Suche
 
Folgen Sie uns auf:

"Sehr geehrter Herr Schäffler …." - Konjunkturpessimisten unter Druck

24.02.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.47 Uhr) bei 1.3365, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im europäischen Handel bei 1.3257 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 80.45. In der Folge notiert EUR-JPY bei 107.50, während EUR-CHF bei 1.2055 oszilliert.

Natürlich könnten wir heute morgen wieder mit dem Griechendrama beginnen. Wir könnten uns über Herrn Schäffler äußern, der doch sage und schreibe gestern verlauten lässt, dass die „lieben“ Griechen keine wichtigen Reformen umgesetzt hätten. Dazu die Meldung von Reuters:

Berlin, 24. Feb (Reuters) - Der als Kritiker der Euro-Rettungsschirme bekannte DP-Bundestagsabgeordnete, Frank Schäffler, hat einem Medienbericht zufolge an seine Fraktionskollegen appelliert, dem neuen Griechenland-Hilfspaket am Montag im Bundestag nicht zuzustimmen. Schäffler begründe seinen Appell damit, dass Griechenland bis heute noch keine wichtigen Reformen umgesetzt, alle Wachstumserwartungen verfehlt und seine Haushaltsziele verpasst habe, berichtet "Handelsblatt Online" am Freitag unter Berufung auf einen Brief an die liberalen Parlamentarier. "

Ja, unsere Athener Freunde haben nicht alle Reformen umgesetzt. Es sind aber circa 80% der Reformen/Maßnahmen umgesetzt worden. Kommen wir zu den Fakten Herr Schäffler - wir wollen im Forex Report ja informieren und nicht desinformieren, wie einige der Griechenkritiker:

  • 2010: Reduzierung der öffentlichen Angestellten mit Zeitverträgen um 29.500 oder 38%

  • 2010: Reduzierung der öffentlichen Angestellten insgesamt um 82.400 oder 10%

  • 2010: Reduzierung der Löhne im öffentlichen Dienst um bis zu 15% (SOE = State Owned Enterprises bis zu 30%)

  • 2010: Reduzierung der nominalen Renten im öffentlichen und privaten Sektor um 10%


  • 2011: Grundbesitzsteuer via Stromrechnung (2 Mrd. EUR)

  • 2011: Solidaritätszuschlag in Höhe von 1% - 5% auf das Bruttoeinkommen für 2011 und 2012

  • 2011: Reduzierung öffentlicher Personalstand um 150.000 oder 20% bis 2015

  • 2011: Vereinheitlichung der Entlohnung im öffentlichen Dienst (Abschaffung von Zuschlägen)

  • 2011: Durchschnittliche Reduzierung der öffentlichen Gehälter um 20%

  • 2011: Kürzung der Renten oberhalb 1000 EUR um 20%

  • 2011: Kürzung der Sozialleistungen (Sparvolumen bis 2015 5 Mrd. EUR)

  • 2011: Ermöglichung von Haustarifverträgen, Öffnung von Berufen (136)

Es ist ernüchternd, dass es hier in Deutschland einen Mangel an Respekt vor diesen strukturellen Maßnahmen und schmerzlichen Opfern gibt und sie von einigen Vertretern des Bundestags kleingeredet werden. Obige Positionen sind also laut Herrn Schäffler keine wichtigen Reformen. Der Begriff Fassungslosigkeit steht im Raum!

Fakt ist, dass Griechenland trotz eines Einbruchs der Wirtschaft um circa 11% in den letzten beiden Jahren und einem Rückgang der Bruttoanlageinvestitionen um 44% im identischen Zeitraum eine Reduktion der Neuverschuldung von 15,4% auf circa 9,5% des BIP vollbrachte (ohne strukturelle Maßnahmen wären die Defizite explodiert!). Diese Reduktion ist Ausdruck dafür, dass es eine strukturelle Gesundung gibt.

Es ist das konjunkturelle Defizit, das zwickt Herr Schäffler. Dieses konjunkturelle Defizit ist korreliert mit dem Umgang durch die Troika, Griechenland alle drei Monate durch den Kakao des Finanzmarkts zu ziehen und durch Personen wie Sie, die unsachliche Meinungen forcieren. Sie untergraben Vertrauen mit Positionen, die sachlich nicht haltbar sind. Selbst Herr Martin Feldstein, Professor der Harvard Universität, hat das Thema der strukturellen Gesundung schon erkannt. Wann erkennen Sie es Herr Schäffler?

