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Griechenland gerettet - weiter im Bullen-Takt?

13.02.2012  |  Klaus Singer
- Seite 2 -
Die vorläufige Lösung der Griechenland-Krise dürfte nun dazu führen, dass die "Märkte" ihren Fokus weg von Hoffnungen auf Lösung der Schuldenkrise und hin zur Realität richten werden. Dabei war und ist wohl niemand so naiv, ernsthaft zu glauben, die Liquiditätsflut der EZB könne die Ursachen der Schuldenkrise beheben. Aber die Kursentwicklung bei Aktien seit Jahresbeginn hat gezeigt, dass eine genügende Anzahl von Akteuren glaubt, dass sie Zeit verschafft. Und dass es sich lohnt, die Zeit zu nutzen für ein paar Schnäppchen. Der Zeithorizont bei der Aktienanlage ist seit dem offenen Ausbruch der Finanzkrise 2008 nochmals kürzer geworden, die durchschnittliche Haltedauer bei US-Aktien liegt mittlerweile unter einer Minute. Da lassen sich immer weniger von der Frage leiten, was in ein paar Wochen ist.

Oder haben sich die Zeiten geändert und mit dem starken Jahresauftakt hat ein struktureller Bull-Markt bei Aktien begonnen? Das ist unwahrscheinlich.

Da ist zunächst das altbekannte Thema "Deleveraging". Wie der nachfolgende Chart zeigt, hat das gerade erst begonnen. Die spannende Frage ist natürlich, wo geht die Korrektur der privaten Schuldenquote noch hin? Am Beispiel USA: 175% ist der halbe Weg zwischen dem Tief bei 50% Mitte der 1940er Jahre und dem Hoch in 2007 bei 300%. Das wäre etwa das Niveau um 1990 - immer noch hoch, aber vermutlich zumindest eine gewisse Zeit tragbar. Wahrscheinlich wird die Liquiditätsflut der Fed jedoch dazu führen, dass mit der Korrektur vorher Schluss ist. Das dürfte bei rund 200% der Fall sein - noch ein ordentliches Stück des Wegs von den aktuellen 260% aus.

Weiter ist da die bisher in den USA unterdurchschnittlich verlaufende Quartalssaison. Einerseits liegt die sogenannte "Beat-Rate" mit gut 60% unter dem historischen Mittelwert bei 70%. Zum anderen sind in den zurückliegenden Monaten die für 2012 erwarteten US-Unternehmensgewinne deutlich nach unten revidiert worden (siehe Chart!). Gleichzeitig hat das US-BIP im vierten Quartal eine deutlich schwächere Konsumentwicklung als von den Unternehmen erhofft gebracht, wie sich im deutlichen Lageraufbau gezeigt hat. Dies sind nicht die besten Vorboten für die weitere Makroentwicklung in den USA, der auch die Fed mit einer weiteren Reduktion ihrer Prognosen Rechnung getragen hat.

Eine flaue Entwicklung der US-Konjunktur ist gerade angesichts der noch schwächeren Entwicklung der Schuldenkrisen-geplagten Eurozone nicht gerade das, was jetzt in Europa "hilfreich" wäre.

Dann kommt dazu, dass politische Krisen in Nah-Ost drohen. Wenn hieraus ein Ölpreisschock resultiert, wäre die Konjunkturdynamik mit Sicherheit zu schwach, um diesen zu verkraften.

Und schließlich ist da China, die "Lokomotive der Weltwirtschaft": Der IWF hat jetzt seine Wachstumsprognose für China für das laufende Jahr von zuvor 9 auf 8,25% gesenkt. Das wird begründet mit den schwächeren Exportaussichten in einer eingetrübten Weltwirtschaft. Im vergangenen Jahr war das BIP noch um 9,2% angewachsen.

Das sind Belastungsfaktoren genug, die aus meiner Sicht nicht dafür sprechen, dass schon der strategische Bulle von der Leine ist. Ich gehe eher davon aus, dass wir weiter in einer typischen "Risk on" - "Risk off" Situation bleiben, in der schnell und kurzatmig auf aktuelle Entwicklungen reagiert wird. Auf kurze Sicht ist die Wahrscheinlichkeit eines Pullbacks bei Aktien hoch. Die von mir beobachteten Marktindikatoren zeigen ein deutlich abnehmendes bullisches Bild (siehe Chart!).

Ein wesentlicher Faktor ist und bleibt die Liquiditätsflut der Notenbanken. Bei der EZB stellt sich das gegenwärtig so dar: Die EZB-Bilanz hat sich in den zurückliegenden sechs Monaten um nahezu 50% auf aktuell 2,66 Bill. Euro verlängert (siehe Chart!). Die Bilanzsummen der 17 nationalen Zentralbanken der Eurozone kommen jetzt auf 1,7 Bill. Euro - macht zusammen 4,4 Bill. Euro. Und es geht weiter: Die Anforderungen an die Qualität von Sicherheiten darf jetzt von jeder nationalen Eurozonen-Zentralbank selbst angepasst werden - das zündet die nächste Stufe der Bilanzverlängerung. Hinzu kommt zum Monatsende der nächste LTRO, bei dem man damit rechnet, dass europäische Banken um bis zu einer Billion Euro an Krediten anstehen.

Die Bilanz der Fed nimmt sich dagegen richtig bescheiden aus. Aber ich mir sicher, sie wird bald nachziehen...

Erwähnte Charts einsehbar unter: http://www.timepatternanalysis.de/Blog/


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



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