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Der Offenmarktausschuss ist im Fokus, die europäische Politik natürlich auch …

25.01.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.45 Uhr) bei 1.3020, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Höchstkurse im europäischen Handel bei 1.3062 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 77.95. In der Folge notiert EUR-JPY bei 101.50, während EUR-CHF bei 1.2095 oszilliert.

Der US-Offenmarktausschuss tagt heute. Erstmalig wird die neue Transparenz der Federal Reserve gelebt. Man wird einen Zeitpunkt angeben, wann eine Zinswende voraussichtlich anstehen wird. Wir erwarten hier einen Zeitpunkt Richtung Mitte 2013. Auch die weitere Verbalakrobatik ist von Bedeutung. Zuletzt hatte Bernanke noch einmal darauf verwiesen, dass der US-Arbeitsmarkt unverändert als problematisch eingewertet wird, trotz der zuletzt leicht positiven Tendenz. Ein weiteres Paket quantitativer Maßnahmen zur Belebung des US-Wohnimmobilienmarkts steht im Raum.

In einem Präsidentenwahljahr ist die Konjunkturlage von besonderer Bedeutung. Hinsichtlich der Tatsache, dass die Kandidaten der Republikaner antiautoritäre Fiskalpolitik propagieren und damit beweisen, dass sie sich nicht um Fakten und Zusammenhänge zwischen Steuerquote und Haushaltslage scheren, wäre es nicht erstaunlich, dass verantwortliche US-Zentralbanker eine Politik betreiben werden, die sich für den aktuellen Präsidenten Obama unterstützend auswirken soll und wird.

Um die kognitive Dissonanz der Kandidaten der Republikaner noch einmal zu verdeutlichen bedienen wir uns nachfolgenden Charts, der den Anteil der Einkommensteuer in Prozent der Wirtschaftsleistung abbildet. Der Höchstwert von mehr als 10% des BIP per 2000 korreliert mit einer fast ausgeglichenen Haushaltslage. Der aktuelle Wert bei 6% bewegt sich im Bereich der Tiefstwerte seit 1947 und ist verbunden mit massiven Haushaltsschieflagen. In dieser Situation Steuersenkungen zur Haushaltssanierung zu fordern ist eine Beleidigung unterdurchschnittlicher Intelligenz und Ausdruck egozentrischer Fiskalpolitik als auch ideologischer Verblendung.

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US-Präsident Obama hat gestern in seiner Adresse an die Nation die Unterschiede seiner Politik gegenüber den republikanischen Präsidentschaftskandidaten verdeutlicht. Entscheidend ist für Obama eine Wiedererlangung eines gesellschaftspolitischen Konsenses mit einer fairen Lastenverteilung und keine Fortsetzung der Spaltung in arm und reich. Das ist gut und erfrischend! Es ist der Weg, diese Nation zusammenzuführen und Zukunftsfähigkeit zu etablieren.

Kommen wir damit zur europäischen Politik. EU-Währungskommissar Rehn erwartet eine Konjunkturerholung der Eurozone in der zweiten Hälfte des Jahres. Dem pflichten wir grundsätzlich bei und sehen sogar Chancen, sofern per März das Thema Griechenland beordnet ist, dass die Belebung frühzeitiger einsetzt. IIF und Griechenland stünden vor einer Vereinbarung zur Gläubigerbeteiligung. Man hoffe auf eine Einigung noch im Januar. Das hoffen wir auch. In Krisen gilt es zeitnah zu handeln.

Hoppla, und da sind sie wieder, unsere "Freunde“. Kaum beruhigt sich das Fahrwasser in der Eurozone, Zinsen sinken, Spanien konnte sich gestern am Geldmarkt erfolgreich und günstig refinanzieren, der Euro legt zu, Risikoaversion nimmt ab, Aktien steigen, da wird Sand ins Getriebe gestreut.

Standard & Poors hat seit dem Herbst letzten Jahres (technokratische Regierungen in Griechenland und Italien - versehentliche Herabstufung für zwei Stunden durch S&P, angekündigte Überprüfung der europäischen Ratings im Winter, als Märkte sich erholten) immer in den Momenten agiert, wenn es zu einer Stabilisierung in der Eurozone kam. Das war auch gestern der Fall.

Herr Chambers von Standard & Poors war der entscheidende Protagonist. Die Ratingagentur Standard & Poors ließ verlauten, dass die Bonität Griechenlands voraussichtlich auf "Selective Default" herabgestuft wird. In dem Moment, in dem ein freiwilliger Schuldenschnitt die Gesamtverschuldung von circa 180% des BIP auf 130% des BIP bringen wird und als Resultat einen deutlichen konjunkturbereinigten Primärüberschuss liefern wird, kommt diese Einlassung?!

