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Korrekturen laufen - Währungen der Defizitsünder USA und Japan sind gefragt …

12.08.2010  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute bei 1.2905 (07.50 Uhr), nachdem im asiatischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.2831 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 85.35. In der Folge notiert EUR-JPY bei 110.15 während EUR-CHF bei 1.3650 oszilliert.

Korrekturen sind gut, sie sind notwendig und lassen sich grundsätzlich nicht vermeiden. Alles bewegt sich in Wellen. Das ist auch gut so, denn es handelt sich um ein Naturgesetz!

Nachdem der Euro von 1.18 auf 1.33 durchgestartet ist, steht nun eine Korrektur auf der Agenda. Das Tempo ist jedoch als Atem beraubend zu bezeichnen. Von Kursen in der Spitze bei 1.3180 auf 1.2831 innerhalb von 24 Stunden ohne einen tragfähigen "Auslöser" ist schon eine bemerkenswerte Wegstrecke.

Im Gegenteil, das US-Handelsbilanzdefizit fiel mit -49,9 Mrd. USD deutlich negativer als prognostiziert (-42,0) aus. Es handelt sich um den größten monatlichen Einbruch seit Dekaden! Eine negative Anomalie wird zum Katalysator der USD-Käufe, das ist ein Ding! Der Sinnzusammenhang ist, daß der Anstieg des USD von 1.50 auf 1.18 der Kompetitivität der US-Wirtschaft abträglich war. So sanken die Exporte per Juni um -1,3%. Jetzt den USD am Devisenmarkt hochzujubeln, verschärft das Konkurrenzfähigkeitsproblem der USA. Hinsichtlich des höheren Defizits wird das US-BIP per 2. Quartal wohl eine nicht unerhebliche Abwärtsrevision erfahren. Das ist natürlich alles gut für eine Währung, oder?

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Ja, wir belohnen Sünder und Länder ohne tragfähiges Geschäftsmodell, aber nur wenn sie nicht griechisch, spanisch oder portugiesisch sprechen. "Food for thought!"

Auch gegenüber anderen Währungen ergab sich massiver Druck auf den Euro. EUR-JPY tauchte zügig auf gut 109 von zuvor 112. EUR-CHF vor zwei Tagen noch im Dunstkreis von 1.39 findet sich heute nacht gerade noch knapp oberhalb der Marke von 1.36. Es gab gestern keine einzige negative Schlagzeile oder Nachricht aus der Eurozone. Alle negativen Nachrichten betrafen die USA!

In der TV-Kommentierung wurde betont, daß die revidierte Wachstumsprognose aus Großbritannien verunsicherte. An diesem Argument wird deutlich, daß Detailwissen bei Profis offensichtlich nicht gefragt ist.

Die letzte Prognose der Bank of England stammt vom Mai 2010. Seitdem hat sich im UK etwas verändert. Es ist ein massives Reformprogramm verabschiedet worden, das in der Tat kurzfristig Wachstum kostet, um nachhaltig das Potentialwachstum zu erhöhen und Zukunftsfähigkeit zu generieren. Als das Programm vorgestellt wurde, war das am Finanzmarkt sonnenklar und wurde thematisiert und diskontiert. Gestern zeigt sich der Markt von dieser Nacherzählung, die überhaupt keinen neuen Nachrichtenwert besitzt, im höchsten Maße irritiert. "Chapeau!"

Wir reden im UK nicht von Rezession. Die BoE redet davon, daß die Wachstumsspitze nicht bei 3,6%, sondern nur bei 3,0% liegen wird. Erst sehen die meisten Analysten/Volkswirte die Erholung nicht und nun erlauben sich diese Damen und Herren eine leichte Wachstumsabschwächung im Rahmen eines Reformprogramms zu einem Weltwirtschaftsrisiko zu stilisieren. Na, wir haben hier schon so Profis am Werk!

Einige Marktteilnehmer behaupteten gestern und auch noch heute, daß der USD wegen erhöhter Risikoaversion Gewinner ist. Das ist er natürlich nur gegenüber dem Euro. Der JPY ist gleich noch stärker.


Halten wir inne:
  • Die Währungen der Länder, die eine unverändert aggressive Defizitpolitik betreiben, ohne einen Plan zu haben, wie man der Situation Herr wird

  • und die in der letzten Dekade bewiesen haben, daß ihr Geschäftsmodell immer weniger trägt, sollen sichere Häfen sein?

  • Die Länder, die aktuell mit Wirtschaftsdaten die Verunsicherung über den weiteren Wachstumsverlauf provozieren (z.B. US-Arbeitsmarkt), ganz im Gegensatz zu der Eurozone, sind nun sichere Häfen?

Ist schwarz weiß - ist richtig falsch - sind die antiautoritären Protagonisten der 68 Generation allesamt in den Analysten- und Volkswirtstuben der Finanzbranche untergekommen?

Hier ist eine Exkursion notwendig. Wenn man die letzten 10 Jahre Revue passieren läßt, ergibt sich vereinfacht folgendes Bild. Die Finanzzentren in London und New York sind vergleichbar mit den "Catwalks" in Mailand oder Paris bezüglich der Mode. Sie geben vor, was en vogue ist. Die Konsequenz, daß den aus London und NY generierten Trends am Finanzmarkt gefolgt wurde, ist schlußendlich die aktuelle globale Finanzkrise.

Gerade bei uns in Deutschland ergab sich eine hohe Bereitschaft den "Strategen" aus London und NY zu folgen und diejenigen, die zeitig warnten mit Hybris und Arroganz zu ignorieren. Vielleicht sollte man bei den "Strategen" die Motivationsbasis erforschen …

Es ist "faszinierend" zu erkennen, daß offensichtlich sinnvolle Lernkurven am Finanzmarkt nur sehr schwer zu etablieren sind. Die Trendsetter von gestern dürfen weiter die Trendsetter von heute und morgen sein, losgelöst von dem angerichteten Schaden. "Food for thought!"

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein nachhaltiges Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.2770-1.2800 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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