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Der Euro bleibt unter Druck …

18.07.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute Morgen bei 1.4070 (07.45 Uhr), nachdem im asiatischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.4053 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 79.00. In der Folge notiert EUR-JPY bei 111.20, während EUR-CHF bei 1.1435 oszilliert.

Zu Wochenbeginn bleibt der Euro unter Druck. Die Tatsache, dass die USA bei ihren Defizitproblemen nicht ansatzweise weiter kommen, ist für die Profis am Devisenmarkt irrelevant. Der Umstand, dass das öffentliche Defizit weiter im Dunstkreis von 10% des BIP oszilliert und die Gesamtschulden die 100% Marke gerissen haben, ist unerheblich. Die aktuelle kreative Buchführung in den öffentlichen Haushalten wird sportlich akzeptiert.

Auch die Tatsache, dass es in den USA im Gegensatz zu der Eurozone keine Reformen gibt, ist irrelevant. Gleichfalls sind die eigentlichen Probleme der USA (unter anderem "Asset-Driven Economy, Mix der Volkswirtschaft, zu großer Macht der Banken, unausgewogenes Steuersystem), die offenbar weder der Politik in den USA noch dem Finanzmarkt bewusst sind, irrelevant. Schwache US-Wirtschaftsdaten sind bestenfalls gut, als Belastung des Euros missbraucht zu werden. Wir sind von dieser kognitiven Meisterleistung mehr als beeindruckt.

In der Eurozone wird dagegen weiter an Lösungen gearbeitet. Einig ist man sich über das Ziel. Der Euro wird nicht in Frage gestellt. Es gilt, Ansteckungen zu verhindern und die Reformländer nachhaltig zukunftsfähig aufzustellen. Diesbezüglich kam es am Wochenende zu vielstimmigen Einlassungen. Es geht ultimativ um die technischen Lösungen unter den oben genannten Prämissen.

Deutschlands Vorfestlegung war in diesem Prozess wenig hilfreich. Die Beteiligung der privaten Hand macht ohne öffentlichen Hintergrund gerade einmal 1 Mrd. Euro aus. Deswegen sehr viel europäisches Porzellan zu zerschlagen, ist eine diplomatische Leistung, auf die wir hier nicht näher eingehen wollen.

Dass der private Sektor, insbesondere die Mitglieder der globalen Bankenaristokratie, so mickrige Beiträge leisten, obwohl ihnen in der Krise durch die öffentliche Hand das Weiterleben erst ermöglicht wurde (für DB war es die Rettung von AIG), ist ein Skandal für sich und belegt, dass diese Institutionen nicht volkswirtschaftliche Funktionen erfüllen, sondern ihr egozentrischer Selbstzweck ultimativ bestimmend ist. Das sollte einige politisch verantwortliche Damen und Herren gedanklich dazu verleiten, Konsequenzen aus diesem Verhalten zu ziehen (siehe "Endlich Klartext" - Zerschlagung der Bankenaristokratie – perfekte Märkte erfordern ein Polypol und kein Oligopol)!

Von Seiten der EZB und der Bundesbank kommen klare Signale. EZB-Präsident Trichet (FTD Interview) betonte, dass Europa die Defizitkrise überwinden kann, wenn der Wille und Determination dafür vorhanden sei. Dem stimmen wir absolut zu.

Trichet betonte, dass die EZB keine Staatspapiere von Ländern mit Zahlungsausfall als Sicherheit akzeptieren werde. Das ist laut Statut genau so. Hier gilt es Respekt vor der EZB und den Maßnahmen zu beweisen, die sie in der Vergangenheit zur Stabilisierung geleistet hat. Wir sollten nicht den Fehler machen aus der EZB eine zweite Federal Reserve zu machen, die wie ein Seifenspender beliebig politisch instrumentalisiert wird. Bundesbank Präsident Weidmann hat sich gegen eine Staatsinsolvenz Griechenlands ausgesprochen, da sie die griechischen Probleme nicht lösen würde. Das ist richtig. Mehr noch ist eine Staatsinsolvenz nicht zwingend erforderlich. Laut IWF liegt die Schuldentragfähigkeit bei knapp 200% des BIP.