Ein Staatsbankrott innerhalb der EU bedeutete nicht zwangsläufig das Ende der Glaubwürdigkeit der Union sagte Chambers. Das mag sein, das Risiko ist aber nicht ausgeschlossen. Bedenkt man die Handlungsweise der US-Agenturen in den letzten 24 Monaten ist zu erwarten, dass jede Schwäche weiter ausgenutzt wird, die Teilnehmerländer der Eurozone mit Herabstufungen unangemessen zu drangsalieren und damit die Integrität der Eurozone zu gefährden. Die vollständige Ausblendung der Erfolge der Reformpolitik durch die Agenturen lässt kaum eine andere Interpretation zu.

Es sei nicht zwangsläufig, dass ein Bankrott Griechenlands Dominoeffekte in der Eurozone auslösen würde. Die Debatte, die diesbezüglich in New York und London geführt wird, passt nicht zu diesen Einlassungen des Herrn Chambers. Irgendwie drängt sich der Eindruck von "(U)unheilig" (Geboren, um zu leben …ein schönes europäisches Motto, oder?) oder etwa "scheinheilig" auf.

Von Seiten des IWF und der Weltbank wird mehr deutsche Solidarität eingefordert. Dabei geht es eben auch um eine Politik, die schlussendlich Reformpolitik mit Wachstumspolitik verbindet. Was nützen Reformen, wenn der ökonomische Körper kleiner wird und die Reformen damit nicht die fiskalische Traktion erreichen, die ihrem Potential entsprechen und notwendig sind, um Vertrauen in Politik und an den Märkten zu generieren.

Weltbank-Chef Robert Zoellick hat Deutschland aufgefordert, bei der Lösung der Schuldenkrise in der Euro-Zone die Führung zu übernehmen. Kein anderes Land könne Europa aus der Krise und in den Aufschwung führen. Es sei ermutigend, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einen Fiskalpakt dringe, um eine strengere Haushaltsdisziplin zu gewährleisten. Zusammen mit den Spar- und Reformkursen der neuen Regierungen in Spanien und Italien sowie der Unterstützung der Europäischen Zentralbank "hat Frau Merkels neue Richtung die Aussichten verbessert. Aber diese Schritte reichen nicht." Es gebe zahlreiche Risiken.

"Deutschland kann nicht und sollte nicht Länder retten, wenn diese nicht handeln, um sich selbst zu retten", schrieb Zoellick. "Aber es kann Reformern beistehen, um politische Unterstützung aufrecht zu erhalten." Statt widerwillig stückchenweise erst im letzten Moment zu helfen, "sollten Deutschland und seine europäischen Partner Anreize jetzt auf den Tisch legen."

Ja, die Widerwilligkeit und der sich daraus ergebende zu späte Zeitpunkt der Maßnahmen sind für die Verschärfung der Lage mitverantwortlich. Wir begrüßen, dass es in der aktuellen Debatte nicht zu leichtfertigen Vorfestlegungen seitens der deutschen Regierung kommt.

Die vermeintlich zögerliche Haltung von Frau Dr. Merkel oder Herrn Schäuble bezüglich der Ausweitung des ESM durch Inkludierung der noch freien Mittel des EFSF ist keine grundsätzliche Verneinung, sondern sie ist Ausdruck einer Politik, den zuvor eingeschlagenen Zeitplan einzuhalten. Diese Entscheidung ESM/EFSF wird im März getroffen …. oder bei Bedarf etwas früher.


Werfen wir einen kurzen Blick auf die Wirtschaftsdaten, die gestern veröffentlicht wurden:

Die ersten Schätzungen für die Einkaufsmanagerindices der Eurozone per Januar lieferten deutliche positive Überraschungen. Das passt in das globale Bild. Seit zwei Monaten ergeben sich latent unerwartete positive Entwicklungen auf globaler Ebene. Dabei hinkt Europa wegen der Umsetzung der Reformpolitiken und den Störfeuern aus Londion und NY etwas hinterher. Für den produzierenden Sektor kam es zu einem Anstieg von zuvor 46,9 auf 48,7 Punkte. Die Prognose war bei 47,3 Zählern angesiedelt.

Der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor verzeichnete eine Zunahme von zuvor 48,8 auf 50,5 Punkte. Die Prognose lag bei 49,0 Zählern.

Der Auftragseingang der Industrie der Eurozone sank per Berichtsmonat November im Monatsvergleich um -1,3%. Analysten hatten einen Rückgang um -2,2% unterstellt. Im Jahresvergleich kam es zu einem Rückgang um -2,7% (Prognose -2,8%) nach zuvor +1,5%.

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Der US-Richmond Fed Composite Index legte von 3 auf 12 Punkte per Januar zu. Damit bewegt sich dieser Index deutlich im expansiven Bereich und markiert den höchsten Wert seit März 2011, als die Welt noch in Ordnung war ….

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den EUR gegenüber dem USD favorisiert. Ein Überwinden des Widerstandsniveaus bei 1.2600 - 1.2630 neutralisiert den negativen Bias.

Viel Erfolg!

© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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