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Wagt S&P den "Tigersprung" und kratzt am langfristigen Rating der USA?

19.04.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute bei 1.4225 (07.35 Uhr), nachdem Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.4157 im US-Geschäft markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 82.45. In der Folge notieret EUR-JPY bei 117.30, während EUR-CHF bei 1.2735 oszilliert.

Wagt die Ratingagentur Standard & Poors den "Tigersprung" und kratzt mit der Senkung des Ausblicks des langfristigen Ratings am "Teflonimage" der USA?

Die Ratingagentur Standard & Poors hat den Ausblick für das langfristige Rating der USA mit einem negativen Ausblick belegt. Unter anderem wurde dieser Schritt mit dem aktuellen Haushaltsstreit als auch der Tatsache begründet, dass die USA keine ernsthaften Anstrengungen zur Reduzierung der fiskalischen Defizitlage in der Vergangenheit unternommen hätten Wir freuen uns, dass S&P damit äußerst spät auf unsere Sichtweisen in minimalsten Ansätzen einschwenkt. Wir merken jedoch auch an, dass hier noch gar keine Herabstufung stattgefunden hat. Es handelt sich lediglich um einen Ausblick.

Werfen wir einen Blick auf die US-Gemengelage:
  • Die öffentliche US-Verschuldung nimmt seit 10 Jahren latent zu und stellt sich derzeit auf 14.305.336.580.922,11 USD (Stand 15.04.2011 laut US-Treasury).

  • Die Neuverschuldung im laufenden Fiskaljahr (Beginn 01.10.2010) liegt bei 743,7 Mrd. USD.

  • Der IWF erwartet 2011 eine Zunahme des Budgetdefizits um 10,8% des BIP.

  • Die USA stehen aktuell bei einer Gesamtverschuldung von knapp 100% des BIP (Spanien 65% ).

  • Konsolidierungsbemühungen sind seit circa 10 Jahren vollkommene Fehlanzeige.

  • Das öffentliche Schuldenlimit ist nahezu erreicht und eine partielle Schließung öffentlicher Einrichtungen konnte nur in einer Notsitzung verhindert werden.

  • Die US-Zentralbank hält im Gegensatz zu der EZB an quantitativen Maßnahmen und einer aggressiven "Kaufkraft-Brunrate" fest.

  • Die US-Zentralbank kauft 2011 circa 70% der US-Treasuries ohne Sterilisation (Unterschied zu EZB) auf und monetarisiert damit faktisch direkt die Staatsschuld!

  • Die US-Wirtschaft reüssiert nur maßgeblich in den Sektoren, die mit der Weltwirtschaft eng korreliert sind (Produktion, nur 9% des BIP, Durchschnitt Industrienationen 14%, Deutschland 20%, Irland 25%!)

  • Das Thema Geschäftsmodell der USA (Handelsbilanzdefizit) ist völlig unadressiert!

Nachdem alle diese Fakten seit Jahren auf dem Tisch liegen, senkt S&P gestern den Ausblick. "Chapeau!" Auch bei Worldcom und Enron als auch MBS waren die Agenturen spät dran …

Wenn man diese Situation mit den Handlungsweisen gegenüber europäischen Defizitländern vergleicht, stockt förmlich der Atem.

  • Die europäischen Defizitländer reformieren sich seit Ende 2009. Es handelt sich laut IWF um die stringentesten Reformen in der Geschichte der Industrienationen.

  • Erste Erfolge in der Defizitreduzierung gegenüber dem Jahr 2009 sind im Gegensatz zu den USA unstrittig.

  • Die Handelsbilanzdefizite sind zum Teil drastisch reduziert worden, was als ein Ausdruck der veränderten Geschäftsmodelle zu interpretieren ist (Ansätze dazu in den USA nicht erkennbar).

  • Mit anderen Worten wurden strukturelle Erfolge (im Gegensatz zu den USA) erzielt.

  • Diese Erfolgsstory wurde von den großen drei Ratingagenturen mit latenten Herabstufungen begleitet, die das Vertrauen in die europäischen Defizitländer auf internationaler Ebene umterminierten und damit Kapitalzuflüsse verhinderten.

  • Diese Konstellation hat zu einer verschärften konjunkturellen Lage in den Defizitländern beigetragen und erschwert den Gesundungsprozess damit nachhaltig.

Die Ratingagentur Moody’s schaltete sich ein, dass der Wechsel in der Haushaltsdebatte in den USA positiv ist trotz der Unsicherheit über den letztlichen Ausgang. Diese Einlassung ist grotesk. Reicht in den europäischen Defizitländern auch die Debatte über Konsolidierung bei einem unklaren Ausgang? Hier stellt sich schon die Frage nach dem intellektuellen Niveau dieser Einlassung seitens Moody’s.

Die Haushaltspläne von Obama und Ryan stellen eine bedeutende Änderung in der US-Haushaltsdebatte dar. Ja, aber es kommt auf das Resultat und nicht die Debatte an! Moody’s stellt auch fest, dass die USA das einzige große Land sind, das noch keinen Plan zur Umkehr des Schuldenstands hat. Hier stimmen wir Moody’s ohne wenn und aber zu!

Der Berater des US-Präsidenten Obama Golsbee sagte gestern zu CNBC, dass die USA die Schuldengrenze erhöhen werden. Das wird auch höchste Zeit, wenn man handlungsfähig bleiben will.

Die USA sollten auf die Änderung des Ausblicks seitens S&P nicht überreagieren. Wir empfehlen, dass man überhaupt einmal reagieren sollte. S&P hätte eine politische Entscheidung getroffen. Die US-Regierung stimme dem nicht zu. Was hat die Defizitgröße der USA und der Mangel an Reformen mit einer politischen Entscheidung seitens S&P zu tun. Vielmehr ergibt sich ein Eindruck, dass bezüglich der Eurozone politische Hintergründe eine prominente Rolle bei allen Ratingagenturen spielten.

Die Entscheidung war bei den Parametern, die für die Eurozone (UK hat auch Sonderstatus bei Rating …, wo domizilieren die Eigner der Ratingagenturen?) angelegt werden, mehr als überfällig.

Nach dieser Aufarbeitung kann bei der Veränderung des Ausblicks seitens S&P nicht von einem "Tigersprung" geredet werden. Es ist nichts weiter als ein kleiner Trippelschritt in Richtung Realitätssinn. Übrigens als Folge dieser Entscheidung seitens S&P sank der EUR schlussendlich gegenüber dem USD und die Renditen der US-Treasuries sanken (= erhöhte Nachfrage). "Food for thought!"

Der "US-NAHB Housing Market Index" sank per Berichtsmonat April von zuvor 17 auf 16 Punkte und unterstreicht damit noch einmal unsere These, dass nur der Sektor der US-Wirtschaft, der mit der Weltwirtschaft eng verzahnt ist, reüssiert.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.4150 - 1.4180 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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