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Der große japanische Goldhandel von 1859

19.04.2019  |  John Paul Koning
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Nach seiner Ankunft im September 1856 begann Harris sogleich, Briefe an Beamte zu schicken, in denen er Widerspruch gegen den bereits etablierten Wechselkurs von einer Ichibu zu einem Dollar erhob (Hanashiro, 1999). Allerdings konnte er keinen großen Fortschritt verzeichnen. Die Japaner hatten ihrerseits ausgezeichnete Gründe, den Wechselkurs von einer Ichibu zu einem Dollar zu bevorzugen. Auf Drängen von Perry und Harris wiesen japanische Beamte zu Recht darauf hin, dass die Ichibu nicht wie der mexikanische Dollar war, dessen Wert von seinem Silbergehalt ausging. Tatsächlich war die Ichibu eine Scheidemünze.


Anlagemünzen vs. Scheidemünzen

Den Lesern dieses Artikels werden Scheidemünzen sehr vertraut sein. Das liegt daran, dass alle heutigen Kursmünzen Scheidemünzen sind. Eine Ein-Euro-Münze zum Beispiel wiegt 7,5 Gramm, 75% davon sind Kupfer, 15% Nickel und 10% Zink. Der Marktwert dieser Metalle liegt bei ca. 0,05 Euro, viel weniger als der Nennwert von 1 Euro. Diese Differenz von 0,95 Euro zwischen ihrem Sachwert und ihrem Nennwert qualifiziert die Ein-Euro-Münze als Scheidemünze.

Stellen Sie sich vor, ein Außerirdischer käme 2019 auf die Erde und unterbreite einer Pariserin das folgende Geschäft. Er kauft alle 7,5 Gramm schweren Ein-Euro-Münzen, die die Pariserin hat, mit einer leeren 7,5 Gramm schweren Scheibe aus Kupfer, Nickel und Zink. Würde die Pariserin dieses Angebot annehmen? Natürlich nicht. Sie würde Münzen weggeben, die für einen Euro das Stück gehandelt werden, und dafür Scheiben erhalten, die nur einen Bruchteil davon wert sind.

Ebenso wie die Pariserin die Scheiben der Außerirdischen nicht annehmen wollen würde, waren die Japaner verständlicherweise abgeneigt, ihre Ichibus auf Grundlage ihres Gewichts wegzugeben. Wie bei der Euromünze basierte der Wert der Ichibu nicht auf ihrem Metallgehalt, sondern auf dem Versprechen der Machthaber, sie zu einem Kurs anzuerkennen, der weit höher ist als der Metallwert. Der Verkauf von Ichibus an die Amerikaner auf Gewichtsbasis minderte ihren Wert drastisch, genauso wie der Verkauf von Euromünzen für Metallscheiben eines Außerirdischen den Wert des Euro mindern würde.

Es ist möglich, dass Harris und seine amerikanischen Kollegen das Konzept von Scheidemünzen einfach nicht begriffen. Damals wurde der Wert von Silbermünzen in den USA anhand ihres Metallwerts angegeben. Oder vielleicht haben sie auch absichtlich den Status der Ichibu als Scheidemünze ignoriert. Wie dem auch sei, beharrte Harris so lange auf seinem Vorschlag, bis die Tokugawa-Regierung seinen Forderungen nachgab. Im japanisch-amerikanischen Freundschafts- und Handelsvertrag von 1858 akzeptierten die Japaner einen Wechsel anhand des Gewichts der beiden Münzen, d. h. drei Ichibus für einen Dollar.

Diese neue Beziehung zwischen Dollar und Ichibu zerstörte den Scheidemünzenstatus der Ichibu. Nicht nur das, es erschuf eine tolle Gelegenheit zur Arbitrage zwischen dem mexikanischen Dollar und der Goldkoban, womit der Weg für den Goldwahn von 1859 geebnet wurde.


Die Silber-Gold-Arbitrage

Mit dem Wechselkurs von einer Ichibu zu einem Dollar gab es keine Möglichkeit zur Arbitrage zwischen mexikanischem Dollar und japanischer Koban. Ein amerikanischer Händler konnte vier Dollar in vier Ichibu eintauschen. Diese konnten dann nach dem offiziellen Kurs des Tokugawa-Shogunats in eine Goldkoban gewechselt werden. Eine Koban enthielt ca. 6,3 Gramm des gelben Metalls (Bytheway & Chaiklin, 2016).

Nachdem die Koban eingeschmolzen und exportiert wurde, konnte der Händler diese 6,3 Gramm Gold für Silber zu einem Welt-Silber-Gold-Verhältnis von 15,5:1 verkaufen und somit einen Nettogewinn von 98 Gramm Silber machen. Da ein mexikanischer Dollar 24,5 Gramm Silber beinhaltet, entsprachen 98 Gramm Silber vier mexikanischen Dollar. Somit erhielt der amerikanische Händler aus ursprünglich in Japan ausgegebenen vier mexikanischen Dollar am Ende vier Dollar. In diesem Handel war kein Profit zu holen. Unten links habe ich dargestellt, wie sich die Dinge ausgeglichen haben.

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Die Profitabilität des Verkaufs von mexikanischen Dollar in Japan


Harris Gewichtsregel von 1859 kippte die Rechnung dramatisch zugunsten der amerikanischen Seite. Wo ein Amerikaner zuvor vier Dollar in vier Ichibus eintauschen durfte, hatte er nun das Recht auf zwölf Ichibus. Diese zwölf Ichibus konnten ihrerseits drei Koban kaufen, die insgesamt 19 Gramm Gold enthielten (je 6,8 Gramm). Auf dem internationalen Markt waren 19 Gramm Gold 294 Gramm Silber oder 12 mexikanische Dollar wert (294 g geteilt durch 24,5 g je Münze).

So konnte nach dem neuen Wechselkurs ein amerikanischer Händler wie durch Zauberhand vier mexikanische Dollar in zwölf mexikanische Dollar verwandeln. Indem das Silber ständig zwischen dem Weltmarkt und Japan in Umlauf gebracht wurde, war es theoretisch möglich, unbegrenzt Profit zu erzielen. (Um die Rentabilität dieses Handels zu verstehen, siehe Berechnung oben rechts). Unten hat das Museum der Bank of Japan eine gute Darstellung dieses Handels zur Verfügung gestellt.


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