Was Griechenland und die anderen Reformländer brauchen, ist Ruhe (= echte Abschirmung), um die Reformen umzusetzen. Die latent durch Ratingagenturen und den Finanzmarkt inklusive seiner wahrhaften "Koryphäen" verursachte Nervosität und das daraus partiell resultierende Chaos ohne Würdigung der Reformtiefe und der Reformerfolge verhindert die Traktion in der Realwirtschaft. Eurobonds lehnt Weidmann ab. Das nehmen wir mit Bedauern zur Kenntnis. Der Einwand Weidmanns, dass dadurch die Reformfreude abnehmen könne, ist nicht überzeugend. In Budgetfragen gilt es, die Rolle der EU zu stärken, was ohnehin geplant ist. Der Eurobond würde genau die Abschirmung bieten, die die Reformländer brauchen. Mehr noch würde deutlich werden, dass die Eurozone in der Gesamtheit sehr viel besser aufgestellt ist als die USA, Japan und das Vereinigte Königreich.

Europa hat und vermehrt Zukunftsfähigkeit. Das ist grundsätzlich die Erkenntnis aus der globalen Finanzkrise. Es ist erstaunlich, dass diese durch Daten und Reformen offensichtlichen Fakten eine so geringe Wahrnehmung erfahren und wir in Europa selbst kaum Respekt vor diesen Realitäten haben.


Wenden wir uns den Veröffentlichungen des letzten Freitags zu:

Die Handelsbilanz der Eurozone war per Mai ausgeglichen nach einem Defizit in Höhe von -4,8 Mrd. Euro im Vormonat. Das leicht defizitäre Grundmuster bleibt bestehen. Dieses Grundmuster unterscheidet sich von dem hochdefizitären Bild der USA in eindeutiger Manier.

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Die Daten aus den USA waren in der Gesamtheit im höchsten Maße enttäuschend. Um so erstaunlicher ist die Reaktion in der Parität EUR-USD. Wir nehmen das sportlich zur Kenntnis. Die US-Verbraucherpreise sind per Juni im Monatsvergleich um 0,2% gesunken. Die Prognose lag bei -0,1%. Im Jahresvergleich übersetzte sich das in einen Anstieg um 3,4% nach zuvor 3,4%. Wir weisen darauf hin, dass die Preismessung in den USA in hohem Maße von Kreativität gekennzeichnet ist. Nach Berechnungen auf Basis der Erhebungen um 1990 würde das Preisniveau jenseits der Marke von 6% oszillieren. Hier findet sich übrigens die Erklärung für die Verarmung des US-Mittelstands.

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Der "NY-Empire State Manufacturing Index" enttäuschte bitter mit einem Anstieg von -7,8 auf -3,8 Punkte. Die Prognose lag bei +4,50 Zählern. Damit kam es zum zweiten negativen Ergebnis in Folge, das Kontraktion in dieser Region für diesen Zweig der Wirtschaft impliziert.

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Die Industrieproduktion lieferte per Juni einen Anstieg im Monatsvergleich um 0,2%. Die Prognose war bei 0,3% angesiedelt. Zudem wurde der Vormonatswert von +0,1% auf -0,1% revidiert. In der Folge blieb die Kapazitätsauslastung unverändert bei 76,7%.

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Das Verbrauchervertrauen nach Lesart der Uni Michigan brach unerwartet von zuvor 71,5 auf 63,8 Zähler ein und markierte damit den niedrigsten Stand seit März 2009! Natürlich spielt dabei die Debatte um das US-Schuldenlimit eine wesentliche Rolle. Offensichtlich sind die US-Verbraucher besorgter als die Devisenhändler. Spaß muss sein ….

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, dass den Euro favorisiert. Ein Unterschreiten der Tiefstkurse per 12.7. bei 1.3835 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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