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USA im weltweiten Fokus!

15.07.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute Morgen bei 1.4170 (07.50 Uhr), nachdem im US-Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.4116 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 79.15. In der Folge notiert EUR-JPY bei 112.15, während EUR-CHF bei 1.1550 oszilliert.

Das Thema der Staatsdefizite dominiert aktuell auf beiden Seiten des Atlantiks und hält die Märkte in Atem.

Während die Ratingagenturen die letzten 18 Monate solitär die Eurozone drangsalierten und prozyklisch, die realen und zu erwartenden Reformerfolge ignorierend, Portugal, Griechenland und Irland in die Kapitalmarktunfähigkeit beförderten, wenden sie sich nun auch den USA zu. Das wirkt bezüglich der Gebote der Fairness und der identischer Maßstäbe zunächst leicht erfrischend. Der erste Blick reicht hier nicht aus. Schauen wir genauer hin. Es wird nicht gleich scharf geschossen, wie im Falle der Eurozone. Man droht seitens S&P und Moody’s zunächst lediglich an.

Dabei könnten die Unterschiede zwischen der Eurozone und den USA nicht größer sein. Während die USA ihre Zukunft konsumtiv verfrühstücken mit Budgetdefiziten in Höhe von zuletzt mehr als 10% des BIP pro Jahr ohne jedweden Reformansatz, ergibt sich für die Eurozone eine ganz andere Entwicklung. In der Spitze von 6,3% per 2009 sinkt die Neuverschuldung per 2011 auf 4,3% und laut Europäischer Kommission auf 3,5% per 2012.

Diese Bilanz ist als Konsequenz der größten Finanzkrise seit 1929/32 mehr als beachtlich. Noch bedeutender wird dieser Erfolg der Eurozone, wenn berücksichtigt wird, dass Japan und das Vereinigte Königreich gleichfalls wie die USA mit Defiziten im Bereich von 10% und mehr aufwarteten und weiter aufwarten.

Die schnelle Reaktion der Eurozone, Reformen seit Ende 2009 umzusetzen, unterscheidet die Eurozone von den USA, Japan und dem Vereinigten Königreich.

Die Tatsache, dass durch die aggressiven prozyklischen Herabstufungen der kontinentaleuropäischen Reformländer Kapitalzuflüsse in die Reformländer förmlich unterbunden wurden und damit die Reformerfolge nivelliert und unterminiert wurden, muss als äußerst kritisch bewertet werden.

Um so mehr ist es irritierend, dass die noch enttäuschendere Konstellation im Vereinigten Königreich bezüglich der Konjunkturlage und weiter extrem hohen Defiziten bei 10% im Rahmen der Reformen keinen kritischen Ton der Agenturen provoziert.

Hier wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen. Das irritiert gerade vor dem Hintergrund Irlands. Irland erfüllt alle Bedingungen und wird trotzdem in die Kapitalmarktunfähigkeit katapultiert und auf Ramschstatus gesetzt. „Food for thought!“


Noch interessanter wird es, wenn die USA sich zu Reformen bereit finden:

• Werden die Agenturen dann auch prozyklisch agieren, in dem sie Extremsituationen sportlich extrapolieren?
• Oder werden die Agenturen die geplanten Reformen mit hohem Vertrauensvorschuss begleiten und damit eine antizyklische Gangart einlegen?.

Falls das der Fall sein sollte, ist nicht nur ein impliziter, sonder ein expliziter Beleg der politischen Agenda dieser Veranstaltungen gegeben!

Das forcierte einerseits einen objektiver Sachzwang zur Etablierung einer europäischen Agentur und andererseits böte es den Anlass, den Umgang mit diesen Institutionen zu überdenken.


Wenden wir uns den gestrigen Veröffentlichungen zu:

Die Verbraucherpreise der Eurozone legten per Juni um 2,7% im Jahresvergleich nach zuvor gleichfalls 2,7% zu. Das entsprach den Erwartungen.

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In den USA sanken die Arbeitslosenerstanträge deutlich von zuvor 427.000 (revidiert von 418.000) auf 405.000. Die Prognose war bei 415.000 angesiedelt. Diese Entwicklung ermutigt.

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Die US-Erzeugerpreise sanken per Berichtsmonat Juni im Monatsvergleich um -0,4%. Die Prognose lag bei -0,2%. Im Jahresvergleich stellte sich als Konsequenz ein Anstieg in Höhe von 7,0% nach zuvor 7,0% ein.

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Der Index der Erzeugerpreise ist unten angebildet. Für die nachhaltigen Belastungen im zweiten Quartal 2011, ob Japan, Nordafrika oder die Defizitkrise mit jeweils lähmenden Einflüssen auf die globale Wirtschaft, ist das Preisniveau äußerst resistent. Das gilt nicht nur für US-Erzeugerpreise, sondern es gilt für die globale Entwicklung. „Food for thought!“

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Die US-Einzelhandelsumsätze legten per Juni um 0,1% zu. Analysten hatten einen Rückgang um 0,1% erwartet. Der Vormonatswert wurde von -0,2% auf -0,1% revidiert. Im Jahresvergleich ergab sich preislich unbereinigt eine Zunahme um 8,1% nach zuvor 7,8%.

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Die US-Lagebestände wachsen weiter. Das ist auch angemessen. Die Lagerhaltung ist und bleibt global sehr angespannt. Per Mai kam es zu einem Anstieg um 0,96% (Prognose 0,8%). Der Vormonatswert wurde von 0,8% auf 0,95% nach oben revidiert. Das Verhältnis zwischen Lagerbestand und Absatz stellte sich auf 1,28 Monatsumsätze wie im Vorjahresmonat.

Insgesamt lieferten die Konjunkturdaten aus den USA in der Tendenz positiv überraschende Akzente.

Das deckt sich mit unserer positiven globalen Konjunkturerwartung für das zweite Halbjahr 2011. Sofern die Politik in Europa, aber insbesondere in Deutschland (!!!) und in den USA die Weitsicht und Weisheit hat, die durch die 33.500 Mrd. USD Intervention (G-30) erreichte Stabilität nicht billig aufs Spiel zu setzen, wird der qualitativ beste globale Wirtschaftszyklus (siehe Jahresausblick 2011) weiter heilende fiskalische Effekte liefern. Das gilt vor allen auch für Deutschland.

Wir weisen die letzten zwei Jahre darauf hin, dass die Defizitprognosen der Regierung zu Jahresbeginn bereits Makulatur sind.

Die laut jüngster Steuerschätzung zu erwartenden 135 Mrd. Mehreinnahmen bis 2014 werden sich nur einstellen, wenn die Integrität der Eurozone nicht verletzt wird. Der Eurobond ist smart ... man kann ihn ja nach fünf Jahren überprüfen und unter Umständen zu dem aktuellen Modell zurückfinden … das wäre doch ein charmanter Kompromiss ... oder Herr Schäuble?

Nicht nur Deutschland reüssiert bei der fiskalischen Gesundung. Der Haushaltsüberschuß in China stellte sich in den ersten sechs Monaten 2011 auf 193 Mrd. USD. Das ist doch einmal eine Hausnummer!

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, dass den Euro favorisiert. Ein Unterschreiten der Tiefstkurse per 12.7. bei 1.3835 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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