (Prognose -11,8 Mrd.).

Die US-Erzeugerpreise legten per April im Monatsvergleich um 0,5% zu. Die Prognose war bei 0,2% angesiedelt. Im Jahresvergleich stellt sich der Anstieg auf 2,5% nach 2,3% (Prognose 2,2%). Damit wurde das höchste Niveau seit März 2012 markiert. Die Kernrate stellte sich auf 1,7% nach 1,6%.

Das Thema Stagflation wird sukzessive prominenter - wann kommen die Platzhirsche des Marktes mit enger medialer Begleitung bei diesem Thema an oder ist man auf dem Auge betriebsblind?

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© Reuters


Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.0820-1.0850 dreht den Bias zu Gunsten des USD.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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