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EU-Gipfel sorgt zunächst für Frust, dann für Lust

29.06.2012  |  Eugen Weinberg
Im Vorfeld des bereits 20. EU-Gipfels seit 2010 ist eigentlich nicht viel erwartet worden. Umso überraschender sind die Ergebnisse, die nach der nächtlichen Sitzung in Brüssel erzielt wurden. Zum einen haben sich die europäischen Regierungschefs auf einen Wachstumspakt in Höhe von 120 Mrd. Euro geeinigt. Zum anderen sollen künftig die Banken direkte Hilfen vom ESM erhalten, was aus unserer Sicht einer Vereingemeinschaftlichung der Staatsschulden durch die Hintertür gleich kommt. Außerdem werden die Konditionen für EFSF/ESM-Maßnahmen „flexibel“ interpretiert. All dies verleiht den Risikoanlagen heute Flügel. Ob der positive Effekt der angekündigten Maßnahmen lange anhält, ist jedoch fraglich, weil diese nur Zeit gewinnen sollen.


Energie

Die Ergebnisse des EU-Gipfels führen am Morgen zu einer spürbaren Erholung der Ölpreise. Für Preisunterstützung sorgt weiterhin auch der Streik in der norwegischen Ölindustrie. Die daraus resultierenden Produktionsausfälle belaufen sich mittlerweile auf 290 Tsd. Barrel pro Tag, was knapp einem Fünftel der norwegischen Ölproduktion entspricht. Heute werden die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter über eine Ausweitung des Streiks entscheiden. Laut der größten Gewerkschaft könnte der Streik über Wochen andauern, was auch Auswirkungen auf die Öllieferungen des fünftgrößten Ölexporteurs der Welt haben dürfte.

Preisbelastende Nachrichten kommen dagegen aus anderen Ländern. Die USA haben China für sechs Monate von den Sanktionen ausgenommen, obwohl China zuletzt wieder deutlich mehr Rohöl aus dem Iran importiert hat. Zudem hat Saudi-Arabien eine seit 22 Jahren stillgelegte Ölpipeline in Betrieb genommen, durch welche bis zu 1,65 Mio. Barrel Rohöl pro Tag an das Rote Meer transportiert werden können. Damit kann ein Teil des saudi-arabischen Ölangebots auch im Falle einer Schließung der Straße von Hormus an den Weltmarkt gelangen. Mitte des Monats hatten bereits die Vereinigten Arabischen Emirate eine neue Pipeline in Betrieb genommen, um die Straße von Hormus zu umgehen.

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Edelmetalle

Gold und die anderen Edelmetalle können sich heute Morgen von ihren gestern verzeichneten Tiefständen deutlich erholen, was dem nach dem EU-Gipfel deutlich schwächeren US-Dollar geschuldet sein düfte. Gestern kam es bei den Edelmetallen zu einem Abverkauf, währenddessen Gold auf ein 4-Wochentief fiel. Silber und Platin markierten zwischenzeitlich 6-Monatstiefs und Palladium handelte kurzfristig auf dem niedrigsten Stand seit Anfang Oktober.

Gerade bei Gold ist der jüngste Preisrutsch für uns nicht nachvollziehbar, spricht doch die hohe Risikoaversion der Marktteilnehmer im Zuge der Schuldenkrise in der Eurozone eher für steigende Goldpreise. Gold verhält sich somit aktuell weniger wie ein sicherer Hafen, sondern mehr wie eine riskante Anlageklasse. In jedem Fall gehen wir davon aus, dass bei den derzeitigen Preisen Schnäppchenjäger Gold unterstützen dürften und erwarten eine deutliche Preissteigerung im zweiten Halbjahr. Aus fundamentalen Gründen spricht auch vieles für Preisanstiege von Platin und Palladium.


Industriemetalle

Die Metallpreise können heute Morgen im Nachgang des EU-Gipfels deutlich zulegen und damit ihre Verluste von gestern wieder wettmachen. Unterstützung erhalten sie dabei von festen asiatischen Aktienmärkten und einem schwachen US-Dollar. Der Rückgang der japanischen Industrieproduktion im Mai um 3,1% im Vergleich zum Vormonat wird offensichtlich als vorübergehend erachtet. Denn eine stabile Inlandsnachfrage aufgrund des Wiederaufbaus nach dem Tsunami sollte der Industrieproduktion weiterhin Auftrieb geben. Da Japan einer der weltweit größten Importeure von Metallen ist, sollte sich dies in einer robusten Nachfrage nach Metallen widerspiegeln.

Laut Einschätzung der China Nonferrous Metal Mining Group wird die globale Kupfernachfrage in den nächsten Jahren um mindestens 10% p.a. steigen. In Anbetracht der strukturellen Angebotsprobleme spricht dies für einen anhaltend angespannten Kupfermarkt, was dem Kupferpreis mittel- bis langfristig Auftrieb geben sollte. In den nächsten Tagen richtet sich der Fokus wieder auf China. Am Sonntag wird der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe veröffentlicht, der neue Erkenntnisse über die wirtschaftliche Entwicklung im Reich der Mitte liefert. Ein Rückgang unter die Marke von 50, was eine Kontraktion der Wirtschaft bedeuten würde, könnte die Preise zum Wochenauftakt wieder belasten.


Agrarrohstoffe

Das US-Landwirtschaftsministerium veröffentlicht heute Daten zu den US-Getreidelagerbeständen zum 1. Juni und zu den endgültigen Anbauplänen der US-Farmer für das Erntejahr 2012/13. Die US-Maisvorräte dürften Anfang Juni auf 3,15 Mrd. Scheffel abgesunken sein. Dies wäre 14% weniger als vor einem Jahr und das niedrigste Niveau zu diesem Zeitpunkt seit acht Jahren. Hieraus ergibt sich nicht notwendigerweise ein Revisionsbedarf für die erwarteten Lagerendbestände. Bislang rechnet das USDA mit einem Bestand von 851 Mio. Scheffel am Ende des laufenden Erntejahres im September, was einem Rückgang um 25% gegenüber dem Vorjahr entsprechen würde. Allerdings sorgte der vierteljährliche Lagerbestandsbericht in der Vergangenheit häufig für Überraschungen, was zu kräftigen Preisausschlägen führte. Hiervon würde vor allem der Juli-Terminkontrakt betroffen sein, welcher noch die alte Ernte repräsentiert.

Für die Terminkontrakte mit späterer Fälligkeit sind die endgültigen Anbaupläne von Bedeutung. Laut letzter Umfrage soll die US-Maisfläche in diesem Jahr auf gut 96 Mio. Morgen steigen, was nochmals leicht über den vorläufigen Anbauplänen vom März liegen würde. Dies würde helfen, die witterungsbedingt zu erwartenden Abwärtsrevisionen der Flächenerträge teilweise zu kompensieren. Eine höhere Anbaufläche könnte daher den September- und Dezember-Kontrakt belasten.




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