Und noch eine kleine Information für die Fraktion der "unfreundlichen Desinformation“: Griechenland hat einem Medienbericht zufolge erstmals und fraglos recht spät seit Beginn der Schuldenkrise bedeutende Auslands-Guthaben eines reichen Unternehmers sperren lassen. Damit wolle das angeschlagene Euro-Mitgliedsland Geld eintreiben, das dem Staat zustehen solle, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" vorab aus ihrer Freitagsausgabe. Sehen Sie, da geht doch was ….

Jetzt ist es erst einmal genug mit dem Thema Griechenland oder Herr Schäffler. Jetzt machen wir an dieser Stelle Konjunktur.

Lieber Herr Schäffler, die Konjunkturdaten aus Deutschland und den USA sind viel besser als erwartet. Fiskallagen folgen Konjunkturlagen. Da tut sich etwas und mehr noch, es gibt aus der historischen Betrachtung kein ökonomisches Vakuum auf Dauer. Die Reformländer der Eurozone bieten attraktivere Bedingungen und freie Kapazitäten an. Es ist eine Frage der Zeit und nicht des „ob“, wann diese Freiräume belegt werden. Historisch lässt sich nichts anderes belegen. Ich dachte immer, dass man in der FDP etwas von Wirtschaft versteht?

Es ist durchaus irritierend, dass gerade zu dem Zeitpunkt, da Konjunkturdaten seit drei Monaten positiv überraschen, Wachstumsprognosen nach unten angepasst werden. Das gilt für unsere Freunde bei dem IWF und der auch EU. Schauen wir auf die Daten und wundern uns still und leise ….

Der deutsche IFO-Index wartete per Februar mit einem unerwarteten Anstieg von zuvor 108,3 auf 109,6 Punkte auf. Die Prognose war bei 108,8 Zählern angesiedelt. Damit kam es zum dritten Anstieg in Folge. Es wurde der höchste Indexwert seit Juli 2011 markiert. Die Bewertung der aktuellen Situation verzeichnete eine Zunahme von 116,3 auf 117,5 Punkte, dem höchsten Stand seit September 2011. Der Index, der die Erwartungen abbildet, legte von 100,9 auf 102,3 Punkte zu, dem höchsten Niveau seit Juli 2011. Der Blick auf den Chart verdeutlicht einerseits die Trendwende als auch andererseits die Tatsache, dass sich der Index in den oberen 20% der Indexhistorie bewegt. Das ist doch einmal erfrischend, oder?

Open in new window


Die US-Daten arbeiten wir in Kurzform ab. Der positive Trend in den USA über die letzten sechs Monate hat einen wesentlichen Hintergrund Herr Schäffler. Weltweit sind die Kapazitäten trotz flauer Konjunkturdynamik der letzten sechs bis neun Monate gut ausgelastet. Das Krisenland USA hinkte der Weltwirtschaft hinterher und bot als Folge freie Kapazitäten ohne das politische Risiko, das in Europa dominierte. Diese Kapazitäten werden nun sukzessive gefüllt.

Das "Semiconductor Book to Bill Ratio” (Verhältnis Neuaufträge zu Auslieferungen im Halbleiterbereich) legte per Januar deutlich von 0,85 auf 0,95 zu. Pro 1 USD Auslieferung kamen damit Aufträge für 0,95 USD herein.

Open in new window


Der "Bloomberg Consumer Comfort Index“ legte in der Berichtswoche per 19. Februar von -39,8
auf -38,4 Punkte zu und markierte damit das höchste Niveau seit nahezu vier Jahren.

Open in new window


Der "Kansas City Fed Manufacturing Survey” setzte per Februar mit einem Anstieg von 7 auf 13 Punkte positive Akzente. Der Index erreichte das höchste Niveau seit April 2011!

Open in new window


Die Arbeitslosenerstanträge per 18. Februar verharrten bei 351.000 (Vormonat revidiert von 348.000) und bestätigen damit das tiefste Niveau seit Frühjahr 2008!

Open in new window


Wir freuen uns voraussichtlich mit Herrn Schäffler über diese positiven Entwicklungen. Um so mehr ist es wichtig, um die globale fiskalische Erholung zu gewährleisten, keine systemischen Risiken über eine Verschärfung des Griechendramas zu forcieren. Das gilt um so mehr, als dass die strukturellen Erfolge klar auf der Hand liegen, oder Herr Schäffler?

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den EUR gegenüber dem USD favorisiert. Ein nachhaltiges Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.2940 - 1.2970 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Bremer Landesbank oder deren assoziierter Unternehmen dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Hier enthaltene Informationen können auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestellte, kundenspezifische und objektorientierte Beratung nicht ersetzen. Bitte setzen Sie sich deshalb mit Ihrem bei der Bremer Landesbank zuständigen Berater in Verbindung.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"