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Der Abschied Griechenlands rückt in greifbare Nähe

06.07.2015  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1055 (07.46 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.0970 im asiatischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 122.40. In der Folge notiert EUR-JPY bei 135.30. EUR-CHF oszilliert bei 1.0427.

Der Abschied Griechenlands aus der Eurozone rückt in greifbare Nähe. Die Griechen pochen auf ihre demokratischen Rechte und wollen Verfügungen zu ihren Gunsten in 18 anderen Ländern erzwingen. Im Rahmen ihrer Demokratie können Griechen grundsätzlich über ihre eigenen diskretionären Staatseinnahmen nach ihrem Belieben verfügen.

Sofern diese Finanzmittel nicht reichen, können sie sich um eine Finanzierung bemühen (wie unter Samarras). Wenn man finanziert, muss man mit den Gläubigern Konditionen aushandeln und verliert durch die Konitionierung ein Stück weit Selbstbestimmung. Ergo sollte man im Vorwege abwägen, zu welchen Konzessionen man bereit ist.

Fakt ist, dass ein krankes System Strukturreformen erforderlich macht. Die griechische demokratische Abstimmung kann aber keine Verfügungen in dritten Ländern erzwingen, in denen die Regierungen und Parlamente ihren Bürgern Rechenschaft ablegen müssen.

Dieses Verhalten der griechischen Regierung ist damit von mangelndem Respekt gegenüber den anderen Demokratien der Eurozone geprägt. Genau das ist im Kern uneuropäisch!


Rückblick:

Die griechische Regierung hat unter Herrn Tsipras keine Reformen umgesetzt. Mehr noch hat sie es zugelassen, dass die Steuervermeidung um sich griff. Damit wurde die Haushaltslage (bewusst) weiter verschärft. Die Erfolge der Vorgängerregierung wurden durch Untätigkeit und provozierten Vertrauensverlust (bewusst) neutralisiert.

Die Form der Verhandlungsführung zeigte, dass Eskalation auf der Agenda stand. Fakt ist, dass die Regierung den Schuldenschnitt und ein anderes Europa wollte. Mehr noch machte sie durch die Toleranz der Stuervermeidung in den vergangenen fünf Monaten deutlich, dass die Menschen außerhalb Griechenlands für die Fehler der griechischen Politk geradestehen sollen.

Das Herauszögern in der Eskalation wurde genutzt, um die ELA-Hilfen auf drastische Höhen zu treiben (=Erhöhung des Preises für die Gemeinschaft der Eurozone) In wie weit dieses Verhalten Ausdruck von Solidarität Griechenlands gegenüber der Eurozone ist, sei dahin gestellt. In wie weit diese Politik Ausdruck von Erpressungsversuchen seitens Athens ist, überlassen wir der Beurteilung Dritter.

In wie weit dieses Verhalten der griechischen Regierung mit Anforderungen europäischer Diplomatie und dem Gemeinschaftsgedanken in Verbindung gebracht werden kann, muss in der Frage der Solidarität der EU gegenüber Griechenland in der Tiefe beantwortet werden.

Klartext zur Zinsbelastung Griechenlands und IWF-Papier zur Schuldentragfähigkeit:Griechenland hat eine Verschuldungsquote in Höhe von circa 175% des BIP. Da darf man die Schuldentragfähigkeit bei einem Marktzinsniveau anzweifeln. In so weit mag das IWF-Papier ernst zu nehmen sein.

Fakt ist, dass Griechenland per 2015 weniger Zinsen für die Staatsverschuldung zahlen muss als 2005, weil die EFSF-Mittel faktisch bis 2020 zins- und tilgungsfrei gestellt sind. Andere Länder der Eurozone tragen viel schwerer an der Zinslast trotz geringerer Verschuldung. "Food for thought!"


Der Blick nach vorn:

Fakt ist, dass das Hilfsprogramm ausgelaufen ist und nicht wiederbelebt werden kann. Fakt ist, dass der EFSF die Insolvenz Griechenlands bestätigt hat.

Fakt ist, dass die ELA-Mittel der EZB nur fliessen dürfen, wenn die Solvenz der Banken auch gewährleistet ist.

Fakt ist, dass mit der Erklärung des EFSF der Insolvenz Griechenlands implizit die Solvenz der griechischen Banken nicht mehr gegeben ist.

Fakt ist, dass damit das ELA-Programm der EZB eingestellt werden müsste, sofern Regeln buchstabengetreu umgesetzt würden.

Fakt ist, dass jedes neue Programm für Griechenland erst verhandelt werden muss und dann von den anderen 18 Parlamenten der Eurozone verabschiedet werden muss. Alleine die innenpolitische Situation in Deutschland wirft Fragen auf, ob es dafür eine ernst zu nehmende Mehrheit geben könnte. In den Reformländern, die sich an Vorgaben gehalten haben, ist diese Zustimmung noch unwahrscheinlicher.

Fakt ist, dass eine Verhandlung und Verabschiedung kurzfristig nicht machbar ist. Vor diesem Hintergrund wird sich die Lage der Menschen in Griechenland dramatisch zuspitzen.

Fakt ist das auf Basis der EU-28 dann humanitäre Hilfe in erheblichem Umfang erforderlich ist. Die Stresszustände, die jetzt in Griechenland absehbar sind, können die Regierung in Athen in Kürze dazu ermuntern, den Weg aus der EU und der Eurozone wählen zu müssen ….


Folgen für die Eurozone:

Wir haben in der letzten Woche an dieser Stelle verdeutlicht, dass Griechenland in der Physis der Eurozone mittlerweile ein abgekapselter Fremdkörper ist. Ergo kann es wie heute früh Nervositäten an Märkten geben. Schwerwiegende makroökonomische Folgen für den Rest der Eurozone sind nahezu vollständig auszuschließen. Die Eurozone ist und bleibt weiter auf dem höchsten Wachstumspfad seit 2011.

Mit dem Referendum nimmt die Wahrschinlichkeit zu, dass das Problem des Fremdkörpers invasiv und nicht konservativ therapiert wird. Bezüglich der jetzt anstehenden Folgen für die griechischen Bürgerinnen und Bürger drücken meine Kollegen Petros Tossios, Moritz Westerheide und ich losgelöst von der gestrigen Partylaune unser tiefes Mitgefühl aus.

Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.0800 -30 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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