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Überhitzungsgefahr in China

15.04.2010  |  Eugen Weinberg
Energie

Beflügelt durch die "schwachen" Lagerbestandsdaten in den USA konnte der Rohölpreis gestern am Nachmittag kräftig zulegen: Nach dem schwächeren Wochenauftakt notiert der nächstfällige Kontrakt für WTI nun wieder spürbar über der Marke von 85 USD je Barrel. Gemäß der Daten des amerikanischen Energieministeriums sind die Rohöllagerbestände in der Woche zum 9. April um 2,2 Mio Barrel überraschend geschrumpft. Ausschlaggebend waren zum einen spürbar gefallene Importe. Zum anderen ist die Verarbeitung in den Raffinerien in den letzten Wochen deutlich angesprungen. Aktuell liegt die Kapzitätsauslastung mit 85,6% 5 Prozentpunkte höher als einen Monat zuvor. Damit erreicht sie fast wieder den Durchschnitt der letzten fünf Jahre.

Darüber hinaus wurde vor allem der Rückgang der Benzinvorräte euphorisch aufgenommen, der nach den am Vortag veröffentlichten Zahlen des American Petroleum Institut unerwartet kam. Tatsächlich ist die US-Benzinnachfrage in der Woche zum 9. April kräftig angesprungen und lag mit 9,3 Mio. Barrel pro Tag immerhin fast 2% über dem Fünfjahresdurchschnitt. Auch wenn der letzte Wert wohl etwas überzeichnet, ist damit eine Belebung der Benzinnachfrage in den USA klar zu erkennen. Der ebenfalls gestern veröffentlichte Monatsbericht der OPEC enthielt dagegen wenig Neueinschätzung: die OPEC ließ ihre Schätzung für die Ölnachfrage 2010 nahezu unverändert bei konservativen 85,2 Mio. Barrel pro Tag; lediglich die Prognose für die Angebotsausweitung außerhalb der OPEC wurde wie von der IEA auch nach oben angepasst.

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Positiv überraschten nicht zuletzt die Konjunkturdaten für China; das kräftige BIP-Wachstum bestätigt den rasch wachsenden Energiebedarf. Allerdings haben diese Daten eine Kehrseite: denn sie zeigen zugleich den Bedarf einer Drosselung der Wachstumsdynamik. Damit könnte die aktuelle Triebfeder für das Wachstum der globalen Ölnachfrage an Kraft verlieren.


Edelmetalle

Nach den Preiszuwächsen der vergangenen Tage geben die Edelmetalle heute Morgen im Zuge eines etwas festeren US-Dollar leicht nach. Das Interesse an Rohstoffen allgemein und an Gold im Speziellen dürfte jedoch mangels attraktiver Anlagealternativen weiter hoch bleiben, nachdem gestern der Vorsitzende der US-Notenbank Fed, Ben Bernanke, abermals bestätigt hat, die Zinsen noch für einen längeren Zeitraum auf niedrigem Niveau zu halten.

Das Research-Unternehmen GFMS geht in seinem gestern veröffentlichten Goldmarktbericht von einer anhaltend hohen Investmentnachfrage aus, nachdem sich diese bereits im letzten Jahr auf fast 60 Mrd. USD mehr als verdoppelt und die Schmucknachfrage als größte Nachfragekomponente abgelöst hat. Allerdings erachtet GFMS das Preispotenzial von Gold als begrenzt. Zum einen wird dies auf die gestiegene Minenproduktion zurückgeführt, die im letzten Jahr den zweithöchsten Wert überhaupt erreichte und auch dieses Jahr steigen sollte. Zum anderen dürfte das so genannte De-Hedging der Produzenten in diesem Jahr vernachlässigbar sein, nachdem im letzten Jahr viele Unternehmen ihre Hedge-Bücher deutlich reduziert bzw. sogar ganz geschlossen haben.


Industriemetalle

Die heutige Reaktion der Metallpreise ist angesichts robuster Konjunkturdaten aus China als enttäuschend zu bezeichnen. Am Markt werden anscheinend die Befürchtungen einer Überhitzungsgefahr im Reich der Mitte größer. Das BIP-Wachstum war im ersten Vierteljahr mit 11,9% das stärkste seit dem zweiten Quartal 2007 und lag damit über den Erwartungen. Die chinesische Regierung wird weitere Schritte zur Abkühlung der Wirtschaft einleiten müssen, um das Ziel von 8% Wachstum für das Gesamtjahr 2010 nicht zu überschreiten. Dies sollte sich negativ auf die Rohstoffnachfrage und damit -preise auswirken.


Gemäß Angaben der International Lead and Zinc Study Group (ILZSG) bestanden sowohl am Zink- als auch am Bleimarkt im Februar globale Überschüsse von 29,2 Tsd. bzw. 6,7 Tsd. Tonnen. Während sich damit der Angebotsüberschuss bei Zink im Vergleich zum Vormonat deutlich reduziert hat, hat sich dieser bei Blei mehr als verdoppelt. Im Vergleich zu den anderen Metallpreisen bleiben Zink und Blei noch relativ deutlich von ihren Anfang Januar erzielten Jahreshochs entfernt. Im Gegensatz dazu steigt Nickel auf nahezu 27.000 USD je Tonne und damit den höchsten Stand seit fast zwei Jahren. Der größte japanische Nickelproduzent, Sumitomo Metal Mining, erwartet, dass der Markt aufgrund einer steigenden Nachfrage aus der Edelstahlindustrie in diesem Jahr zum ersten Mal seit 4 Jahren wieder ein Defizit aufweisen wird.


Agrarrohstoffe

Der Markt für Baumwolle steht noch immer unter dem Eindruck des niedrigen Angebots, insbesondere aus dem größten Exportland USA. Auch weltweit ist das Angebot bereits seit drei Jahren rückläufig. Dabei hat die Nachfrage wieder angezogen. Der Preis hält sich derzeit in einem seit seinem starken Anstieg im Februar zu beobachtenden Preisband von 78 bis 83 US-Cents je Pfund. Die hohe Nachfrage, insbesondere aus China, scheint dies zu rechtfertigen. Chinas Importe könnten nach einer verringerten Aussaat im eigenen Land in 2010 möglicherweise wieder stark zulegen: Ein Plus von etwa 30% ist denkbar. Zudem wurden auch zuletzt die Schätzungen für das Angebot sowie für die erwarteten Bestände an Baumwolle zum Ende des Wirtschaftsjahres 2009/10 im Juli vom USDA nochmals leicht zurückgenommen und zeigen nun ein Minus von 5,3% bzw. 19% gegenüber dem Vorjahr.

Das Interesse der spekulativen Finanzanleger ist ebenfalls ungebrochen: Die Netto-Long-Positionen liegen nach einem Absacken zu Jahresbeginn wieder auf hohem Niveau. Wir rechnen allerdings damit, dass künftig die Aussicht auf ein steigendes Angebot in 2010/11, insbesondere durch die drastisch erhöhte Baumwollfläche in den USA (+15%), am Markt an Gewicht gewinnen und die Preise dämpfen wird. Das International Cotton Advisory Committee schätzt den Produktionszuwachs in 2010/11 auf 12%, während der Verbrauch nur um 2% steigen soll. Damit sollte der Lagerabbau zu einem Ende kommen.


DOE Daten: US-Lagerbestände Rohöl, Ölprodukte und Erdgas

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Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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